Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.Line Hochschule für großgermanische Aultur Von dem Ziele einer engeren Zusammengehörigkeit, das häufig die einzelnen Ist es ein natürlicher und unveränderlicher Zustand, daß Völker gleicher Freilich, die entscheidende Tat steht noch aus, bis sich gezeigt haben wird, Line Hochschule für großgermanische Aultur Von dem Ziele einer engeren Zusammengehörigkeit, das häufig die einzelnen Ist es ein natürlicher und unveränderlicher Zustand, daß Völker gleicher Freilich, die entscheidende Tat steht noch aus, bis sich gezeigt haben wird, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0206" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321953"/> <fw type="header" place="top"> Line Hochschule für großgermanische Aultur</fw><lb/> <p xml:id="ID_823"> Von dem Ziele einer engeren Zusammengehörigkeit, das häufig die einzelnen<lb/> einander näherbrachte, sind die Völker selbst abgedrängt worden. Der nationale<lb/> Rhythmus, der in der Sprache und in der Kunst, in der Lebensart, im Fühlen<lb/> und Denken und in der gesamten Kultur der germanischen Völker sich nicht<lb/> hat ertöten lassen, lebt in der Enge kleiner, völkischer Vorurteile; die politische<lb/> Zerrissenheit des Germanentums verkennt die Grundlagen seines Daseins und<lb/> behauptet sie nur in der eigensinnigen Scheidung seiner Äußerlichkeiten. Die Kultur¬<lb/> gemeinschaft lebt zum Teil nicht offen, sondern ist verschüttet unter dem Druck<lb/> einer politischen Geschichte, die mit dem kleinen Maße enger Eigennützigkeit jede<lb/> große Tat isoliert hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_824"> Ist es ein natürlicher und unveränderlicher Zustand, daß Völker gleicher<lb/> Abstammung, von gleichem Rhythmus der Sprache und des Denkens, von einem<lb/> im Grunde noch immer einheitlichen Gefühlsleben zu einer politischen Stellung<lb/> genötigt werden, die sich nicht nur gegen die Lebensinteressen eines Brudervolkes<lb/> wenden kann, sondern auch den nationalen Kulturbesitz schädigen muß? Ist es<lb/> auf die Dauer zu ertragen, daß ganze Rassen aus dem jahrtausendelangen<lb/> Schlafe erwachen und sich zum Ansturm auf Europas Kultur mit Waffen rüsten,<lb/> die ihnen diese Kultur erst in die Hand gedrückt hat? Unmöglich darf die<lb/> geschichtliche Tatsache, daß sich germanische Völker seit zwei Jahrtausenden die<lb/> Entwicklung einander streitig machten, als ein verhängnisvolles Erbe auch für<lb/> die Zukunft betrachtet werden. Dem widerstreben die Erfahrungen in der Ge¬<lb/> schichte selbst, dagegen wallt das Empfinden eines jeden auf, der nachdenklich<lb/> und offenen Auges Ursache und Wirkung in der endlosen Kette der Völker¬<lb/> entwicklung verfolgt. Was in dem Auseinander- und Gegeneinanderarbeiten<lb/> der germanischen Völker an Volkskraft und Kulturbesitz verloren gegangen ist,<lb/> zeigt fast buchmäßig jede Seite ihrer Geschichte; was an Hemmungen der<lb/> menschlichen Entwicklung zu verzeichnen ist, wird vielleicht nie in seinem ganzen<lb/> Umfange dargelegt werden, weil wir nur die Erfolge, nicht aber die mit ihnen<lb/> und unter ihnen laufenden Volksenergien abmessen können. Nur die Gewinn¬<lb/> seite aller Völker, die durch germanische Blutszufuhr wieder in die Reihe aktiver<lb/> Nationen zurückkamen, läßt die Größe dieses Verlustes ahnen. Wie groß muß<lb/> aber der Bestand an Kraft sein, wenn alle Einbußen nicht vermocht haben, die<lb/> niemals rastenden Volkskräfte der germanischen Völker auch nur einen Augen¬<lb/> blick zum Stillstand zu zwingen oder gar aus der Aufwärtsbewegung der Erd-<lb/> bevölkerung auszuschalten!</p><lb/> <p xml:id="ID_825" next="#ID_826"> Freilich, die entscheidende Tat steht noch aus, bis sich gezeigt haben wird,<lb/> ob die erwachenden Kulturen Asiens und Afrikas lebensfähig sind. Unaufhaltsam<lb/> aber dämmert die Erkenntnis auf, daß die germanischen Völker einen Kultur¬<lb/> besitz haben, dessen Schwächung oder Verlust die Menschheit zu tragen hat;<lb/> unwillkürlich macht sich die Vorstellung der gemeinsamen Interessen der germa¬<lb/> nischen Völker frei. Und unbewußt — weil sie gefühlsmäßig aufstrebt — gewinnt<lb/> die Anschauung Raum, daß die zeitliche Unterdrückung der Völkerverwandtschaft-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0206]
Line Hochschule für großgermanische Aultur
Von dem Ziele einer engeren Zusammengehörigkeit, das häufig die einzelnen
einander näherbrachte, sind die Völker selbst abgedrängt worden. Der nationale
Rhythmus, der in der Sprache und in der Kunst, in der Lebensart, im Fühlen
und Denken und in der gesamten Kultur der germanischen Völker sich nicht
hat ertöten lassen, lebt in der Enge kleiner, völkischer Vorurteile; die politische
Zerrissenheit des Germanentums verkennt die Grundlagen seines Daseins und
behauptet sie nur in der eigensinnigen Scheidung seiner Äußerlichkeiten. Die Kultur¬
gemeinschaft lebt zum Teil nicht offen, sondern ist verschüttet unter dem Druck
einer politischen Geschichte, die mit dem kleinen Maße enger Eigennützigkeit jede
große Tat isoliert hat.
Ist es ein natürlicher und unveränderlicher Zustand, daß Völker gleicher
Abstammung, von gleichem Rhythmus der Sprache und des Denkens, von einem
im Grunde noch immer einheitlichen Gefühlsleben zu einer politischen Stellung
genötigt werden, die sich nicht nur gegen die Lebensinteressen eines Brudervolkes
wenden kann, sondern auch den nationalen Kulturbesitz schädigen muß? Ist es
auf die Dauer zu ertragen, daß ganze Rassen aus dem jahrtausendelangen
Schlafe erwachen und sich zum Ansturm auf Europas Kultur mit Waffen rüsten,
die ihnen diese Kultur erst in die Hand gedrückt hat? Unmöglich darf die
geschichtliche Tatsache, daß sich germanische Völker seit zwei Jahrtausenden die
Entwicklung einander streitig machten, als ein verhängnisvolles Erbe auch für
die Zukunft betrachtet werden. Dem widerstreben die Erfahrungen in der Ge¬
schichte selbst, dagegen wallt das Empfinden eines jeden auf, der nachdenklich
und offenen Auges Ursache und Wirkung in der endlosen Kette der Völker¬
entwicklung verfolgt. Was in dem Auseinander- und Gegeneinanderarbeiten
der germanischen Völker an Volkskraft und Kulturbesitz verloren gegangen ist,
zeigt fast buchmäßig jede Seite ihrer Geschichte; was an Hemmungen der
menschlichen Entwicklung zu verzeichnen ist, wird vielleicht nie in seinem ganzen
Umfange dargelegt werden, weil wir nur die Erfolge, nicht aber die mit ihnen
und unter ihnen laufenden Volksenergien abmessen können. Nur die Gewinn¬
seite aller Völker, die durch germanische Blutszufuhr wieder in die Reihe aktiver
Nationen zurückkamen, läßt die Größe dieses Verlustes ahnen. Wie groß muß
aber der Bestand an Kraft sein, wenn alle Einbußen nicht vermocht haben, die
niemals rastenden Volkskräfte der germanischen Völker auch nur einen Augen¬
blick zum Stillstand zu zwingen oder gar aus der Aufwärtsbewegung der Erd-
bevölkerung auszuschalten!
Freilich, die entscheidende Tat steht noch aus, bis sich gezeigt haben wird,
ob die erwachenden Kulturen Asiens und Afrikas lebensfähig sind. Unaufhaltsam
aber dämmert die Erkenntnis auf, daß die germanischen Völker einen Kultur¬
besitz haben, dessen Schwächung oder Verlust die Menschheit zu tragen hat;
unwillkürlich macht sich die Vorstellung der gemeinsamen Interessen der germa¬
nischen Völker frei. Und unbewußt — weil sie gefühlsmäßig aufstrebt — gewinnt
die Anschauung Raum, daß die zeitliche Unterdrückung der Völkerverwandtschaft-
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