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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Aussprache desselben (Kayser) zu verhindern,"
so ist auch hier wieder das "Redaktions¬
komitee" des "Semigotha" von grober Fahr¬
lässigkeit nicht freizusprechen, Dieser Vorwurf
ist um so berechtigter, als sich die Angabe
von der jüdischen Herkunft der Kap-Herr zwar
in der ersten Auflage (Salzburg 1889) der
"Geadelten jüdischen Familien" findet, in der
zweiten Auflage des Werkchens (Salzburg
1891) das ganze Geschlecht aber unerwähnt
blieb.

Was sagt nun der "Semigotha" über
Kap-Herr? ES heisst dort: "Kapp-Herr
(von Lockwitz) ans dem Stamme Aaron," also
mit zwei P in der ersten Silbe, und dann
wird ganz ins Blaue hinein auch noch hinzu¬
gefügt: "Konvertiert Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts," Für die "Beglaubigung der
jüdischen Genesis" beruft sich dabei der "Semi¬
gotha" auf Gritzner und auf Kohuts Werk:
"Berühmte jüdische Männer und Frauen",
Ich kann dazu nur bemerken, daß Gritzner
in seinen "Standes-Erhebungen und Gnaden-
Acten Deutscher Landesfürsten" über den an¬
geblich jüdischen Ursprung der Kap-Herr
nichts bemerkt, und daß Kohuts sehr inter¬
essantes Buch alles andere ist, als eine Quells
für die Beantwortung genealogischer Fragen,

In Wirklichkeit sieht die Genealogie der
Kap-Herr folgendermaßen aus, Johann
Christian (I,) Kapherr war Ende des sieb¬
zehnten Jahrhunderts Pastor zu Renkers-
leben bei Magdeburg, Sein Sohn Johann
Christinn (II,) wurde Bürgermeister zu Stern-
berg in Mecklenburg und ist daselbst 1751
gestorben. Ein anderer Sohn: Hartwig
Stephan wurde Pastor in Sternberg und
heiratete die Tochter des Präpvsitus I)r,Franck!
Des Bürgermeisters Johann Christian (II.)
Sohn war: Johann Christian (III ), Senator
zu Güstrow, gestorben 1788, dessen Ehefrau
Christiane Sophie, geborene Spaltung, diesem
bekannten vornehmen, ursprünglichen schotti¬
schen Geschlecht entstammte. Vom Senator
zu Güstrow kommen nachfolgende drei Söhne
hier in Betracht: Johann Christian (IV.),
Karl Ludwig und Christoph Alexander. Jo¬
hann Christian wurde Arzt und erhielt als
russischer Staatsrat den russischen Erbadel.
Seine Tochter Charlotte Dorothee, die, nach
der Übung russischer Edelleute im Auslande,

[Spaltenumbruch]

"von Kap-Herr" genannt wurde, heiratete
später den nachmaligen ersten Freiherr" von
Kap-Herr (s, unten). Eine Nichte von ihr:
Alexandra Jvanowma, wurde später die Ge¬
mahlin des nachmaligen russischen Ministers
des Innern und Ministerpräsidenten Ivan
Loginowitsch Goremykin. Die männlichen
Sprossen dieser russischen Linie des Geschlechtes
sind in Rußland zum Teil zu hohen Ehren¬
stellen gelangt. Karl Ludwig, der zweite
Sohn des Güstrower Senators, ist im Jahre
1845 zu Rostock verstorben, wo er jahrelang
großherzoglich mecklenburgischer Zollinspektor
gewesen war. Sein Sohn Hermann Chri¬
stian (V,) ist der erste Freiherr, Er war ge¬
boren am 16, September 1801 zu Rostock
und erhielt am 27, Juli 1368 den groß-
herzoglich hessischen Freihcrrenstand. Er war
damals Vankherr und königlich spanischer
Konsul zu Dresden. Seine Gattin stammte
aus der russischen Linie des Geschlechtes
(s, oben). Von beiden stammen sämtliche
Freiherren von Kap-Herr der Gegenwart,
Der dritte Sohn des Güstrower Senators
war Christoph Alexander, der 1862 als Stadt¬
rat zu Magdeburg gestorben ist. Er hat eine
"Magdeburger Linie" begründet, die bürger¬
lich geblieben ist und, allem Anscheine nach,
im Bürgerstande noch kräftig weiterblüht.
Bei diesem ganzen Befunde spricht nicht das
geringste dafür, daß das Geschlecht jüdischer
Herkunft sei. Im Gegenteil: der Pfarrer zu
Renkersleben als Ahnherr schließt diese Mög¬
lichkeit geradezu aus!

In unverzeihlicher Weise ist ferner der
"Semigotha" bei dem Geschlechte "Trcsckow"
hereingefallen. Er schreibt: "Nicht zu ver¬
wechseln mit den gut deutschen Edelgeschlechtern
derer von Tresckow und Treskow Sachs, Ur-
ndels und in der Mark. Nun evnng, , , .
Stammen von dem Juden Tresikow, tgi.
Preuß, Armeelieferanten in den Befreiungs-
kriegen 1813 und 1815, der , . . von König
Friedrich Wilhelm dem Zweiten den Adel be¬
kommen hat,"

Zunächst ein Wort über die Chronologie
des "Semigotha"! Also angeblich in den
Befreiungskriegen war der Mann Armee¬
lieferant: 1813 und 1815? Und jedenfalls
in jenen hat er sich die Verdienste er¬
worben, wegen derer er geadelt wurde?

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Aussprache desselben (Kayser) zu verhindern,"
so ist auch hier wieder das „Redaktions¬
komitee" des „Semigotha" von grober Fahr¬
lässigkeit nicht freizusprechen, Dieser Vorwurf
ist um so berechtigter, als sich die Angabe
von der jüdischen Herkunft der Kap-Herr zwar
in der ersten Auflage (Salzburg 1889) der
„Geadelten jüdischen Familien" findet, in der
zweiten Auflage des Werkchens (Salzburg
1891) das ganze Geschlecht aber unerwähnt
blieb.

Was sagt nun der „Semigotha" über
Kap-Herr? ES heisst dort: „Kapp-Herr
(von Lockwitz) ans dem Stamme Aaron," also
mit zwei P in der ersten Silbe, und dann
wird ganz ins Blaue hinein auch noch hinzu¬
gefügt: „Konvertiert Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts," Für die „Beglaubigung der
jüdischen Genesis" beruft sich dabei der „Semi¬
gotha" auf Gritzner und auf Kohuts Werk:
„Berühmte jüdische Männer und Frauen",
Ich kann dazu nur bemerken, daß Gritzner
in seinen „Standes-Erhebungen und Gnaden-
Acten Deutscher Landesfürsten" über den an¬
geblich jüdischen Ursprung der Kap-Herr
nichts bemerkt, und daß Kohuts sehr inter¬
essantes Buch alles andere ist, als eine Quells
für die Beantwortung genealogischer Fragen,

In Wirklichkeit sieht die Genealogie der
Kap-Herr folgendermaßen aus, Johann
Christian (I,) Kapherr war Ende des sieb¬
zehnten Jahrhunderts Pastor zu Renkers-
leben bei Magdeburg, Sein Sohn Johann
Christinn (II,) wurde Bürgermeister zu Stern-
berg in Mecklenburg und ist daselbst 1751
gestorben. Ein anderer Sohn: Hartwig
Stephan wurde Pastor in Sternberg und
heiratete die Tochter des Präpvsitus I)r,Franck!
Des Bürgermeisters Johann Christian (II.)
Sohn war: Johann Christian (III ), Senator
zu Güstrow, gestorben 1788, dessen Ehefrau
Christiane Sophie, geborene Spaltung, diesem
bekannten vornehmen, ursprünglichen schotti¬
schen Geschlecht entstammte. Vom Senator
zu Güstrow kommen nachfolgende drei Söhne
hier in Betracht: Johann Christian (IV.),
Karl Ludwig und Christoph Alexander. Jo¬
hann Christian wurde Arzt und erhielt als
russischer Staatsrat den russischen Erbadel.
Seine Tochter Charlotte Dorothee, die, nach
der Übung russischer Edelleute im Auslande,

[Spaltenumbruch]

„von Kap-Herr" genannt wurde, heiratete
später den nachmaligen ersten Freiherr» von
Kap-Herr (s, unten). Eine Nichte von ihr:
Alexandra Jvanowma, wurde später die Ge¬
mahlin des nachmaligen russischen Ministers
des Innern und Ministerpräsidenten Ivan
Loginowitsch Goremykin. Die männlichen
Sprossen dieser russischen Linie des Geschlechtes
sind in Rußland zum Teil zu hohen Ehren¬
stellen gelangt. Karl Ludwig, der zweite
Sohn des Güstrower Senators, ist im Jahre
1845 zu Rostock verstorben, wo er jahrelang
großherzoglich mecklenburgischer Zollinspektor
gewesen war. Sein Sohn Hermann Chri¬
stian (V,) ist der erste Freiherr, Er war ge¬
boren am 16, September 1801 zu Rostock
und erhielt am 27, Juli 1368 den groß-
herzoglich hessischen Freihcrrenstand. Er war
damals Vankherr und königlich spanischer
Konsul zu Dresden. Seine Gattin stammte
aus der russischen Linie des Geschlechtes
(s, oben). Von beiden stammen sämtliche
Freiherren von Kap-Herr der Gegenwart,
Der dritte Sohn des Güstrower Senators
war Christoph Alexander, der 1862 als Stadt¬
rat zu Magdeburg gestorben ist. Er hat eine
„Magdeburger Linie" begründet, die bürger¬
lich geblieben ist und, allem Anscheine nach,
im Bürgerstande noch kräftig weiterblüht.
Bei diesem ganzen Befunde spricht nicht das
geringste dafür, daß das Geschlecht jüdischer
Herkunft sei. Im Gegenteil: der Pfarrer zu
Renkersleben als Ahnherr schließt diese Mög¬
lichkeit geradezu aus!

In unverzeihlicher Weise ist ferner der
„Semigotha" bei dem Geschlechte „Trcsckow"
hereingefallen. Er schreibt: „Nicht zu ver¬
wechseln mit den gut deutschen Edelgeschlechtern
derer von Tresckow und Treskow Sachs, Ur-
ndels und in der Mark. Nun evnng, , , .
Stammen von dem Juden Tresikow, tgi.
Preuß, Armeelieferanten in den Befreiungs-
kriegen 1813 und 1815, der , . . von König
Friedrich Wilhelm dem Zweiten den Adel be¬
kommen hat,"

Zunächst ein Wort über die Chronologie
des „Semigotha"! Also angeblich in den
Befreiungskriegen war der Mann Armee¬
lieferant: 1813 und 1815? Und jedenfalls
in jenen hat er sich die Verdienste er¬
worben, wegen derer er geadelt wurde?

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[0443] Maßgebliches und Unmaßgebliches Aussprache desselben (Kayser) zu verhindern," so ist auch hier wieder das „Redaktions¬ komitee" des „Semigotha" von grober Fahr¬ lässigkeit nicht freizusprechen, Dieser Vorwurf ist um so berechtigter, als sich die Angabe von der jüdischen Herkunft der Kap-Herr zwar in der ersten Auflage (Salzburg 1889) der „Geadelten jüdischen Familien" findet, in der zweiten Auflage des Werkchens (Salzburg 1891) das ganze Geschlecht aber unerwähnt blieb. Was sagt nun der „Semigotha" über Kap-Herr? ES heisst dort: „Kapp-Herr (von Lockwitz) ans dem Stamme Aaron," also mit zwei P in der ersten Silbe, und dann wird ganz ins Blaue hinein auch noch hinzu¬ gefügt: „Konvertiert Mitte des neunzehnten Jahrhunderts," Für die „Beglaubigung der jüdischen Genesis" beruft sich dabei der „Semi¬ gotha" auf Gritzner und auf Kohuts Werk: „Berühmte jüdische Männer und Frauen", Ich kann dazu nur bemerken, daß Gritzner in seinen „Standes-Erhebungen und Gnaden- Acten Deutscher Landesfürsten" über den an¬ geblich jüdischen Ursprung der Kap-Herr nichts bemerkt, und daß Kohuts sehr inter¬ essantes Buch alles andere ist, als eine Quells für die Beantwortung genealogischer Fragen, In Wirklichkeit sieht die Genealogie der Kap-Herr folgendermaßen aus, Johann Christian (I,) Kapherr war Ende des sieb¬ zehnten Jahrhunderts Pastor zu Renkers- leben bei Magdeburg, Sein Sohn Johann Christinn (II,) wurde Bürgermeister zu Stern- berg in Mecklenburg und ist daselbst 1751 gestorben. Ein anderer Sohn: Hartwig Stephan wurde Pastor in Sternberg und heiratete die Tochter des Präpvsitus I)r,Franck! Des Bürgermeisters Johann Christian (II.) Sohn war: Johann Christian (III ), Senator zu Güstrow, gestorben 1788, dessen Ehefrau Christiane Sophie, geborene Spaltung, diesem bekannten vornehmen, ursprünglichen schotti¬ schen Geschlecht entstammte. Vom Senator zu Güstrow kommen nachfolgende drei Söhne hier in Betracht: Johann Christian (IV.), Karl Ludwig und Christoph Alexander. Jo¬ hann Christian wurde Arzt und erhielt als russischer Staatsrat den russischen Erbadel. Seine Tochter Charlotte Dorothee, die, nach der Übung russischer Edelleute im Auslande, „von Kap-Herr" genannt wurde, heiratete später den nachmaligen ersten Freiherr» von Kap-Herr (s, unten). Eine Nichte von ihr: Alexandra Jvanowma, wurde später die Ge¬ mahlin des nachmaligen russischen Ministers des Innern und Ministerpräsidenten Ivan Loginowitsch Goremykin. Die männlichen Sprossen dieser russischen Linie des Geschlechtes sind in Rußland zum Teil zu hohen Ehren¬ stellen gelangt. Karl Ludwig, der zweite Sohn des Güstrower Senators, ist im Jahre 1845 zu Rostock verstorben, wo er jahrelang großherzoglich mecklenburgischer Zollinspektor gewesen war. Sein Sohn Hermann Chri¬ stian (V,) ist der erste Freiherr, Er war ge¬ boren am 16, September 1801 zu Rostock und erhielt am 27, Juli 1368 den groß- herzoglich hessischen Freihcrrenstand. Er war damals Vankherr und königlich spanischer Konsul zu Dresden. Seine Gattin stammte aus der russischen Linie des Geschlechtes (s, oben). Von beiden stammen sämtliche Freiherren von Kap-Herr der Gegenwart, Der dritte Sohn des Güstrower Senators war Christoph Alexander, der 1862 als Stadt¬ rat zu Magdeburg gestorben ist. Er hat eine „Magdeburger Linie" begründet, die bürger¬ lich geblieben ist und, allem Anscheine nach, im Bürgerstande noch kräftig weiterblüht. Bei diesem ganzen Befunde spricht nicht das geringste dafür, daß das Geschlecht jüdischer Herkunft sei. Im Gegenteil: der Pfarrer zu Renkersleben als Ahnherr schließt diese Mög¬ lichkeit geradezu aus! In unverzeihlicher Weise ist ferner der „Semigotha" bei dem Geschlechte „Trcsckow" hereingefallen. Er schreibt: „Nicht zu ver¬ wechseln mit den gut deutschen Edelgeschlechtern derer von Tresckow und Treskow Sachs, Ur- ndels und in der Mark. Nun evnng, , , . Stammen von dem Juden Tresikow, tgi. Preuß, Armeelieferanten in den Befreiungs- kriegen 1813 und 1815, der , . . von König Friedrich Wilhelm dem Zweiten den Adel be¬ kommen hat," Zunächst ein Wort über die Chronologie des „Semigotha"! Also angeblich in den Befreiungskriegen war der Mann Armee¬ lieferant: 1813 und 1815? Und jedenfalls in jenen hat er sich die Verdienste er¬ worben, wegen derer er geadelt wurde?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/443>, abgerufen am 09.06.2024.