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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Kämpfe unserer Lehrerschaft

in gewissen Kreisen ungeschwächt fort. Auf dem Verbandstage der akademisch
gebildeten Lehrer Deutschlands hat vor einem Jahre in Dresden Herr Ober¬
lehrer Dr. Roesel-Bielefeld (jetzt Leipzig) in seinem Vortrage über "die Bedeutung
der Mädchenschulreform für die akademisch gebildeten Lehrer Deutschlands" auch
die Frage der weiblichen Leitung berührt und sich dabei leider in einer Weise
ausgesprochen, die, was Sachlichkeit und Takt betrifft, sich nicht ganz auf dem
Niveau der übrigen Vorträge des Verbandstages hielt. "Alle Eingaben gegen
diese verhängnisvolle Neuerung, die einen Mann gegen seinen Willen gegebenen¬
falls unter die Amtsbefugnisse einer Frau stelle, seien erfolglos geblieben.
Gewichtige Gründe psychologischer und politischer Natur sprächen aber entschieden
gegen die weibliche Leitung. Die Frage sei von allgemeiner Bedeutung. Die
Oberlehrer hätten den ersten Sturm auszuhalten; blieben die Frauenrechtlerinnen
hier siegreich, so würden sie sicher sür alle weiter in Frage kommenden Fälle
die Folgerungen gründlichst ziehen. Noch sei es Zeit, die Bresche, die die
preußische Mädchenschulreform hier geschlagen habe, wieder zu schließen; denn
namentlich seitens der Gemeinden sei die Neigung zur Anstellung von Direktorinnen
sehr gering. Aber freilich bedürfe es der Überzeugung bei der Gesamtheit der
deutschen Oberlehrerschaft, daß zum Wohl der Schule der Mann die Leitung
behalten müsse. Freunde der schrankenlosen Frauenbewegung in unseren Reihen
müßten geradezu als Feinde des Standes und des Staates angesehen werden!"
Sehr erfreulich war es, daß sich gegen diese übertriebenen Äußerungen sofort
eine lebhafte Opposition geltend machte; so wurde auch der Schlußsatz der Re¬
solution (daß öffentliche höhere Mädchenschulen mit männlichen Lehrkräften nur
unter männlicher Leitung stehen dürfen) gegen die doch recht beträchtliche Minder¬
heit von 24 Stimmen angenommen, und bei der Nachmittagssitzung wurden
namens der Minorität nochmals Bedenken gegen die etwas hastige Erledigung
dieser wichtigen Frage vorgebracht.

Welches sind eigentlich die Gründe, die die Gegner gegen die weibliche
Leitung höherer Mädchenschulen ins Feld führen? An erster Stelle heißt es
immer, es sei gewissermaßen entehrend für einen Mann, unter dem amtlichen
Regiment einer Frau zu stehen. Im Grunde genommen sind das eigentlich
die etwas abgenutzten Schlagworte aus dem Kampfe gegen die allgemeine
Frauenbewegung. Ist schon die Gleichberechtigung der Frau zu bekämpfen, so
ist die Überordnung einer Frau über den "Herrn der Schöpfung" überhaupt
ein Frevel gegen die Weltordnung. Offen oder versteckt wird dabei auch der
Ansicht Ausdruck gegeben, daß die Frau als Frau aus körperlichen wie geistigen
Umständen unfähig sei, die Leitung einer Schule und damit einen so ver-
antwortungs- und arbeitsreichen Posten zu übernehmen. Ist denn diesen
Gegnern gänzlich unbekannt, welch geistig hochstehende Frauen heute auf den
verschiedensten Lebensgebieten mit dem größten Erfolg tätig sind? Warum
soll es denn die Mannesehre verletzen, unter einer hervorragenden Frau zu
dienen, wo doch dieselbe Mannesehre nicht Schaden nimmt, wenn sie in so


Kämpfe unserer Lehrerschaft

in gewissen Kreisen ungeschwächt fort. Auf dem Verbandstage der akademisch
gebildeten Lehrer Deutschlands hat vor einem Jahre in Dresden Herr Ober¬
lehrer Dr. Roesel-Bielefeld (jetzt Leipzig) in seinem Vortrage über „die Bedeutung
der Mädchenschulreform für die akademisch gebildeten Lehrer Deutschlands" auch
die Frage der weiblichen Leitung berührt und sich dabei leider in einer Weise
ausgesprochen, die, was Sachlichkeit und Takt betrifft, sich nicht ganz auf dem
Niveau der übrigen Vorträge des Verbandstages hielt. „Alle Eingaben gegen
diese verhängnisvolle Neuerung, die einen Mann gegen seinen Willen gegebenen¬
falls unter die Amtsbefugnisse einer Frau stelle, seien erfolglos geblieben.
Gewichtige Gründe psychologischer und politischer Natur sprächen aber entschieden
gegen die weibliche Leitung. Die Frage sei von allgemeiner Bedeutung. Die
Oberlehrer hätten den ersten Sturm auszuhalten; blieben die Frauenrechtlerinnen
hier siegreich, so würden sie sicher sür alle weiter in Frage kommenden Fälle
die Folgerungen gründlichst ziehen. Noch sei es Zeit, die Bresche, die die
preußische Mädchenschulreform hier geschlagen habe, wieder zu schließen; denn
namentlich seitens der Gemeinden sei die Neigung zur Anstellung von Direktorinnen
sehr gering. Aber freilich bedürfe es der Überzeugung bei der Gesamtheit der
deutschen Oberlehrerschaft, daß zum Wohl der Schule der Mann die Leitung
behalten müsse. Freunde der schrankenlosen Frauenbewegung in unseren Reihen
müßten geradezu als Feinde des Standes und des Staates angesehen werden!"
Sehr erfreulich war es, daß sich gegen diese übertriebenen Äußerungen sofort
eine lebhafte Opposition geltend machte; so wurde auch der Schlußsatz der Re¬
solution (daß öffentliche höhere Mädchenschulen mit männlichen Lehrkräften nur
unter männlicher Leitung stehen dürfen) gegen die doch recht beträchtliche Minder¬
heit von 24 Stimmen angenommen, und bei der Nachmittagssitzung wurden
namens der Minorität nochmals Bedenken gegen die etwas hastige Erledigung
dieser wichtigen Frage vorgebracht.

Welches sind eigentlich die Gründe, die die Gegner gegen die weibliche
Leitung höherer Mädchenschulen ins Feld führen? An erster Stelle heißt es
immer, es sei gewissermaßen entehrend für einen Mann, unter dem amtlichen
Regiment einer Frau zu stehen. Im Grunde genommen sind das eigentlich
die etwas abgenutzten Schlagworte aus dem Kampfe gegen die allgemeine
Frauenbewegung. Ist schon die Gleichberechtigung der Frau zu bekämpfen, so
ist die Überordnung einer Frau über den „Herrn der Schöpfung" überhaupt
ein Frevel gegen die Weltordnung. Offen oder versteckt wird dabei auch der
Ansicht Ausdruck gegeben, daß die Frau als Frau aus körperlichen wie geistigen
Umständen unfähig sei, die Leitung einer Schule und damit einen so ver-
antwortungs- und arbeitsreichen Posten zu übernehmen. Ist denn diesen
Gegnern gänzlich unbekannt, welch geistig hochstehende Frauen heute auf den
verschiedensten Lebensgebieten mit dem größten Erfolg tätig sind? Warum
soll es denn die Mannesehre verletzen, unter einer hervorragenden Frau zu
dienen, wo doch dieselbe Mannesehre nicht Schaden nimmt, wenn sie in so


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[0630] Kämpfe unserer Lehrerschaft in gewissen Kreisen ungeschwächt fort. Auf dem Verbandstage der akademisch gebildeten Lehrer Deutschlands hat vor einem Jahre in Dresden Herr Ober¬ lehrer Dr. Roesel-Bielefeld (jetzt Leipzig) in seinem Vortrage über „die Bedeutung der Mädchenschulreform für die akademisch gebildeten Lehrer Deutschlands" auch die Frage der weiblichen Leitung berührt und sich dabei leider in einer Weise ausgesprochen, die, was Sachlichkeit und Takt betrifft, sich nicht ganz auf dem Niveau der übrigen Vorträge des Verbandstages hielt. „Alle Eingaben gegen diese verhängnisvolle Neuerung, die einen Mann gegen seinen Willen gegebenen¬ falls unter die Amtsbefugnisse einer Frau stelle, seien erfolglos geblieben. Gewichtige Gründe psychologischer und politischer Natur sprächen aber entschieden gegen die weibliche Leitung. Die Frage sei von allgemeiner Bedeutung. Die Oberlehrer hätten den ersten Sturm auszuhalten; blieben die Frauenrechtlerinnen hier siegreich, so würden sie sicher sür alle weiter in Frage kommenden Fälle die Folgerungen gründlichst ziehen. Noch sei es Zeit, die Bresche, die die preußische Mädchenschulreform hier geschlagen habe, wieder zu schließen; denn namentlich seitens der Gemeinden sei die Neigung zur Anstellung von Direktorinnen sehr gering. Aber freilich bedürfe es der Überzeugung bei der Gesamtheit der deutschen Oberlehrerschaft, daß zum Wohl der Schule der Mann die Leitung behalten müsse. Freunde der schrankenlosen Frauenbewegung in unseren Reihen müßten geradezu als Feinde des Standes und des Staates angesehen werden!" Sehr erfreulich war es, daß sich gegen diese übertriebenen Äußerungen sofort eine lebhafte Opposition geltend machte; so wurde auch der Schlußsatz der Re¬ solution (daß öffentliche höhere Mädchenschulen mit männlichen Lehrkräften nur unter männlicher Leitung stehen dürfen) gegen die doch recht beträchtliche Minder¬ heit von 24 Stimmen angenommen, und bei der Nachmittagssitzung wurden namens der Minorität nochmals Bedenken gegen die etwas hastige Erledigung dieser wichtigen Frage vorgebracht. Welches sind eigentlich die Gründe, die die Gegner gegen die weibliche Leitung höherer Mädchenschulen ins Feld führen? An erster Stelle heißt es immer, es sei gewissermaßen entehrend für einen Mann, unter dem amtlichen Regiment einer Frau zu stehen. Im Grunde genommen sind das eigentlich die etwas abgenutzten Schlagworte aus dem Kampfe gegen die allgemeine Frauenbewegung. Ist schon die Gleichberechtigung der Frau zu bekämpfen, so ist die Überordnung einer Frau über den „Herrn der Schöpfung" überhaupt ein Frevel gegen die Weltordnung. Offen oder versteckt wird dabei auch der Ansicht Ausdruck gegeben, daß die Frau als Frau aus körperlichen wie geistigen Umständen unfähig sei, die Leitung einer Schule und damit einen so ver- antwortungs- und arbeitsreichen Posten zu übernehmen. Ist denn diesen Gegnern gänzlich unbekannt, welch geistig hochstehende Frauen heute auf den verschiedensten Lebensgebieten mit dem größten Erfolg tätig sind? Warum soll es denn die Mannesehre verletzen, unter einer hervorragenden Frau zu dienen, wo doch dieselbe Mannesehre nicht Schaden nimmt, wenn sie in so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/630>, abgerufen am 16.06.2024.