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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die XIV. internationale Revue der Alkoholgegner in Mailand

und Trommershausen-Frankfurt a. M. (Beschränkung der Zahl der Schänk-
stätten). Nachdem auch der Wert antialkoholischer Ausstellungen von Flaig-
Berlin gewürdigt worden, schloß der Kongreß mit der Erörterung der höchst
bedeutungsvollen Frage der alkoholfreien Jugenderziehung (Miß Brehm-Pitts-
bonrg (U. S. U.) und der Vorbereitung des Lehrpersonals zum Antialkohol-
unterricht (Ponickau-Leipzig). Hier liegt in der Tat ein ungemein schwieriges
Problem. Es ist in keiner Weise zu leugnen, daß gerade die Schule es bisher
an einer planmäßigen und verständigen Erziehung zur Abneigung gegen den
Alkohol noch fast völlig fehlen läßt. Man braucht vielleicht nicht so weit zu
gehen, den Alkoholunterricht zum Lehrfach zu machen -- das würde unter
anderem die Gefahr in sich bergen, daß aus der verständnisvollen und lebendigen
Einwirkung ein "Pensum" wird, das "durchgenommen" werden muß --, ver¬
langt werden muß aber, daß unter dem mancherlei guten und vielerlei über¬
flüssigen, was die Schule der Jugend vermittelt, die Alkoholbelehrung in einer
angebrachten Form Platz findet. Das Interesse der Jugend an der Alkohol¬
abwehr ist neuerdings sehr lebendig geworden, nicht zuletzt durch die Organi-
sation der Rückkehr zur Natur, wie sie im Wandervogel und dergleichen zum
Ausdruck gekommen ist. Das aber hat die Jugend aus sich heraus geschaffen-
Der im vorigen Jahre mit großem Erfolg in Berlin abgehaltene erste inter¬
nationale Kongreß für alkoholfreie Jugenderziehung hat gezeigt, wie viel auf
diesem Gebiet noch zu tun übrig bleibt, und wie gerade Deutschland --
Gegensatz zu den skandinavischen und angelsächsischen Ländern, die immerhin
etwas weiter sind -- noch sehr im Hintertreffen steht. Die Mailänder Ver^
Handlungen boten im wesentlichen das gleiche Bild.

Eine kurze Übersicht über die internationale Bewegung gegen den Alkohol,
die Bergmann-Stockholm gab, schloß die eindrucksvolle Tagung, deren Ergiebigkeit-
was bei Kongressen keineswegs immer der Fall ist, in durchaus günstigem Ve^
hältnis zu ihrer Länge stand.

Die Mailänder Woche wurde von einer großen Anzahl alkoholgegnerisch^
Vereinigungen benutzt, um Sonderkonferenzen abzuhalten. Aus ihrer groß^
Zahl seien nur drei herausgegriffen, die mit einem bisher noch nicht erörterte"
Punkt der Tagesordnung in Verbindung standen: mit der kolonialen Alkoholfrag^'
Diese Frage scheint mir wichtig genug, um ihr noch einige besondere An^
führungen zu widmen.

Die Bedeutung des Schutzes der Eingeborenen Afrikas -- nur um p
handelte es sich -- vor dem Alkohol braucht hier nicht näher auseinandergesev
zu werden. Man kann in aller Kürze sagen, daß die Erhaltung und Schafft
einer gesunden und lebenskräftigen Eingeborenenbevölkerung die Voraussetzn"^
für die Erreichung aller kolonialwirtschaftlichen Ziele im tropischen und
tropischen Afrika ist, und das dazu auch die Befreiung der Farbigen von
Branntweinpest gehört. Nach Lage der Dinge -- vor allem bei der Auto'^
trollierbarkeit der Binnengrenzen -- kann diese Aufgabe nur durch gemeinsam


Die XIV. internationale Revue der Alkoholgegner in Mailand

und Trommershausen-Frankfurt a. M. (Beschränkung der Zahl der Schänk-
stätten). Nachdem auch der Wert antialkoholischer Ausstellungen von Flaig-
Berlin gewürdigt worden, schloß der Kongreß mit der Erörterung der höchst
bedeutungsvollen Frage der alkoholfreien Jugenderziehung (Miß Brehm-Pitts-
bonrg (U. S. U.) und der Vorbereitung des Lehrpersonals zum Antialkohol-
unterricht (Ponickau-Leipzig). Hier liegt in der Tat ein ungemein schwieriges
Problem. Es ist in keiner Weise zu leugnen, daß gerade die Schule es bisher
an einer planmäßigen und verständigen Erziehung zur Abneigung gegen den
Alkohol noch fast völlig fehlen läßt. Man braucht vielleicht nicht so weit zu
gehen, den Alkoholunterricht zum Lehrfach zu machen — das würde unter
anderem die Gefahr in sich bergen, daß aus der verständnisvollen und lebendigen
Einwirkung ein „Pensum" wird, das „durchgenommen" werden muß —, ver¬
langt werden muß aber, daß unter dem mancherlei guten und vielerlei über¬
flüssigen, was die Schule der Jugend vermittelt, die Alkoholbelehrung in einer
angebrachten Form Platz findet. Das Interesse der Jugend an der Alkohol¬
abwehr ist neuerdings sehr lebendig geworden, nicht zuletzt durch die Organi-
sation der Rückkehr zur Natur, wie sie im Wandervogel und dergleichen zum
Ausdruck gekommen ist. Das aber hat die Jugend aus sich heraus geschaffen-
Der im vorigen Jahre mit großem Erfolg in Berlin abgehaltene erste inter¬
nationale Kongreß für alkoholfreie Jugenderziehung hat gezeigt, wie viel auf
diesem Gebiet noch zu tun übrig bleibt, und wie gerade Deutschland —
Gegensatz zu den skandinavischen und angelsächsischen Ländern, die immerhin
etwas weiter sind — noch sehr im Hintertreffen steht. Die Mailänder Ver^
Handlungen boten im wesentlichen das gleiche Bild.

Eine kurze Übersicht über die internationale Bewegung gegen den Alkohol,
die Bergmann-Stockholm gab, schloß die eindrucksvolle Tagung, deren Ergiebigkeit-
was bei Kongressen keineswegs immer der Fall ist, in durchaus günstigem Ve^
hältnis zu ihrer Länge stand.

Die Mailänder Woche wurde von einer großen Anzahl alkoholgegnerisch^
Vereinigungen benutzt, um Sonderkonferenzen abzuhalten. Aus ihrer groß^
Zahl seien nur drei herausgegriffen, die mit einem bisher noch nicht erörterte"
Punkt der Tagesordnung in Verbindung standen: mit der kolonialen Alkoholfrag^'
Diese Frage scheint mir wichtig genug, um ihr noch einige besondere An^
führungen zu widmen.

Die Bedeutung des Schutzes der Eingeborenen Afrikas — nur um p
handelte es sich — vor dem Alkohol braucht hier nicht näher auseinandergesev
zu werden. Man kann in aller Kürze sagen, daß die Erhaltung und Schafft
einer gesunden und lebenskräftigen Eingeborenenbevölkerung die Voraussetzn»^
für die Erreichung aller kolonialwirtschaftlichen Ziele im tropischen und
tropischen Afrika ist, und das dazu auch die Befreiung der Farbigen von
Branntweinpest gehört. Nach Lage der Dinge — vor allem bei der Auto'^
trollierbarkeit der Binnengrenzen — kann diese Aufgabe nur durch gemeinsam


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[0274] Die XIV. internationale Revue der Alkoholgegner in Mailand und Trommershausen-Frankfurt a. M. (Beschränkung der Zahl der Schänk- stätten). Nachdem auch der Wert antialkoholischer Ausstellungen von Flaig- Berlin gewürdigt worden, schloß der Kongreß mit der Erörterung der höchst bedeutungsvollen Frage der alkoholfreien Jugenderziehung (Miß Brehm-Pitts- bonrg (U. S. U.) und der Vorbereitung des Lehrpersonals zum Antialkohol- unterricht (Ponickau-Leipzig). Hier liegt in der Tat ein ungemein schwieriges Problem. Es ist in keiner Weise zu leugnen, daß gerade die Schule es bisher an einer planmäßigen und verständigen Erziehung zur Abneigung gegen den Alkohol noch fast völlig fehlen läßt. Man braucht vielleicht nicht so weit zu gehen, den Alkoholunterricht zum Lehrfach zu machen — das würde unter anderem die Gefahr in sich bergen, daß aus der verständnisvollen und lebendigen Einwirkung ein „Pensum" wird, das „durchgenommen" werden muß —, ver¬ langt werden muß aber, daß unter dem mancherlei guten und vielerlei über¬ flüssigen, was die Schule der Jugend vermittelt, die Alkoholbelehrung in einer angebrachten Form Platz findet. Das Interesse der Jugend an der Alkohol¬ abwehr ist neuerdings sehr lebendig geworden, nicht zuletzt durch die Organi- sation der Rückkehr zur Natur, wie sie im Wandervogel und dergleichen zum Ausdruck gekommen ist. Das aber hat die Jugend aus sich heraus geschaffen- Der im vorigen Jahre mit großem Erfolg in Berlin abgehaltene erste inter¬ nationale Kongreß für alkoholfreie Jugenderziehung hat gezeigt, wie viel auf diesem Gebiet noch zu tun übrig bleibt, und wie gerade Deutschland — Gegensatz zu den skandinavischen und angelsächsischen Ländern, die immerhin etwas weiter sind — noch sehr im Hintertreffen steht. Die Mailänder Ver^ Handlungen boten im wesentlichen das gleiche Bild. Eine kurze Übersicht über die internationale Bewegung gegen den Alkohol, die Bergmann-Stockholm gab, schloß die eindrucksvolle Tagung, deren Ergiebigkeit- was bei Kongressen keineswegs immer der Fall ist, in durchaus günstigem Ve^ hältnis zu ihrer Länge stand. Die Mailänder Woche wurde von einer großen Anzahl alkoholgegnerisch^ Vereinigungen benutzt, um Sonderkonferenzen abzuhalten. Aus ihrer groß^ Zahl seien nur drei herausgegriffen, die mit einem bisher noch nicht erörterte" Punkt der Tagesordnung in Verbindung standen: mit der kolonialen Alkoholfrag^' Diese Frage scheint mir wichtig genug, um ihr noch einige besondere An^ führungen zu widmen. Die Bedeutung des Schutzes der Eingeborenen Afrikas — nur um p handelte es sich — vor dem Alkohol braucht hier nicht näher auseinandergesev zu werden. Man kann in aller Kürze sagen, daß die Erhaltung und Schafft einer gesunden und lebenskräftigen Eingeborenenbevölkerung die Voraussetzn»^ für die Erreichung aller kolonialwirtschaftlichen Ziele im tropischen und tropischen Afrika ist, und das dazu auch die Befreiung der Farbigen von Branntweinpest gehört. Nach Lage der Dinge — vor allem bei der Auto'^ trollierbarkeit der Binnengrenzen — kann diese Aufgabe nur durch gemeinsam

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/274>, abgerufen am 16.06.2024.