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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die XIV. internationale Revue der Alkoholgegner in Mailand

Vorgehen aller Kolonialstaaten gelöst werden. Das ist vor Jahrzehnten bereits
erkannt und durch Abschluß der sogenannten Brüsseler Generalakte von 1890
dokumentiert worden. Sie setzte Mindestzölle für Branntwein fest, Sperrgebiete,
in denen die Branntweinverabfolgung an Eingeborene untersagt wurde und
gab den Signatarmächten die Befugnis, über diese Mindestforderungen selb¬
ständig hinauszugehen. Zwei weitere Konferenzen, 1899 und 1906, erhöhten
die Mindestzölle wesentlich, -- der erhoffte Erfolg blieb indessen aus. Das
führte, hauptsächlich auf Betreiben Deutschlands und Englands, zu einer aber¬
maligen Berufung der Brüsseler Konferenz im Februar 1912, der ein von
beiden Mächten gemeinsam verfaßter Entwurf vorlag, nach welchem die Zölle
abermals stark erhöht und die Verbotszonen durch alle Kolonien hindurch genau
festgelegt werden sollten. Leider ging diese Konferenz völlig ergebnislos aus¬
einander. Über die Gründe ihres Scheiterns herrscht einige Unklarheit; eine
offizielle Erklärung der deutschen Regierung auf eine Anfrage im Reichstag
l25. April 1913) erklärte die ablehnende Haltung Frankreichs, das sich auch
aus einen Kompromißvorschlag nicht eingelassen hätte, für die Ursache. Von
französischer Seite wird dagegen behauptet, lediglich die mangelnde Geneigtheit
der übrigen Mächte, Frankreich den Zeitpunkt der Einführung der verlangten
Reformen freizustellen, habe zu der Ergebnislosigkeit der Konferenz geführt.
Dagegen wird eingewendet werden müssen, daß die Festlegung eben dieses
Zeitpunktes für den Erfolg der vorgeschlagenen Maßnahmen von außerordent¬
licher Bedeutung sein mußte. Die Gründe Frankreichs sür sein Verhalten
dürften tiefer liegen, worauf indessen hier nicht eingegangen werden kann. Es
genügt hier festzustellen, daß die Einmütigkeit der Kolonialmächte in der Be¬
handlung der afrikanischen Alkoholfrage im Februar 1912 ein empfindliches
Loch bekommen hat. Was ist seitdem geschehen?

Einen Generalbericht über die Maßnahmen der Kolonialmächte erstattete
dem Kongreß Harford-London; er wurde ergänzt durch Referate von Baron
du Teil-Paris für Frankreich, Mondaini-Nom für Italien, Zacher-Berlin und
Schreiber-Bremen für Deutschland. Aus allen Berichten ging hervor, daß fast
sämtliche Kolonialstaaten seit 1912 sich bemüht haben, in gesonderten Vorgehen
der Alkoholifterung der Eingeborenen entgegenzuarbeiten. Die in Anwendung
gekommenen Mittel waren die üblichen: Zollerhöhungen, Besteuerung der Eigen¬
erzeugung, Verabfolgungsverbote u. tgi. Es soll durchaus nicht geleugnet
werden, daß diese Maßnahmen erwünscht und erfreulich sind. Auch das Vor¬
gehen Frankreichs in dieser Richtung, das in seinen westafrikanischen Besitzungen
vom 1. Januar 1914 ab einen Eingangszoll von 300 Franken pro Hektoliter --
weit mehr als in Brüssel vorgeschlagen -- erheben will, ist mit Befriedigung
zu registrieren, sofern nicht etwa durch Ausnahmen zugunsten des französischen
Alkohols die Wirkung des Gesetzes auf eine Monopolisierung des eigenerzeugten
und Ausschaltung des fremden Alkohols hinausläuft. Immerhin wird man
sich fragen müssen, ob dies getrennte Vorgehen der einzelnen Mächte den


Die XIV. internationale Revue der Alkoholgegner in Mailand

Vorgehen aller Kolonialstaaten gelöst werden. Das ist vor Jahrzehnten bereits
erkannt und durch Abschluß der sogenannten Brüsseler Generalakte von 1890
dokumentiert worden. Sie setzte Mindestzölle für Branntwein fest, Sperrgebiete,
in denen die Branntweinverabfolgung an Eingeborene untersagt wurde und
gab den Signatarmächten die Befugnis, über diese Mindestforderungen selb¬
ständig hinauszugehen. Zwei weitere Konferenzen, 1899 und 1906, erhöhten
die Mindestzölle wesentlich, — der erhoffte Erfolg blieb indessen aus. Das
führte, hauptsächlich auf Betreiben Deutschlands und Englands, zu einer aber¬
maligen Berufung der Brüsseler Konferenz im Februar 1912, der ein von
beiden Mächten gemeinsam verfaßter Entwurf vorlag, nach welchem die Zölle
abermals stark erhöht und die Verbotszonen durch alle Kolonien hindurch genau
festgelegt werden sollten. Leider ging diese Konferenz völlig ergebnislos aus¬
einander. Über die Gründe ihres Scheiterns herrscht einige Unklarheit; eine
offizielle Erklärung der deutschen Regierung auf eine Anfrage im Reichstag
l25. April 1913) erklärte die ablehnende Haltung Frankreichs, das sich auch
aus einen Kompromißvorschlag nicht eingelassen hätte, für die Ursache. Von
französischer Seite wird dagegen behauptet, lediglich die mangelnde Geneigtheit
der übrigen Mächte, Frankreich den Zeitpunkt der Einführung der verlangten
Reformen freizustellen, habe zu der Ergebnislosigkeit der Konferenz geführt.
Dagegen wird eingewendet werden müssen, daß die Festlegung eben dieses
Zeitpunktes für den Erfolg der vorgeschlagenen Maßnahmen von außerordent¬
licher Bedeutung sein mußte. Die Gründe Frankreichs sür sein Verhalten
dürften tiefer liegen, worauf indessen hier nicht eingegangen werden kann. Es
genügt hier festzustellen, daß die Einmütigkeit der Kolonialmächte in der Be¬
handlung der afrikanischen Alkoholfrage im Februar 1912 ein empfindliches
Loch bekommen hat. Was ist seitdem geschehen?

Einen Generalbericht über die Maßnahmen der Kolonialmächte erstattete
dem Kongreß Harford-London; er wurde ergänzt durch Referate von Baron
du Teil-Paris für Frankreich, Mondaini-Nom für Italien, Zacher-Berlin und
Schreiber-Bremen für Deutschland. Aus allen Berichten ging hervor, daß fast
sämtliche Kolonialstaaten seit 1912 sich bemüht haben, in gesonderten Vorgehen
der Alkoholifterung der Eingeborenen entgegenzuarbeiten. Die in Anwendung
gekommenen Mittel waren die üblichen: Zollerhöhungen, Besteuerung der Eigen¬
erzeugung, Verabfolgungsverbote u. tgi. Es soll durchaus nicht geleugnet
werden, daß diese Maßnahmen erwünscht und erfreulich sind. Auch das Vor¬
gehen Frankreichs in dieser Richtung, das in seinen westafrikanischen Besitzungen
vom 1. Januar 1914 ab einen Eingangszoll von 300 Franken pro Hektoliter —
weit mehr als in Brüssel vorgeschlagen — erheben will, ist mit Befriedigung
zu registrieren, sofern nicht etwa durch Ausnahmen zugunsten des französischen
Alkohols die Wirkung des Gesetzes auf eine Monopolisierung des eigenerzeugten
und Ausschaltung des fremden Alkohols hinausläuft. Immerhin wird man
sich fragen müssen, ob dies getrennte Vorgehen der einzelnen Mächte den


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[0275] Die XIV. internationale Revue der Alkoholgegner in Mailand Vorgehen aller Kolonialstaaten gelöst werden. Das ist vor Jahrzehnten bereits erkannt und durch Abschluß der sogenannten Brüsseler Generalakte von 1890 dokumentiert worden. Sie setzte Mindestzölle für Branntwein fest, Sperrgebiete, in denen die Branntweinverabfolgung an Eingeborene untersagt wurde und gab den Signatarmächten die Befugnis, über diese Mindestforderungen selb¬ ständig hinauszugehen. Zwei weitere Konferenzen, 1899 und 1906, erhöhten die Mindestzölle wesentlich, — der erhoffte Erfolg blieb indessen aus. Das führte, hauptsächlich auf Betreiben Deutschlands und Englands, zu einer aber¬ maligen Berufung der Brüsseler Konferenz im Februar 1912, der ein von beiden Mächten gemeinsam verfaßter Entwurf vorlag, nach welchem die Zölle abermals stark erhöht und die Verbotszonen durch alle Kolonien hindurch genau festgelegt werden sollten. Leider ging diese Konferenz völlig ergebnislos aus¬ einander. Über die Gründe ihres Scheiterns herrscht einige Unklarheit; eine offizielle Erklärung der deutschen Regierung auf eine Anfrage im Reichstag l25. April 1913) erklärte die ablehnende Haltung Frankreichs, das sich auch aus einen Kompromißvorschlag nicht eingelassen hätte, für die Ursache. Von französischer Seite wird dagegen behauptet, lediglich die mangelnde Geneigtheit der übrigen Mächte, Frankreich den Zeitpunkt der Einführung der verlangten Reformen freizustellen, habe zu der Ergebnislosigkeit der Konferenz geführt. Dagegen wird eingewendet werden müssen, daß die Festlegung eben dieses Zeitpunktes für den Erfolg der vorgeschlagenen Maßnahmen von außerordent¬ licher Bedeutung sein mußte. Die Gründe Frankreichs sür sein Verhalten dürften tiefer liegen, worauf indessen hier nicht eingegangen werden kann. Es genügt hier festzustellen, daß die Einmütigkeit der Kolonialmächte in der Be¬ handlung der afrikanischen Alkoholfrage im Februar 1912 ein empfindliches Loch bekommen hat. Was ist seitdem geschehen? Einen Generalbericht über die Maßnahmen der Kolonialmächte erstattete dem Kongreß Harford-London; er wurde ergänzt durch Referate von Baron du Teil-Paris für Frankreich, Mondaini-Nom für Italien, Zacher-Berlin und Schreiber-Bremen für Deutschland. Aus allen Berichten ging hervor, daß fast sämtliche Kolonialstaaten seit 1912 sich bemüht haben, in gesonderten Vorgehen der Alkoholifterung der Eingeborenen entgegenzuarbeiten. Die in Anwendung gekommenen Mittel waren die üblichen: Zollerhöhungen, Besteuerung der Eigen¬ erzeugung, Verabfolgungsverbote u. tgi. Es soll durchaus nicht geleugnet werden, daß diese Maßnahmen erwünscht und erfreulich sind. Auch das Vor¬ gehen Frankreichs in dieser Richtung, das in seinen westafrikanischen Besitzungen vom 1. Januar 1914 ab einen Eingangszoll von 300 Franken pro Hektoliter — weit mehr als in Brüssel vorgeschlagen — erheben will, ist mit Befriedigung zu registrieren, sofern nicht etwa durch Ausnahmen zugunsten des französischen Alkohols die Wirkung des Gesetzes auf eine Monopolisierung des eigenerzeugten und Ausschaltung des fremden Alkohols hinausläuft. Immerhin wird man sich fragen müssen, ob dies getrennte Vorgehen der einzelnen Mächte den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/275>, abgerufen am 24.05.2024.