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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Reform der inneren Verwaltung

Ihnen gegenüber bedeuten die Landratsämter gewissermaßen die Arme, welche
von den Sitzen der Regierung bis zum Publikum herunterreichen, soweit nicht
jene selber die Anschauung an Ort und Stelle zu gewinnen trachtet.

Dies Verhältnis wesentlich ändern, etwa in der Weise, daß die Ent¬
scheidungsbefugnis der Regierungen zugunsten der Landratsämter in weitgehen¬
dem Maße geschmälert wird, hieße unseres Erachtens, beiden Behörden das
Gute, das sie hatten, nehmen. . . .

In den Rahmen der bisher besprochenen Behörden scheint eine weitere
Behörde kaum mehr hineinzupassen. Und wenn man heute die Aufgabe hätte,
unseren Verwaltungsapparat erst neu zu schaffen, so würde man sich sicher mit
den besprochenen drei Behördenkategorien begnügen. Es kann daher niemand
wundernehmen, daß die Abschaffung der Oberpräsidien, die sich als vierte Be¬
hörden zwischen Ministerien und Regierungen einschicken, oft erwogen und auch
befürwortet worden ist. Mit veralteten Einrichtungen aufzuräumen, soll man
sich nun nicht scheuen. Anderseits erscheint es angemessen, der historischen Ent¬
wicklung mit einer gewissen Achtung zu begegnen. Und in diesem Sinne ist
die Frage auszuwerfen, ob den Oberpräsidien nicht auch noch heute wesentliche,
charakteristische Aufgaben überwiesen werden könnten, deren Lösung von
anderen Behörden in der gleichen befriedigenden Weise nicht zu erwarten
steht und welche deshalb die Beibehaltung dieser obersten Provinzialbehörden
rechtfertigen.

Wir möchten diese Frage bejahen.

Zunächst wäre den Oberpräsidenten die provinzielle Landesverwaltung zu
übertragen. Gleich den Landräten würden sie dann die Eigenschaft eines kom¬
munalen und eines Staatsbeamten in ihrer Person vereinigen. Und damit
wäre diese Vereinigung, wenn wir auf das, was wir hinsichtlich der Stadt¬
verwaltungen an anderer Stelle gesagt haben, bezugnehmen dürfen, für alle
kommunalen Verwaltungen durchgeführt. Wir glauben, daß dies im Interesse
der einheitlichen Gestaltung unseres Verwaltungsapparats nur von günstiger
Wirkung sein kann. Im übrigen dürfte die Durchführung dieses Gedankens
auch für die Provinz kaum von großen Schwierigkeiten begleitet sein.

Eine weitere amtliche Tätigkeit bei den Oberpräsidien könnte nach Beseitigung
des Provinzialrates und der Umgestaltung des Bezirksausschusses erreicht werden.
Beide Behörden treffen Entscheidungen im Beschlußverfahren unter Mitwirkung
von Laien. Dabei befinden sich diese Beschlußbehörden in ziemlich losem Zu¬
sammenhang mit ihren Hauptbehörden. Den Leitern der letzteren ist es kaum
möglich, sich in wesentlicher Weise um die zufassenden Beschlüsse zu kümmern,
wie es wohl in der Theorie gedacht war. Keine Frage aber ist es -- es liegt
dies in der Natur der Sache --, daß solche Beschlußbehörden den Geschäfts¬
gang recht sehr verlangsamen und erschweren. Anderseits ist es nicht einzusehen,
welchen besonderen Nutzen sie haben könnten, wenn man die Regierungen und
Oberpräsidien überhaupt zu kollegialen Behörden umgestaltet, wovon weiter


Reform der inneren Verwaltung

Ihnen gegenüber bedeuten die Landratsämter gewissermaßen die Arme, welche
von den Sitzen der Regierung bis zum Publikum herunterreichen, soweit nicht
jene selber die Anschauung an Ort und Stelle zu gewinnen trachtet.

Dies Verhältnis wesentlich ändern, etwa in der Weise, daß die Ent¬
scheidungsbefugnis der Regierungen zugunsten der Landratsämter in weitgehen¬
dem Maße geschmälert wird, hieße unseres Erachtens, beiden Behörden das
Gute, das sie hatten, nehmen. . . .

In den Rahmen der bisher besprochenen Behörden scheint eine weitere
Behörde kaum mehr hineinzupassen. Und wenn man heute die Aufgabe hätte,
unseren Verwaltungsapparat erst neu zu schaffen, so würde man sich sicher mit
den besprochenen drei Behördenkategorien begnügen. Es kann daher niemand
wundernehmen, daß die Abschaffung der Oberpräsidien, die sich als vierte Be¬
hörden zwischen Ministerien und Regierungen einschicken, oft erwogen und auch
befürwortet worden ist. Mit veralteten Einrichtungen aufzuräumen, soll man
sich nun nicht scheuen. Anderseits erscheint es angemessen, der historischen Ent¬
wicklung mit einer gewissen Achtung zu begegnen. Und in diesem Sinne ist
die Frage auszuwerfen, ob den Oberpräsidien nicht auch noch heute wesentliche,
charakteristische Aufgaben überwiesen werden könnten, deren Lösung von
anderen Behörden in der gleichen befriedigenden Weise nicht zu erwarten
steht und welche deshalb die Beibehaltung dieser obersten Provinzialbehörden
rechtfertigen.

Wir möchten diese Frage bejahen.

Zunächst wäre den Oberpräsidenten die provinzielle Landesverwaltung zu
übertragen. Gleich den Landräten würden sie dann die Eigenschaft eines kom¬
munalen und eines Staatsbeamten in ihrer Person vereinigen. Und damit
wäre diese Vereinigung, wenn wir auf das, was wir hinsichtlich der Stadt¬
verwaltungen an anderer Stelle gesagt haben, bezugnehmen dürfen, für alle
kommunalen Verwaltungen durchgeführt. Wir glauben, daß dies im Interesse
der einheitlichen Gestaltung unseres Verwaltungsapparats nur von günstiger
Wirkung sein kann. Im übrigen dürfte die Durchführung dieses Gedankens
auch für die Provinz kaum von großen Schwierigkeiten begleitet sein.

Eine weitere amtliche Tätigkeit bei den Oberpräsidien könnte nach Beseitigung
des Provinzialrates und der Umgestaltung des Bezirksausschusses erreicht werden.
Beide Behörden treffen Entscheidungen im Beschlußverfahren unter Mitwirkung
von Laien. Dabei befinden sich diese Beschlußbehörden in ziemlich losem Zu¬
sammenhang mit ihren Hauptbehörden. Den Leitern der letzteren ist es kaum
möglich, sich in wesentlicher Weise um die zufassenden Beschlüsse zu kümmern,
wie es wohl in der Theorie gedacht war. Keine Frage aber ist es — es liegt
dies in der Natur der Sache —, daß solche Beschlußbehörden den Geschäfts¬
gang recht sehr verlangsamen und erschweren. Anderseits ist es nicht einzusehen,
welchen besonderen Nutzen sie haben könnten, wenn man die Regierungen und
Oberpräsidien überhaupt zu kollegialen Behörden umgestaltet, wovon weiter


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[0327] Reform der inneren Verwaltung Ihnen gegenüber bedeuten die Landratsämter gewissermaßen die Arme, welche von den Sitzen der Regierung bis zum Publikum herunterreichen, soweit nicht jene selber die Anschauung an Ort und Stelle zu gewinnen trachtet. Dies Verhältnis wesentlich ändern, etwa in der Weise, daß die Ent¬ scheidungsbefugnis der Regierungen zugunsten der Landratsämter in weitgehen¬ dem Maße geschmälert wird, hieße unseres Erachtens, beiden Behörden das Gute, das sie hatten, nehmen. . . . In den Rahmen der bisher besprochenen Behörden scheint eine weitere Behörde kaum mehr hineinzupassen. Und wenn man heute die Aufgabe hätte, unseren Verwaltungsapparat erst neu zu schaffen, so würde man sich sicher mit den besprochenen drei Behördenkategorien begnügen. Es kann daher niemand wundernehmen, daß die Abschaffung der Oberpräsidien, die sich als vierte Be¬ hörden zwischen Ministerien und Regierungen einschicken, oft erwogen und auch befürwortet worden ist. Mit veralteten Einrichtungen aufzuräumen, soll man sich nun nicht scheuen. Anderseits erscheint es angemessen, der historischen Ent¬ wicklung mit einer gewissen Achtung zu begegnen. Und in diesem Sinne ist die Frage auszuwerfen, ob den Oberpräsidien nicht auch noch heute wesentliche, charakteristische Aufgaben überwiesen werden könnten, deren Lösung von anderen Behörden in der gleichen befriedigenden Weise nicht zu erwarten steht und welche deshalb die Beibehaltung dieser obersten Provinzialbehörden rechtfertigen. Wir möchten diese Frage bejahen. Zunächst wäre den Oberpräsidenten die provinzielle Landesverwaltung zu übertragen. Gleich den Landräten würden sie dann die Eigenschaft eines kom¬ munalen und eines Staatsbeamten in ihrer Person vereinigen. Und damit wäre diese Vereinigung, wenn wir auf das, was wir hinsichtlich der Stadt¬ verwaltungen an anderer Stelle gesagt haben, bezugnehmen dürfen, für alle kommunalen Verwaltungen durchgeführt. Wir glauben, daß dies im Interesse der einheitlichen Gestaltung unseres Verwaltungsapparats nur von günstiger Wirkung sein kann. Im übrigen dürfte die Durchführung dieses Gedankens auch für die Provinz kaum von großen Schwierigkeiten begleitet sein. Eine weitere amtliche Tätigkeit bei den Oberpräsidien könnte nach Beseitigung des Provinzialrates und der Umgestaltung des Bezirksausschusses erreicht werden. Beide Behörden treffen Entscheidungen im Beschlußverfahren unter Mitwirkung von Laien. Dabei befinden sich diese Beschlußbehörden in ziemlich losem Zu¬ sammenhang mit ihren Hauptbehörden. Den Leitern der letzteren ist es kaum möglich, sich in wesentlicher Weise um die zufassenden Beschlüsse zu kümmern, wie es wohl in der Theorie gedacht war. Keine Frage aber ist es — es liegt dies in der Natur der Sache —, daß solche Beschlußbehörden den Geschäfts¬ gang recht sehr verlangsamen und erschweren. Anderseits ist es nicht einzusehen, welchen besonderen Nutzen sie haben könnten, wenn man die Regierungen und Oberpräsidien überhaupt zu kollegialen Behörden umgestaltet, wovon weiter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/327>, abgerufen am 26.05.2024.