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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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<Lin romantisches Brautpaar

rades Schwinck zu finden glaubte. Seine tiefe Neigung fand keine Erwiderung.
So konnte er gegen Ende des Königsberger Exils, am 1. September 1307,
der weit entfernten Freundin schreiben: "Meine Haut wird jetzt schon hart, nicht
vom Gnitarrespielen, sondern von den Schlägen des Schicksalshammers; ich
glaube, er will mich nur Härten, mich nicht in die Erde schlagen. Aber hilft
es dem, der die Schläge empfängt, daß ich ihm erzähle, daß es alles zu seinem
Besten? -- Der meint immer, man habe ihn nur zum Besten. Der Himmel
erhalte Sie und erfrische Sie, mein guter Genius, in Ihrem Schutze finde ich
doch allein Ruhe."

Nicht lange dauerte es, da sah Arnim seinen "guten Genius" wieder, und
zwar bei Goethe in Weimar. Nun begann die Zeit, die für beide entscheidend
wurde. Aus der Freundschaft ward Liebe während der Monate, die man in
Weimar, Cassel und Frankfurt gemeinsam verlebte. Nicht leicht waren die
durch Abstammung, Erziehung und Charakterbildung stark voneinander ab¬
weichenden Ansichten der beiden eigenwilligen jungen Menschen zu vereinigen.
Aber in, eifrigen mündlichen und schriftlichen Verkehr klärten sich die Meinungen,
erhellten sich manche Mißverständnisse. Bis im Herbst des Jahres 1808 blieb
Arnim in Heidelberg, wo er die "Zeitung für Einsiedler" herausgab. Dann
reiste er nach Berlin zurück, während Bettine sich ihrem Schwager Savigny
anschloß, der an die Universität Landshut berufen war. Fast zwei Jahre blieb
sie dort und in München. Während dieser Zeit war Arnim durch den Tod
seiner Großmutter in den Besitz eines großen, hauptsächlich in Gütern festgelegten
Vermögens gelangt, in dessen Nutznießung er freilich durch fideikommissarische
Bestimmungen beschränkt war, wodurch aber seine Nachkommen sichergestellt
waren. Auf dem Brentanoschen Familiengute Buckowan in Böhmen sahen sich
die Liebenden im Juni 1810 endlich wieder. Sein Wunsch, sich hier mit
Bettine zu verloben, ging ihm noch nicht in Erfüllung; erst einige Monate
später in Berlin gab sie ihm das Jawort. Heimlich ließ sich das Brautpaar
von einem achtzigjähriger Pfarrer am 11. März 1811 trauen, ohne seinen Ver¬
wandten Mitteilung zu machen, die einige Tage nachher von der Tatsache
Kenntnis erhielten und nun natürlich nicht daran glauben wollten. Der so
romantisch geschlossene Ehebund gestaltete sich sehr glücklich und reich gesegnet.




<Lin romantisches Brautpaar

rades Schwinck zu finden glaubte. Seine tiefe Neigung fand keine Erwiderung.
So konnte er gegen Ende des Königsberger Exils, am 1. September 1307,
der weit entfernten Freundin schreiben: „Meine Haut wird jetzt schon hart, nicht
vom Gnitarrespielen, sondern von den Schlägen des Schicksalshammers; ich
glaube, er will mich nur Härten, mich nicht in die Erde schlagen. Aber hilft
es dem, der die Schläge empfängt, daß ich ihm erzähle, daß es alles zu seinem
Besten? — Der meint immer, man habe ihn nur zum Besten. Der Himmel
erhalte Sie und erfrische Sie, mein guter Genius, in Ihrem Schutze finde ich
doch allein Ruhe."

Nicht lange dauerte es, da sah Arnim seinen „guten Genius" wieder, und
zwar bei Goethe in Weimar. Nun begann die Zeit, die für beide entscheidend
wurde. Aus der Freundschaft ward Liebe während der Monate, die man in
Weimar, Cassel und Frankfurt gemeinsam verlebte. Nicht leicht waren die
durch Abstammung, Erziehung und Charakterbildung stark voneinander ab¬
weichenden Ansichten der beiden eigenwilligen jungen Menschen zu vereinigen.
Aber in, eifrigen mündlichen und schriftlichen Verkehr klärten sich die Meinungen,
erhellten sich manche Mißverständnisse. Bis im Herbst des Jahres 1808 blieb
Arnim in Heidelberg, wo er die „Zeitung für Einsiedler" herausgab. Dann
reiste er nach Berlin zurück, während Bettine sich ihrem Schwager Savigny
anschloß, der an die Universität Landshut berufen war. Fast zwei Jahre blieb
sie dort und in München. Während dieser Zeit war Arnim durch den Tod
seiner Großmutter in den Besitz eines großen, hauptsächlich in Gütern festgelegten
Vermögens gelangt, in dessen Nutznießung er freilich durch fideikommissarische
Bestimmungen beschränkt war, wodurch aber seine Nachkommen sichergestellt
waren. Auf dem Brentanoschen Familiengute Buckowan in Böhmen sahen sich
die Liebenden im Juni 1810 endlich wieder. Sein Wunsch, sich hier mit
Bettine zu verloben, ging ihm noch nicht in Erfüllung; erst einige Monate
später in Berlin gab sie ihm das Jawort. Heimlich ließ sich das Brautpaar
von einem achtzigjähriger Pfarrer am 11. März 1811 trauen, ohne seinen Ver¬
wandten Mitteilung zu machen, die einige Tage nachher von der Tatsache
Kenntnis erhielten und nun natürlich nicht daran glauben wollten. Der so
romantisch geschlossene Ehebund gestaltete sich sehr glücklich und reich gesegnet.




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[0433] <Lin romantisches Brautpaar rades Schwinck zu finden glaubte. Seine tiefe Neigung fand keine Erwiderung. So konnte er gegen Ende des Königsberger Exils, am 1. September 1307, der weit entfernten Freundin schreiben: „Meine Haut wird jetzt schon hart, nicht vom Gnitarrespielen, sondern von den Schlägen des Schicksalshammers; ich glaube, er will mich nur Härten, mich nicht in die Erde schlagen. Aber hilft es dem, der die Schläge empfängt, daß ich ihm erzähle, daß es alles zu seinem Besten? — Der meint immer, man habe ihn nur zum Besten. Der Himmel erhalte Sie und erfrische Sie, mein guter Genius, in Ihrem Schutze finde ich doch allein Ruhe." Nicht lange dauerte es, da sah Arnim seinen „guten Genius" wieder, und zwar bei Goethe in Weimar. Nun begann die Zeit, die für beide entscheidend wurde. Aus der Freundschaft ward Liebe während der Monate, die man in Weimar, Cassel und Frankfurt gemeinsam verlebte. Nicht leicht waren die durch Abstammung, Erziehung und Charakterbildung stark voneinander ab¬ weichenden Ansichten der beiden eigenwilligen jungen Menschen zu vereinigen. Aber in, eifrigen mündlichen und schriftlichen Verkehr klärten sich die Meinungen, erhellten sich manche Mißverständnisse. Bis im Herbst des Jahres 1808 blieb Arnim in Heidelberg, wo er die „Zeitung für Einsiedler" herausgab. Dann reiste er nach Berlin zurück, während Bettine sich ihrem Schwager Savigny anschloß, der an die Universität Landshut berufen war. Fast zwei Jahre blieb sie dort und in München. Während dieser Zeit war Arnim durch den Tod seiner Großmutter in den Besitz eines großen, hauptsächlich in Gütern festgelegten Vermögens gelangt, in dessen Nutznießung er freilich durch fideikommissarische Bestimmungen beschränkt war, wodurch aber seine Nachkommen sichergestellt waren. Auf dem Brentanoschen Familiengute Buckowan in Böhmen sahen sich die Liebenden im Juni 1810 endlich wieder. Sein Wunsch, sich hier mit Bettine zu verloben, ging ihm noch nicht in Erfüllung; erst einige Monate später in Berlin gab sie ihm das Jawort. Heimlich ließ sich das Brautpaar von einem achtzigjähriger Pfarrer am 11. März 1811 trauen, ohne seinen Ver¬ wandten Mitteilung zu machen, die einige Tage nachher von der Tatsache Kenntnis erhielten und nun natürlich nicht daran glauben wollten. Der so romantisch geschlossene Ehebund gestaltete sich sehr glücklich und reich gesegnet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/433>, abgerufen am 12.05.2024.