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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Arbeiterfrage in Fidschi

ein deutlicher Niedergang der Rassen in beiden Kolonien zu bemerken. So
betrug z. B. in Fidschi die eingeborene Bevölkerung nach dem Zensus von

1881 .... 111924
1891 .... 105300
1901 .... 94397
1911 .... 87229

Dieser Niedergang der Fidschianer wurde nach einer zur Erforschung dieser
bedauerlichen Tatsache eingesetzten Kommission im Jahre 1893 damit erklärt,
daß die Eingeborenen ihre Kinder vernachlässigen, sich sanitären Maßregeln
gegenüber ablehnend verhalten, keine Vorrichtungen gegen die Verbreitung von
ansteckenden Krankheiten treffen wollen und schließlich, daß die eingeborenen
Frauen die Neigung haben, den Kindersegen einzuschränken. Abtreibungen sind
daher in Fidschi allüblich. In Fidschi wie in Samoa hat man es durch zweck¬
entsprechende Maßregeln erreicht, daß der Rückgang in der Bevölkerungszahl
seit einem Jahre aufhört; eine merkbare Zunahme ist jedoch nicht zu erwarten
und sollte einmal eine den Eingeborenen schädliche Epidemie ausbrechen, so
wird die Bevölkerungszahl noch bedeutend weiter zusammenschrumpfen. Heute
herrschen die schwarzen Pocken in Sydney wie in Auckland, in Australien wie
in Neuseeland. Die direkte Dampferlinie geht über Fidschi und Samoa: wer
garantiert, daß trotz sorgfältiger Ouarantänemaßregeln die Pocken und Masern
nach diesen tropischen Kolonien von dort aus nicht eingeschleppt werden können?

Die Europäer in Fidschi kommen als Plantagenarbeiter nicht in Betracht.
Ihre Zahl (3734 im Jahre 1911 bei einer Gesamtbevölkerung von 142761)
ist zu gering; das Klima selbst verbietet dem Weißen, körperliche Arbeit im
Freien zu verrichten.

Und die Fidschianer selbst? Der Gesamtflächeninhalt der Fidschigruppe
mit etwa achtzig bewohnten Inseln beläuft sich auf 7435 englische Ouadrat-
meilen, ist also etwa so groß wie das Königreich Württemberg. Das Land ist daher
sehr dünn bevölkert. Dann machen es die ungeheuere Fruchtbarkeit des Landes,
sowie der Kommunismus, der das Leben der Fidschianer beherrscht, für sie über¬
flüssig, auf den Plantagen nach Arbeit zu suchen. Drittens gehört das Land
nach dem Annektionsvertrage mit der britischen Regierung von 1874 den
Fidschianern. Ihre Dorf- bzw. Familiengemeinschaften erhalten das Pachtgeld
für das zu Plantagenzwecken erworbene Land der Europäer. Die Eingeborenen
sehen sich daher wirklich nicht veranlaßt, intensiv zu arbeiten, um ihren Lebens¬
unterhalt zu verdienen. Tun sie es dennoch in Ausnahmefällen, dann wünschen
sie irgendein Luxusbedürfnis zu befriedigen; manchmal arbeiten sie aus Laune.
In jedem Falle aber wacht die britische Regierung in einer Art Humanitäts-
duselei eifersüchtig darüber, daß dem Fidschianer nicht zu viel zugemutet wird.
Ich werde darüber noch besonders berichten.

Kommen die Fidschianer somit für die Beschaffung regulärer Arbeitskräfte
für die Fidschiplantagen nicht in Betracht, so nimmt es nicht wunder, daß


Die Arbeiterfrage in Fidschi

ein deutlicher Niedergang der Rassen in beiden Kolonien zu bemerken. So
betrug z. B. in Fidschi die eingeborene Bevölkerung nach dem Zensus von

1881 .... 111924
1891 .... 105300
1901 .... 94397
1911 .... 87229

Dieser Niedergang der Fidschianer wurde nach einer zur Erforschung dieser
bedauerlichen Tatsache eingesetzten Kommission im Jahre 1893 damit erklärt,
daß die Eingeborenen ihre Kinder vernachlässigen, sich sanitären Maßregeln
gegenüber ablehnend verhalten, keine Vorrichtungen gegen die Verbreitung von
ansteckenden Krankheiten treffen wollen und schließlich, daß die eingeborenen
Frauen die Neigung haben, den Kindersegen einzuschränken. Abtreibungen sind
daher in Fidschi allüblich. In Fidschi wie in Samoa hat man es durch zweck¬
entsprechende Maßregeln erreicht, daß der Rückgang in der Bevölkerungszahl
seit einem Jahre aufhört; eine merkbare Zunahme ist jedoch nicht zu erwarten
und sollte einmal eine den Eingeborenen schädliche Epidemie ausbrechen, so
wird die Bevölkerungszahl noch bedeutend weiter zusammenschrumpfen. Heute
herrschen die schwarzen Pocken in Sydney wie in Auckland, in Australien wie
in Neuseeland. Die direkte Dampferlinie geht über Fidschi und Samoa: wer
garantiert, daß trotz sorgfältiger Ouarantänemaßregeln die Pocken und Masern
nach diesen tropischen Kolonien von dort aus nicht eingeschleppt werden können?

Die Europäer in Fidschi kommen als Plantagenarbeiter nicht in Betracht.
Ihre Zahl (3734 im Jahre 1911 bei einer Gesamtbevölkerung von 142761)
ist zu gering; das Klima selbst verbietet dem Weißen, körperliche Arbeit im
Freien zu verrichten.

Und die Fidschianer selbst? Der Gesamtflächeninhalt der Fidschigruppe
mit etwa achtzig bewohnten Inseln beläuft sich auf 7435 englische Ouadrat-
meilen, ist also etwa so groß wie das Königreich Württemberg. Das Land ist daher
sehr dünn bevölkert. Dann machen es die ungeheuere Fruchtbarkeit des Landes,
sowie der Kommunismus, der das Leben der Fidschianer beherrscht, für sie über¬
flüssig, auf den Plantagen nach Arbeit zu suchen. Drittens gehört das Land
nach dem Annektionsvertrage mit der britischen Regierung von 1874 den
Fidschianern. Ihre Dorf- bzw. Familiengemeinschaften erhalten das Pachtgeld
für das zu Plantagenzwecken erworbene Land der Europäer. Die Eingeborenen
sehen sich daher wirklich nicht veranlaßt, intensiv zu arbeiten, um ihren Lebens¬
unterhalt zu verdienen. Tun sie es dennoch in Ausnahmefällen, dann wünschen
sie irgendein Luxusbedürfnis zu befriedigen; manchmal arbeiten sie aus Laune.
In jedem Falle aber wacht die britische Regierung in einer Art Humanitäts-
duselei eifersüchtig darüber, daß dem Fidschianer nicht zu viel zugemutet wird.
Ich werde darüber noch besonders berichten.

Kommen die Fidschianer somit für die Beschaffung regulärer Arbeitskräfte
für die Fidschiplantagen nicht in Betracht, so nimmt es nicht wunder, daß


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[0459] Die Arbeiterfrage in Fidschi ein deutlicher Niedergang der Rassen in beiden Kolonien zu bemerken. So betrug z. B. in Fidschi die eingeborene Bevölkerung nach dem Zensus von 1881 .... 111924 1891 .... 105300 1901 .... 94397 1911 .... 87229 Dieser Niedergang der Fidschianer wurde nach einer zur Erforschung dieser bedauerlichen Tatsache eingesetzten Kommission im Jahre 1893 damit erklärt, daß die Eingeborenen ihre Kinder vernachlässigen, sich sanitären Maßregeln gegenüber ablehnend verhalten, keine Vorrichtungen gegen die Verbreitung von ansteckenden Krankheiten treffen wollen und schließlich, daß die eingeborenen Frauen die Neigung haben, den Kindersegen einzuschränken. Abtreibungen sind daher in Fidschi allüblich. In Fidschi wie in Samoa hat man es durch zweck¬ entsprechende Maßregeln erreicht, daß der Rückgang in der Bevölkerungszahl seit einem Jahre aufhört; eine merkbare Zunahme ist jedoch nicht zu erwarten und sollte einmal eine den Eingeborenen schädliche Epidemie ausbrechen, so wird die Bevölkerungszahl noch bedeutend weiter zusammenschrumpfen. Heute herrschen die schwarzen Pocken in Sydney wie in Auckland, in Australien wie in Neuseeland. Die direkte Dampferlinie geht über Fidschi und Samoa: wer garantiert, daß trotz sorgfältiger Ouarantänemaßregeln die Pocken und Masern nach diesen tropischen Kolonien von dort aus nicht eingeschleppt werden können? Die Europäer in Fidschi kommen als Plantagenarbeiter nicht in Betracht. Ihre Zahl (3734 im Jahre 1911 bei einer Gesamtbevölkerung von 142761) ist zu gering; das Klima selbst verbietet dem Weißen, körperliche Arbeit im Freien zu verrichten. Und die Fidschianer selbst? Der Gesamtflächeninhalt der Fidschigruppe mit etwa achtzig bewohnten Inseln beläuft sich auf 7435 englische Ouadrat- meilen, ist also etwa so groß wie das Königreich Württemberg. Das Land ist daher sehr dünn bevölkert. Dann machen es die ungeheuere Fruchtbarkeit des Landes, sowie der Kommunismus, der das Leben der Fidschianer beherrscht, für sie über¬ flüssig, auf den Plantagen nach Arbeit zu suchen. Drittens gehört das Land nach dem Annektionsvertrage mit der britischen Regierung von 1874 den Fidschianern. Ihre Dorf- bzw. Familiengemeinschaften erhalten das Pachtgeld für das zu Plantagenzwecken erworbene Land der Europäer. Die Eingeborenen sehen sich daher wirklich nicht veranlaßt, intensiv zu arbeiten, um ihren Lebens¬ unterhalt zu verdienen. Tun sie es dennoch in Ausnahmefällen, dann wünschen sie irgendein Luxusbedürfnis zu befriedigen; manchmal arbeiten sie aus Laune. In jedem Falle aber wacht die britische Regierung in einer Art Humanitäts- duselei eifersüchtig darüber, daß dem Fidschianer nicht zu viel zugemutet wird. Ich werde darüber noch besonders berichten. Kommen die Fidschianer somit für die Beschaffung regulärer Arbeitskräfte für die Fidschiplantagen nicht in Betracht, so nimmt es nicht wunder, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/459>, abgerufen am 13.05.2024.