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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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?le Arbeiterfrage in Fidschi

man schon seit dem Beginn der ersten Erschließung der Südsee sich nach
willigeren Arbeitern umgesehen hatte. Bis vor etwa vier Jahrzehnten blühte
in der Südsee das sogenannte Rekrutierungsgeschäft. Kapitäne von Segel-
schunern von 70 bis 100 Tonnen und noch weniger Rauminhalt warben in
Neuguinea, auf dem Bismarckarchipel, auf den Salomoninseln und auf den
Neuen Hebriden Arbeiter an. Mag es auch wirklich ehrliche Anwerber gegeben
haben -- im allgemeinen geschah das Rekrutierungsgeschäft jedoch unter so
abnormen Bedingungen, daß sie heute undenkbar sind. Es werden Fälle verbürgt,
wo Dörfer auf das Schiff zu irgendeiner Tanz- oder Kirchenfeier ein¬
geladen wurden. Man ließ die Leute in dem Laderaume feiern -- schloß die
Luke, und dann segelte man davon. Erst auf dem offenen Meere sahen sich
die armen Menschen bewaffneten "KsLruitel-8" gegenüber, die per Kopf
so und soviel in Fidschi oder Samoa erhielten. Als man noch für die Zucker¬
rohrplantagen in Queensland solche farbige Kanakers einführen durfte, blühte
dieser Handel mit Arbeitskräften in der Südsee ganz besonders. Immer wird
es aber nicht so schlimm hergegangen sein. Ein sehr großes Verdienst um die
Hebung des Anwerbungsgeschäftes in der Südsee hat das früher dort mächtige
Haus I. C. Goddefroy u. Sohn auf Samoa gehabt, dessen Nachfolger in
Neuguinea und in den Salomoninseln heute noch anwerben dürfen.

Für die Anwerbung von farbigen Arbeitern aus der Südsee kam für
Fidschi nur das Protektorat der britischen Salomoninseln in Frage. Man
rekrutierte noch in den Jahren

1906/7 in den Salomoninseln 105 Leute für Fidschi,
1907/8 " " " 218 .. " "
(149 für Samoa)
1908/9 " " " 239 Leute für Fidschi;

es kehrten nach den Salomoninseln nach Ablauf des Arbeitskontraktes zurück:

190S/6 1906/7 1907/8 1908/9 Zusammen
aus Fidschi ... 107 7 61 77 262
" Queensland . 1034 2056 306 43 3438

Ein großer Prozentsatz der angeworbenen Arbeiter aus den Salomoninseln
bleibt aber in Fidschi; nach der letzten Bevölkerungsaufnahme Ende 1911
zählte man 2991 Salomon- und Hebrideninsulaner in Fidschi, die als
Polvnesier aufgeführt werden. (Da Queensland jetzt keine farbigen Arbeiter
mehr beschäftigen darf, erklärt sich obige Rückwanderungsstatistik von selbst.)
Ende 1910 hat aber die Verwaltung des Protektorates der Salomon¬
inseln eingesehen, daß man die Eingeborenen lieber selbst in der Kolonie be¬
halten soll, denn die Anlagen der Kopraplantagen sind nach dem erstaunlich
schnellen Anwachsen des Preises für Kopra (getrocknete Kokosnuß) so bedeutend
vergrößert worden, daß auch für die Salomoninseln eine "Arbeiterfrage" drohte.
Die Regierung des britischen "West-Pazifik-Protektorates" hat deshalb das
Anwerben von Eingeborenen auf den Salomoninseln und den Neuen Hebriden,
wie in allen anderen unter ihre Verwaltung kommenden Inselgebieten für in


?le Arbeiterfrage in Fidschi

man schon seit dem Beginn der ersten Erschließung der Südsee sich nach
willigeren Arbeitern umgesehen hatte. Bis vor etwa vier Jahrzehnten blühte
in der Südsee das sogenannte Rekrutierungsgeschäft. Kapitäne von Segel-
schunern von 70 bis 100 Tonnen und noch weniger Rauminhalt warben in
Neuguinea, auf dem Bismarckarchipel, auf den Salomoninseln und auf den
Neuen Hebriden Arbeiter an. Mag es auch wirklich ehrliche Anwerber gegeben
haben — im allgemeinen geschah das Rekrutierungsgeschäft jedoch unter so
abnormen Bedingungen, daß sie heute undenkbar sind. Es werden Fälle verbürgt,
wo Dörfer auf das Schiff zu irgendeiner Tanz- oder Kirchenfeier ein¬
geladen wurden. Man ließ die Leute in dem Laderaume feiern — schloß die
Luke, und dann segelte man davon. Erst auf dem offenen Meere sahen sich
die armen Menschen bewaffneten „KsLruitel-8" gegenüber, die per Kopf
so und soviel in Fidschi oder Samoa erhielten. Als man noch für die Zucker¬
rohrplantagen in Queensland solche farbige Kanakers einführen durfte, blühte
dieser Handel mit Arbeitskräften in der Südsee ganz besonders. Immer wird
es aber nicht so schlimm hergegangen sein. Ein sehr großes Verdienst um die
Hebung des Anwerbungsgeschäftes in der Südsee hat das früher dort mächtige
Haus I. C. Goddefroy u. Sohn auf Samoa gehabt, dessen Nachfolger in
Neuguinea und in den Salomoninseln heute noch anwerben dürfen.

Für die Anwerbung von farbigen Arbeitern aus der Südsee kam für
Fidschi nur das Protektorat der britischen Salomoninseln in Frage. Man
rekrutierte noch in den Jahren

1906/7 in den Salomoninseln 105 Leute für Fidschi,
1907/8 „ „ „ 218 .. „ „
(149 für Samoa)
1908/9 „ „ „ 239 Leute für Fidschi;

es kehrten nach den Salomoninseln nach Ablauf des Arbeitskontraktes zurück:

190S/6 1906/7 1907/8 1908/9 Zusammen
aus Fidschi ... 107 7 61 77 262
„ Queensland . 1034 2056 306 43 3438

Ein großer Prozentsatz der angeworbenen Arbeiter aus den Salomoninseln
bleibt aber in Fidschi; nach der letzten Bevölkerungsaufnahme Ende 1911
zählte man 2991 Salomon- und Hebrideninsulaner in Fidschi, die als
Polvnesier aufgeführt werden. (Da Queensland jetzt keine farbigen Arbeiter
mehr beschäftigen darf, erklärt sich obige Rückwanderungsstatistik von selbst.)
Ende 1910 hat aber die Verwaltung des Protektorates der Salomon¬
inseln eingesehen, daß man die Eingeborenen lieber selbst in der Kolonie be¬
halten soll, denn die Anlagen der Kopraplantagen sind nach dem erstaunlich
schnellen Anwachsen des Preises für Kopra (getrocknete Kokosnuß) so bedeutend
vergrößert worden, daß auch für die Salomoninseln eine „Arbeiterfrage" drohte.
Die Regierung des britischen „West-Pazifik-Protektorates" hat deshalb das
Anwerben von Eingeborenen auf den Salomoninseln und den Neuen Hebriden,
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[0460] ?le Arbeiterfrage in Fidschi man schon seit dem Beginn der ersten Erschließung der Südsee sich nach willigeren Arbeitern umgesehen hatte. Bis vor etwa vier Jahrzehnten blühte in der Südsee das sogenannte Rekrutierungsgeschäft. Kapitäne von Segel- schunern von 70 bis 100 Tonnen und noch weniger Rauminhalt warben in Neuguinea, auf dem Bismarckarchipel, auf den Salomoninseln und auf den Neuen Hebriden Arbeiter an. Mag es auch wirklich ehrliche Anwerber gegeben haben — im allgemeinen geschah das Rekrutierungsgeschäft jedoch unter so abnormen Bedingungen, daß sie heute undenkbar sind. Es werden Fälle verbürgt, wo Dörfer auf das Schiff zu irgendeiner Tanz- oder Kirchenfeier ein¬ geladen wurden. Man ließ die Leute in dem Laderaume feiern — schloß die Luke, und dann segelte man davon. Erst auf dem offenen Meere sahen sich die armen Menschen bewaffneten „KsLruitel-8" gegenüber, die per Kopf so und soviel in Fidschi oder Samoa erhielten. Als man noch für die Zucker¬ rohrplantagen in Queensland solche farbige Kanakers einführen durfte, blühte dieser Handel mit Arbeitskräften in der Südsee ganz besonders. Immer wird es aber nicht so schlimm hergegangen sein. Ein sehr großes Verdienst um die Hebung des Anwerbungsgeschäftes in der Südsee hat das früher dort mächtige Haus I. C. Goddefroy u. Sohn auf Samoa gehabt, dessen Nachfolger in Neuguinea und in den Salomoninseln heute noch anwerben dürfen. Für die Anwerbung von farbigen Arbeitern aus der Südsee kam für Fidschi nur das Protektorat der britischen Salomoninseln in Frage. Man rekrutierte noch in den Jahren 1906/7 in den Salomoninseln 105 Leute für Fidschi, 1907/8 „ „ „ 218 .. „ „ (149 für Samoa) 1908/9 „ „ „ 239 Leute für Fidschi; es kehrten nach den Salomoninseln nach Ablauf des Arbeitskontraktes zurück: 190S/6 1906/7 1907/8 1908/9 Zusammen aus Fidschi ... 107 7 61 77 262 „ Queensland . 1034 2056 306 43 3438 Ein großer Prozentsatz der angeworbenen Arbeiter aus den Salomoninseln bleibt aber in Fidschi; nach der letzten Bevölkerungsaufnahme Ende 1911 zählte man 2991 Salomon- und Hebrideninsulaner in Fidschi, die als Polvnesier aufgeführt werden. (Da Queensland jetzt keine farbigen Arbeiter mehr beschäftigen darf, erklärt sich obige Rückwanderungsstatistik von selbst.) Ende 1910 hat aber die Verwaltung des Protektorates der Salomon¬ inseln eingesehen, daß man die Eingeborenen lieber selbst in der Kolonie be¬ halten soll, denn die Anlagen der Kopraplantagen sind nach dem erstaunlich schnellen Anwachsen des Preises für Kopra (getrocknete Kokosnuß) so bedeutend vergrößert worden, daß auch für die Salomoninseln eine „Arbeiterfrage" drohte. Die Regierung des britischen „West-Pazifik-Protektorates" hat deshalb das Anwerben von Eingeborenen auf den Salomoninseln und den Neuen Hebriden, wie in allen anderen unter ihre Verwaltung kommenden Inselgebieten für in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/460>, abgerufen am 23.05.2024.