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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Reform der inneren Verwaltung

mäßig großen Kreises verschiedenartiger Beamtenstellungen vorzunehmen. Ist
dies nicht der Fall, gelten gewisse Kategorien von Beamten von vornherein
grundsätzlich als minderwertig, oder verbieten höhere Rang- und Gehaltsstufen
in allzu weitgehendem Maße einen Austausch, so wird die Personalverwaltung
stets mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben und notgedrungen nach hergebrachten
Schematas arbeiten, die eine individuelle Prüfung ausschließen. Man wird sich
naturgemäß scheuen, einen Beamten, der sich für ein bestimmtes Amt als
ungeeignet herausgestellt hat, in ein anderes Amt zu versetzen, das nach all¬
gemeiner Anschauung einen geringeren Wert hat, es sei denn, daß besondere
Gründe hierfür vorliegen. Daß aber erst solche Gründe, die gewissermaßen
eine Strafversetzung rechtfertigen, abgewartet werden müssen, ist für alle Be¬
teiligten ein großer Übelstand. Noch mehr scheint dies bei solchen sich als
ungeeignet herausstellenden Beamten der Fall zu sein, die in eine höhere Rang¬
oder Gehaltsstufe geraten sind und hier bleiben müssen, weil ähnliche Beamten¬
stellen überhaupt nicht vorhanden sind. Änderungen sind dann nur möglich,
wenn man die betreffenden Beamten noch weiter befördert, was sicher nicht im
Interesse einer zweckdienlichen Personalverwaltung liegen kann.

Dabei bedingt es die Einteilung der Beamten in grundsätzlich verschieden
bewertete Kategorien, daß diejenigen, welche nach den einmal bestehenden Prin¬
zipien für die Beförderung nicht in Frage kommen, frühzeitig sozusagen zu den
Toten gelegt werden. Es besteht kein Interesse mehr, ihre Eigenschaften zu
prüfen und zu beobachten eben wegen der Zugehörigkeit zu jener Kategorie,
und für derartige Beamte selbst kann aus demselben Grunde auch kein über¬
großes Interesse vorhanden sein, sich im Dienst hervorzutun, selbst wenn
Ehrgeiz und Befähigung reichlich vorhanden sind. Anderseits werden die Aus¬
erwählten, welche einem zur Beförderung geeigneten Beamtenkreis angehören,
sich in sicherem Besitz fühlen und daher einen scharfen Gegensatz zu den Minder¬
beglückten bilden, bei alledem aber doch nur eine kleine Schar darstellen, welche
der Prüfung unterzogen wird. Muß eine derartige Einschränkung hinsichtlich
der unteren Beamtenklafsen stets als ein ungünstiges Moment angesehen werden,
so ist dies noch mehr der Fall, wenn man berücksichtigt, daß das prüfende
Auge stets nur denselben Beamtenkreis vor sich sieht und daher geradezu ge¬
zwungen wird, einseitig von Voraussetzungen auszugehen, die in Wirklichkeit
nicht im mindesten vorhanden zu sein brauchen.

Im übrigen muß man sich vergegenwärtigen, daß für den Verwaltungs¬
beamten einerseits Begabung, anderseits Erfahrung erforderlich ist.

Erstere kann nur durch Auswahl gefunden werden, letztere ist eine Folge
der Erziehung und Ausbildung.

Um die Begabung zu erkennen, gibt es zwei Wege. Entweder werden
die Beamten aus anderen Berufen genommen -- und hier kommt natürlich
in erster Linie der Justizdienst in Frage --, oder die Beamten werden im
Verwaltungsdienst selbst erprobt.


Reform der inneren Verwaltung

mäßig großen Kreises verschiedenartiger Beamtenstellungen vorzunehmen. Ist
dies nicht der Fall, gelten gewisse Kategorien von Beamten von vornherein
grundsätzlich als minderwertig, oder verbieten höhere Rang- und Gehaltsstufen
in allzu weitgehendem Maße einen Austausch, so wird die Personalverwaltung
stets mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben und notgedrungen nach hergebrachten
Schematas arbeiten, die eine individuelle Prüfung ausschließen. Man wird sich
naturgemäß scheuen, einen Beamten, der sich für ein bestimmtes Amt als
ungeeignet herausgestellt hat, in ein anderes Amt zu versetzen, das nach all¬
gemeiner Anschauung einen geringeren Wert hat, es sei denn, daß besondere
Gründe hierfür vorliegen. Daß aber erst solche Gründe, die gewissermaßen
eine Strafversetzung rechtfertigen, abgewartet werden müssen, ist für alle Be¬
teiligten ein großer Übelstand. Noch mehr scheint dies bei solchen sich als
ungeeignet herausstellenden Beamten der Fall zu sein, die in eine höhere Rang¬
oder Gehaltsstufe geraten sind und hier bleiben müssen, weil ähnliche Beamten¬
stellen überhaupt nicht vorhanden sind. Änderungen sind dann nur möglich,
wenn man die betreffenden Beamten noch weiter befördert, was sicher nicht im
Interesse einer zweckdienlichen Personalverwaltung liegen kann.

Dabei bedingt es die Einteilung der Beamten in grundsätzlich verschieden
bewertete Kategorien, daß diejenigen, welche nach den einmal bestehenden Prin¬
zipien für die Beförderung nicht in Frage kommen, frühzeitig sozusagen zu den
Toten gelegt werden. Es besteht kein Interesse mehr, ihre Eigenschaften zu
prüfen und zu beobachten eben wegen der Zugehörigkeit zu jener Kategorie,
und für derartige Beamte selbst kann aus demselben Grunde auch kein über¬
großes Interesse vorhanden sein, sich im Dienst hervorzutun, selbst wenn
Ehrgeiz und Befähigung reichlich vorhanden sind. Anderseits werden die Aus¬
erwählten, welche einem zur Beförderung geeigneten Beamtenkreis angehören,
sich in sicherem Besitz fühlen und daher einen scharfen Gegensatz zu den Minder¬
beglückten bilden, bei alledem aber doch nur eine kleine Schar darstellen, welche
der Prüfung unterzogen wird. Muß eine derartige Einschränkung hinsichtlich
der unteren Beamtenklafsen stets als ein ungünstiges Moment angesehen werden,
so ist dies noch mehr der Fall, wenn man berücksichtigt, daß das prüfende
Auge stets nur denselben Beamtenkreis vor sich sieht und daher geradezu ge¬
zwungen wird, einseitig von Voraussetzungen auszugehen, die in Wirklichkeit
nicht im mindesten vorhanden zu sein brauchen.

Im übrigen muß man sich vergegenwärtigen, daß für den Verwaltungs¬
beamten einerseits Begabung, anderseits Erfahrung erforderlich ist.

Erstere kann nur durch Auswahl gefunden werden, letztere ist eine Folge
der Erziehung und Ausbildung.

Um die Begabung zu erkennen, gibt es zwei Wege. Entweder werden
die Beamten aus anderen Berufen genommen — und hier kommt natürlich
in erster Linie der Justizdienst in Frage —, oder die Beamten werden im
Verwaltungsdienst selbst erprobt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/506>, abgerufen am 28.05.2024.