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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Augustus

wenn ich nur erst wieder arbeiten und etwas verdienen kann. Aber jetzt habe
ich eine andere Sorge. Der Bub muß getauft werden und soll Augustus heißen,
wie sein Vater geheißen hat; aber ich kenne niemand und weiß keinen Paten
für ihn."

"Ja, das habe ich auch gedacht," sagte der Nachbar, und strich an seinem
grauen Bart herunter. "Es wäre schon gut, wenn er einen guten und reichen
Paten bekäme, der für ihn sorgen kann, wenn es Euch einmal schlecht gehen
sollte. Aber ich bin auch nur ein alter einsamer Mann und habe wenig Freunde,
darum kann ich Euch niemand raten, wenn Ihr nicht etwa mich selber zum
Paten nehmen wollet."

Darüber war die arme Mutter froh, und dankte dem kleinen Mann und
nahm ihn zum Paten. Am nächsten Sonntag trugen sie den Kleinen in die
Kirche und ließen ihn taufen, und dabei erschien auch die alte Frau wieder
und schenkte ihm einen Taler, und als die Mutter das nicht annehmen wollte,
da sagte die alte Frau: "Nehmet nur. ich bin alt und habe was ich brauche.
Vielleicht bringt ihm der Taler Glück. Dem Herrn Binßwanger habe ich gern
einmal einen Gefallen getan, wir find alte Freunde."

Da gingen sie miteinander heim und Frau Elisabeth kochte für ihre Gäste
Kaffee, und der Nachbar hatte einen Kuchen mitgebracht, daß es ein richtiger
Taufschmaus wurde. AIs sie aber getrunken und gegessen hatten und das
Kindlein längst eingeschlafen war, da sagte Herr Binßwanger bescheiden: "Jetzt
bin ich also der Pate des kleinen Augustus und möchte ihm gern ein Königs¬
schloß und einen Sack voll Goldstücke schenken, aber das habe ich nicht, ich kann
ihm nur einen Taler neben den der Frau Gevatterin legen. Indessen, was
ich für ihn tun kann, das soll geschehen. Frau Elisabeth, ihr habet Eurem
Buben gewiß schon viel Schönes und Gutes gewünscht. Besinnet Euch jetzt,
was Euch das Beste für ihn zu sein scheint, so will ich dafür sorgen, daß es
wahr werde. Ihr habet einen Wunsch für Euren Jungen frei, welchen Ihr
wollet, aber nur einen, überleget Euch den wohl, und wenn Ihr heut Abend
meine kleine Spieldose spielen höret, dann müßt Ihr den Wunsch Eurem Kleinen
ins linke Ohr sagen, so wird er in Erfüllung gehen."

Damit nahm er schnell Abschied, und die Gevatterin ging mit ihm weg,
und Frau Elisabeth blieb allein und ganz verwundert zurück, und wenn die
beiden Taler nicht in der Wiege gelegen und der Kuchen auf dem Tisch ge¬
standen wäre, so hätte sie alles für einen Traum gehalten. Da setzte sie sich
neben die Wiege und wiegte ihr Kind und sann und dachte sich schöne Wünsche
aus. Zuerst wollte sie ihn reich werden lassen oder schön, oder gewaltig stark,
oder gescheit und klug, aber überall war ein Bedenken dabei, und schließlich
dachte sie: "Ach, es ist ja doch nur ein Scherz von dem alten Männlein ge¬
wesen."

Es war schon dunkel geworden und sie wäre beinahe sitzend bei der Wiege
eingeschlafen, müde von der Bewirtung und von den Sorgen und den vielen


Augustus

wenn ich nur erst wieder arbeiten und etwas verdienen kann. Aber jetzt habe
ich eine andere Sorge. Der Bub muß getauft werden und soll Augustus heißen,
wie sein Vater geheißen hat; aber ich kenne niemand und weiß keinen Paten
für ihn."

„Ja, das habe ich auch gedacht," sagte der Nachbar, und strich an seinem
grauen Bart herunter. „Es wäre schon gut, wenn er einen guten und reichen
Paten bekäme, der für ihn sorgen kann, wenn es Euch einmal schlecht gehen
sollte. Aber ich bin auch nur ein alter einsamer Mann und habe wenig Freunde,
darum kann ich Euch niemand raten, wenn Ihr nicht etwa mich selber zum
Paten nehmen wollet."

Darüber war die arme Mutter froh, und dankte dem kleinen Mann und
nahm ihn zum Paten. Am nächsten Sonntag trugen sie den Kleinen in die
Kirche und ließen ihn taufen, und dabei erschien auch die alte Frau wieder
und schenkte ihm einen Taler, und als die Mutter das nicht annehmen wollte,
da sagte die alte Frau: „Nehmet nur. ich bin alt und habe was ich brauche.
Vielleicht bringt ihm der Taler Glück. Dem Herrn Binßwanger habe ich gern
einmal einen Gefallen getan, wir find alte Freunde."

Da gingen sie miteinander heim und Frau Elisabeth kochte für ihre Gäste
Kaffee, und der Nachbar hatte einen Kuchen mitgebracht, daß es ein richtiger
Taufschmaus wurde. AIs sie aber getrunken und gegessen hatten und das
Kindlein längst eingeschlafen war, da sagte Herr Binßwanger bescheiden: „Jetzt
bin ich also der Pate des kleinen Augustus und möchte ihm gern ein Königs¬
schloß und einen Sack voll Goldstücke schenken, aber das habe ich nicht, ich kann
ihm nur einen Taler neben den der Frau Gevatterin legen. Indessen, was
ich für ihn tun kann, das soll geschehen. Frau Elisabeth, ihr habet Eurem
Buben gewiß schon viel Schönes und Gutes gewünscht. Besinnet Euch jetzt,
was Euch das Beste für ihn zu sein scheint, so will ich dafür sorgen, daß es
wahr werde. Ihr habet einen Wunsch für Euren Jungen frei, welchen Ihr
wollet, aber nur einen, überleget Euch den wohl, und wenn Ihr heut Abend
meine kleine Spieldose spielen höret, dann müßt Ihr den Wunsch Eurem Kleinen
ins linke Ohr sagen, so wird er in Erfüllung gehen."

Damit nahm er schnell Abschied, und die Gevatterin ging mit ihm weg,
und Frau Elisabeth blieb allein und ganz verwundert zurück, und wenn die
beiden Taler nicht in der Wiege gelegen und der Kuchen auf dem Tisch ge¬
standen wäre, so hätte sie alles für einen Traum gehalten. Da setzte sie sich
neben die Wiege und wiegte ihr Kind und sann und dachte sich schöne Wünsche
aus. Zuerst wollte sie ihn reich werden lassen oder schön, oder gewaltig stark,
oder gescheit und klug, aber überall war ein Bedenken dabei, und schließlich
dachte sie: „Ach, es ist ja doch nur ein Scherz von dem alten Männlein ge¬
wesen."

Es war schon dunkel geworden und sie wäre beinahe sitzend bei der Wiege
eingeschlafen, müde von der Bewirtung und von den Sorgen und den vielen


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[0520] Augustus wenn ich nur erst wieder arbeiten und etwas verdienen kann. Aber jetzt habe ich eine andere Sorge. Der Bub muß getauft werden und soll Augustus heißen, wie sein Vater geheißen hat; aber ich kenne niemand und weiß keinen Paten für ihn." „Ja, das habe ich auch gedacht," sagte der Nachbar, und strich an seinem grauen Bart herunter. „Es wäre schon gut, wenn er einen guten und reichen Paten bekäme, der für ihn sorgen kann, wenn es Euch einmal schlecht gehen sollte. Aber ich bin auch nur ein alter einsamer Mann und habe wenig Freunde, darum kann ich Euch niemand raten, wenn Ihr nicht etwa mich selber zum Paten nehmen wollet." Darüber war die arme Mutter froh, und dankte dem kleinen Mann und nahm ihn zum Paten. Am nächsten Sonntag trugen sie den Kleinen in die Kirche und ließen ihn taufen, und dabei erschien auch die alte Frau wieder und schenkte ihm einen Taler, und als die Mutter das nicht annehmen wollte, da sagte die alte Frau: „Nehmet nur. ich bin alt und habe was ich brauche. Vielleicht bringt ihm der Taler Glück. Dem Herrn Binßwanger habe ich gern einmal einen Gefallen getan, wir find alte Freunde." Da gingen sie miteinander heim und Frau Elisabeth kochte für ihre Gäste Kaffee, und der Nachbar hatte einen Kuchen mitgebracht, daß es ein richtiger Taufschmaus wurde. AIs sie aber getrunken und gegessen hatten und das Kindlein längst eingeschlafen war, da sagte Herr Binßwanger bescheiden: „Jetzt bin ich also der Pate des kleinen Augustus und möchte ihm gern ein Königs¬ schloß und einen Sack voll Goldstücke schenken, aber das habe ich nicht, ich kann ihm nur einen Taler neben den der Frau Gevatterin legen. Indessen, was ich für ihn tun kann, das soll geschehen. Frau Elisabeth, ihr habet Eurem Buben gewiß schon viel Schönes und Gutes gewünscht. Besinnet Euch jetzt, was Euch das Beste für ihn zu sein scheint, so will ich dafür sorgen, daß es wahr werde. Ihr habet einen Wunsch für Euren Jungen frei, welchen Ihr wollet, aber nur einen, überleget Euch den wohl, und wenn Ihr heut Abend meine kleine Spieldose spielen höret, dann müßt Ihr den Wunsch Eurem Kleinen ins linke Ohr sagen, so wird er in Erfüllung gehen." Damit nahm er schnell Abschied, und die Gevatterin ging mit ihm weg, und Frau Elisabeth blieb allein und ganz verwundert zurück, und wenn die beiden Taler nicht in der Wiege gelegen und der Kuchen auf dem Tisch ge¬ standen wäre, so hätte sie alles für einen Traum gehalten. Da setzte sie sich neben die Wiege und wiegte ihr Kind und sann und dachte sich schöne Wünsche aus. Zuerst wollte sie ihn reich werden lassen oder schön, oder gewaltig stark, oder gescheit und klug, aber überall war ein Bedenken dabei, und schließlich dachte sie: „Ach, es ist ja doch nur ein Scherz von dem alten Männlein ge¬ wesen." Es war schon dunkel geworden und sie wäre beinahe sitzend bei der Wiege eingeschlafen, müde von der Bewirtung und von den Sorgen und den vielen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/520>, abgerufen am 06.06.2024.