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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Das französische Eisenbahnsystem

Durch diese Maßnahmen im Verein mit der zielbewußter Tätigkett der
großen Eisenbahnkompagnien ist die Entwicklung und Leistungsfähigkeit des
französischen Eisenbahnwesens seit 1870/71 außerordentlich gesteigert worden.

Während Frankreich am 1. Januar 1870 nur über ein Eisenbahnnetz von
16954 Kilometer verfügte, ist dieses bis zum 1. Januar 1910 bis auf 48782
Kilometer Vollbahnen und 7369 Kilometer Trambahnen angewachsen.

Allerdings hat diese Entwicklung des Bahnnetzes mit demjenigen Deutsch¬
lands nicht Schritt gehalten, da dieses sich in demselben Zeitraum von 17 322
Kilometer auf 60624 Kilometer Vollbahnen und 9479 Kilometer Kleinbahnen
vermehrt hat. Der Grund für diese Erscheinung ist nicht nur in dem un¬
gewöhnlich hohen materiellen Aufschwung, sondern auch in der weit höheren
Bevölkerungsziffer Deutschlands zu finden, da dieses auf dem gleichen Flächeninhalt
achtundsechzig Millionen, Frankreich nur vierzig Millionen Einwohner zählt.

Die stärkere Entwicklung des Eisenbahnnetzes im Osten und Nordosten
Frankreichs beweist aber, daß diese zum größten Teil aus strategischen Rück¬
sichten mit erheblichen Unterstützungen der Negierung geschehen ist.

Während die großen Eisenbahnkompagnien im Kriege 1870/71 niemals
mehr als höchstens zwanzig Züge täglich auf einer Linie befördern konnten,
soll nach den Erfahrungen der mehrfachen großen Probemobilmachungen die
Leistung der zweigleisigen Bahnen jetzt bis zu sechzig Zügen täglich gesteigert
werden. Da wir nicht, wie die Franzosen mit Zeitdistanz, sondern mit
Stationsdistanz die Züge aufeinander folgen lassen, so können und wollen wir
eine solche Leistung niemals erreichen; wir legen vielmehr den höchsten Wert
auf eine vollkommen gesicherte Leistung. Ob diese bei dem französischen Ver¬
fahren bei dem Massentransport der Armee im Kriegsfalle wirklich zu erreichen
ist, kann nur die Erfahrung eines großen Krieges ergeben.

Die französische Heeresleitung hat gegenwärtig für den strategischen Aufmarsch
der Armeegegen Deutschland folgende zwölf Eisenbahnlinien zur Verfügung:

Linie I:Lyon--Behar?on--Belfort
II:Lyon--Gray--Epinal--Se. Di6
(geht eingleisig weiter bis Lunöville)
III:Clermont Ferrand--Dijon--Epinal--Blainville
"IV:Bourges--Chaumont--Langres--Nancy
V:Orleans-- --Chaumont--Toul;
VI:Le Maus---Troyes--Gondrecourt--NeufckMeau--Pagny f. Meuse;
vVII:Paris--Vitry le Fran?vis--Blesmes--Se. Dizier--Gondrecomt--
Sorcy;
Viti:Paris--CtMons--Vitry le Fran?vis--Nancy;
IX:Paris--Reims--Verdun;
X:Rennes--Laon--Reims--Challerange--Se. Mönehould
XI:Amiens--Laon--Rethel--Challerange--Apremont;
XII:Lille--Möziöres--Verdun, bzw. auch bis Longwy.

Das französische Eisenbahnsystem

Durch diese Maßnahmen im Verein mit der zielbewußter Tätigkett der
großen Eisenbahnkompagnien ist die Entwicklung und Leistungsfähigkeit des
französischen Eisenbahnwesens seit 1870/71 außerordentlich gesteigert worden.

Während Frankreich am 1. Januar 1870 nur über ein Eisenbahnnetz von
16954 Kilometer verfügte, ist dieses bis zum 1. Januar 1910 bis auf 48782
Kilometer Vollbahnen und 7369 Kilometer Trambahnen angewachsen.

Allerdings hat diese Entwicklung des Bahnnetzes mit demjenigen Deutsch¬
lands nicht Schritt gehalten, da dieses sich in demselben Zeitraum von 17 322
Kilometer auf 60624 Kilometer Vollbahnen und 9479 Kilometer Kleinbahnen
vermehrt hat. Der Grund für diese Erscheinung ist nicht nur in dem un¬
gewöhnlich hohen materiellen Aufschwung, sondern auch in der weit höheren
Bevölkerungsziffer Deutschlands zu finden, da dieses auf dem gleichen Flächeninhalt
achtundsechzig Millionen, Frankreich nur vierzig Millionen Einwohner zählt.

Die stärkere Entwicklung des Eisenbahnnetzes im Osten und Nordosten
Frankreichs beweist aber, daß diese zum größten Teil aus strategischen Rück¬
sichten mit erheblichen Unterstützungen der Negierung geschehen ist.

Während die großen Eisenbahnkompagnien im Kriege 1870/71 niemals
mehr als höchstens zwanzig Züge täglich auf einer Linie befördern konnten,
soll nach den Erfahrungen der mehrfachen großen Probemobilmachungen die
Leistung der zweigleisigen Bahnen jetzt bis zu sechzig Zügen täglich gesteigert
werden. Da wir nicht, wie die Franzosen mit Zeitdistanz, sondern mit
Stationsdistanz die Züge aufeinander folgen lassen, so können und wollen wir
eine solche Leistung niemals erreichen; wir legen vielmehr den höchsten Wert
auf eine vollkommen gesicherte Leistung. Ob diese bei dem französischen Ver¬
fahren bei dem Massentransport der Armee im Kriegsfalle wirklich zu erreichen
ist, kann nur die Erfahrung eines großen Krieges ergeben.

Die französische Heeresleitung hat gegenwärtig für den strategischen Aufmarsch
der Armeegegen Deutschland folgende zwölf Eisenbahnlinien zur Verfügung:

Linie I:Lyon—Behar?on—Belfort
II:Lyon—Gray—Epinal—Se. Di6
(geht eingleisig weiter bis Lunöville)
III:Clermont Ferrand—Dijon—Epinal—Blainville
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[0570] Das französische Eisenbahnsystem Durch diese Maßnahmen im Verein mit der zielbewußter Tätigkett der großen Eisenbahnkompagnien ist die Entwicklung und Leistungsfähigkeit des französischen Eisenbahnwesens seit 1870/71 außerordentlich gesteigert worden. Während Frankreich am 1. Januar 1870 nur über ein Eisenbahnnetz von 16954 Kilometer verfügte, ist dieses bis zum 1. Januar 1910 bis auf 48782 Kilometer Vollbahnen und 7369 Kilometer Trambahnen angewachsen. Allerdings hat diese Entwicklung des Bahnnetzes mit demjenigen Deutsch¬ lands nicht Schritt gehalten, da dieses sich in demselben Zeitraum von 17 322 Kilometer auf 60624 Kilometer Vollbahnen und 9479 Kilometer Kleinbahnen vermehrt hat. Der Grund für diese Erscheinung ist nicht nur in dem un¬ gewöhnlich hohen materiellen Aufschwung, sondern auch in der weit höheren Bevölkerungsziffer Deutschlands zu finden, da dieses auf dem gleichen Flächeninhalt achtundsechzig Millionen, Frankreich nur vierzig Millionen Einwohner zählt. Die stärkere Entwicklung des Eisenbahnnetzes im Osten und Nordosten Frankreichs beweist aber, daß diese zum größten Teil aus strategischen Rück¬ sichten mit erheblichen Unterstützungen der Negierung geschehen ist. Während die großen Eisenbahnkompagnien im Kriege 1870/71 niemals mehr als höchstens zwanzig Züge täglich auf einer Linie befördern konnten, soll nach den Erfahrungen der mehrfachen großen Probemobilmachungen die Leistung der zweigleisigen Bahnen jetzt bis zu sechzig Zügen täglich gesteigert werden. Da wir nicht, wie die Franzosen mit Zeitdistanz, sondern mit Stationsdistanz die Züge aufeinander folgen lassen, so können und wollen wir eine solche Leistung niemals erreichen; wir legen vielmehr den höchsten Wert auf eine vollkommen gesicherte Leistung. Ob diese bei dem französischen Ver¬ fahren bei dem Massentransport der Armee im Kriegsfalle wirklich zu erreichen ist, kann nur die Erfahrung eines großen Krieges ergeben. Die französische Heeresleitung hat gegenwärtig für den strategischen Aufmarsch der Armeegegen Deutschland folgende zwölf Eisenbahnlinien zur Verfügung: Linie I:Lyon—Behar?on—Belfort II:Lyon—Gray—Epinal—Se. Di6 (geht eingleisig weiter bis Lunöville) III:Clermont Ferrand—Dijon—Epinal—Blainville »IV:Bourges—Chaumont—Langres—Nancy V:Orleans— —Chaumont—Toul; VI:Le Maus—-Troyes—Gondrecourt—NeufckMeau—Pagny f. Meuse; vVII:Paris—Vitry le Fran?vis—Blesmes—Se. Dizier—Gondrecomt— Sorcy; Viti:Paris—CtMons—Vitry le Fran?vis—Nancy; IX:Paris—Reims—Verdun; X:Rennes—Laon—Reims—Challerange—Se. Mönehould XI:Amiens—Laon—Rethel—Challerange—Apremont; XII:Lille—Möziöres—Verdun, bzw. auch bis Longwy.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/570>, abgerufen am 28.05.2024.