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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Rudolf Herzog, der in dieser kleinen Erzählung um vieles sympathischer und glaub¬
würdiger erscheint als in den allermeisten seiner dickleibigen Romane.

Ottomar Enkings oft bewährte Kunst der Kleinstadtschilderung geht eigentlich
schon über den Begriff des bloßen Unterhaltungsromans hinaus. Wenn sein letzter
Roman "Ach ja, in Altenhagen" (Carl Reißner, Dresden) schließlich doch
unter das zur Rede stehende Genre fällt, so liegt es nur daran, daß dies Buch
unverkennbar zu den schwächeren Leistungen des Verfassers gehört. Ottomar
Erling ist seinen getreuen Lesern noch nie so müde, so beinahe einschläfernd
erschienen wie in diesem Roman vom norddeutschen Städtchen Altenhagen. Man
täte ihm keinen Gefallen, wenn man hier den Tatbestand vertuschen oder beschönigen
wollte. Und der einzige Wunsch, mit dem man von der Lektüre des langatmigen
Buches scheidet, ist der, daß Ottomar Erling sich auf sich selbst besinnen und das
nächste Mal unter glücklicheren Bedingungen zu uns zurückkehren möge.

Aus dem Geiste der guten Enkingschen Romane stammt ein Band von
Bernhard Flemes: "Gottfried Haberkorfs Irrtum und andere Ge¬
schichten" (Adolf Sponholtz Verlag, Hannover). Den Lesern der Grenzboten
ist der Verfasser kein Unbekannter. Die schon genannte Geschichte von Gottfried
Haberkorf und daneben die "Legende vom Wachholderbaum" haben seinerzeit in
diesen Blättern gestanden. Bernhard Flemes unerschrockener, mit Humor gepaarter
und zu warmer Beschaulichkeit neigender Sinn, der sich schon damals zeigte, dringt
erfrischend und belebend zugleich durch die ganze Novellensammlung. Der Zauber
der norddeutschen Landschaft liegt darüber, und wer sich dieser Landschaft innerlich
verwandt fühlt, wird die sechs Geschichten, die der Band bringt, mit Heller Freude
in sich aufnehmen.

Die bisher gegebene flüchtige Übersicht möge unsere Wanderung durch die
Gefilde der leichteren Unterhaltungsliteratur beschließen. Irgendeinen Anspruch auf
Vollständigkeit kann eine derartige Aufzählung natürlich nicht machen. Die von
Tag zu Tag bedrohlicher anschwellende Flut belletristischer Neuerscheinungen ver-
bietet das ganz von selber. Was hier gegeben werden konnte, war nicht mehr
als eine Reihe von Stichproben, eine Reihe aus gut Glück herausgegriffener Bei¬
spiele, die den weitverbreiteten Lehrsatz von der Verächtlichkeit und ästhetischen
Unmöglichkeit aller leichteren Unterhaltnngsware entkräften sollten. Es ist ganz
gut, daß dem literarischen Hochmut unserer "Intellektuellen" ab und zu ein kleiner
Dämpfer aufgesetzt wird. Ein solcher Dämpfer läßt sich aber nur ermöglichen,
wenn man auf Grund eines unzweideutig vorliegenden Tatbestandes aufzeigt, daß
längst nicht alle hochgereckten literarischen Träume zu reifen Pflegen und daß unter
Umständen auch im "andern" Lager sehr tüchtig und sehr sauber gearbeitet wird.




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Rudolf Herzog, der in dieser kleinen Erzählung um vieles sympathischer und glaub¬
würdiger erscheint als in den allermeisten seiner dickleibigen Romane.

Ottomar Enkings oft bewährte Kunst der Kleinstadtschilderung geht eigentlich
schon über den Begriff des bloßen Unterhaltungsromans hinaus. Wenn sein letzter
Roman „Ach ja, in Altenhagen" (Carl Reißner, Dresden) schließlich doch
unter das zur Rede stehende Genre fällt, so liegt es nur daran, daß dies Buch
unverkennbar zu den schwächeren Leistungen des Verfassers gehört. Ottomar
Erling ist seinen getreuen Lesern noch nie so müde, so beinahe einschläfernd
erschienen wie in diesem Roman vom norddeutschen Städtchen Altenhagen. Man
täte ihm keinen Gefallen, wenn man hier den Tatbestand vertuschen oder beschönigen
wollte. Und der einzige Wunsch, mit dem man von der Lektüre des langatmigen
Buches scheidet, ist der, daß Ottomar Erling sich auf sich selbst besinnen und das
nächste Mal unter glücklicheren Bedingungen zu uns zurückkehren möge.

Aus dem Geiste der guten Enkingschen Romane stammt ein Band von
Bernhard Flemes: „Gottfried Haberkorfs Irrtum und andere Ge¬
schichten" (Adolf Sponholtz Verlag, Hannover). Den Lesern der Grenzboten
ist der Verfasser kein Unbekannter. Die schon genannte Geschichte von Gottfried
Haberkorf und daneben die „Legende vom Wachholderbaum" haben seinerzeit in
diesen Blättern gestanden. Bernhard Flemes unerschrockener, mit Humor gepaarter
und zu warmer Beschaulichkeit neigender Sinn, der sich schon damals zeigte, dringt
erfrischend und belebend zugleich durch die ganze Novellensammlung. Der Zauber
der norddeutschen Landschaft liegt darüber, und wer sich dieser Landschaft innerlich
verwandt fühlt, wird die sechs Geschichten, die der Band bringt, mit Heller Freude
in sich aufnehmen.

Die bisher gegebene flüchtige Übersicht möge unsere Wanderung durch die
Gefilde der leichteren Unterhaltungsliteratur beschließen. Irgendeinen Anspruch auf
Vollständigkeit kann eine derartige Aufzählung natürlich nicht machen. Die von
Tag zu Tag bedrohlicher anschwellende Flut belletristischer Neuerscheinungen ver-
bietet das ganz von selber. Was hier gegeben werden konnte, war nicht mehr
als eine Reihe von Stichproben, eine Reihe aus gut Glück herausgegriffener Bei¬
spiele, die den weitverbreiteten Lehrsatz von der Verächtlichkeit und ästhetischen
Unmöglichkeit aller leichteren Unterhaltnngsware entkräften sollten. Es ist ganz
gut, daß dem literarischen Hochmut unserer „Intellektuellen" ab und zu ein kleiner
Dämpfer aufgesetzt wird. Ein solcher Dämpfer läßt sich aber nur ermöglichen,
wenn man auf Grund eines unzweideutig vorliegenden Tatbestandes aufzeigt, daß
längst nicht alle hochgereckten literarischen Träume zu reifen Pflegen und daß unter
Umständen auch im „andern" Lager sehr tüchtig und sehr sauber gearbeitet wird.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/589>, abgerufen am 13.05.2024.