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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
presse und weltpolitik

Die Presse Australiens. Über die Presse
Australiens -- die Engländer verstehen unter
Australien den Kontinent sowie die Inseln
Tasmania und Neu-Seeland -- ist bis jetzt
fast nichts in Deutschland bekannt. Selbst
der zu früh verstorbene deutsche Geschichts¬
schreiber des internationalen Zeitungswesens,
Dr. Ludwig Salomon, weiß nur sehr wenige
Zeilen über die Presse der Südseestaaten zu
sagen. Dennoch ist eine Erörterung der
australischen Presseverhältnisse bei der wach¬
senden kulturellen und weltwirtschaftlichen Be¬
deutung dieses kleinsten und jüngsten Erdteils
nicht nur interessant und lehrreich, sondern
auch Praktisch recht wichtig; denn sie zeigt
einmal, ob und in welchem Maße die Eng¬
länder in dieser abgelegenen Commonwealth
imperialistische Politik mit Hilfe der Presse
treiben können; anderseits vermag man aus
einzelnen Mitteilungen über die Zahl der
Zeitungszentren, Art der Nachrichtenorgani¬
sation, Zeitungssprache usw. Rückschlüsse zu
ziehen, auf die Bedeutung und Wirksamkeit
der Weltinarktsreklame in Australiens Presse.

Die Geschichte der australischen Presse ist
kaum mehr als hundert.Jahre alt. Sie datiert
erst von der Zeit ab, zu der die englische
Regierung durch Cooks Reiseberichte bestimmt
wurde, Australien zu einer Verbrecherkolonie
zu machen. Die erste Besiedlung mit 757

[Spaltenumbruch]

englischen Sträflingen fand im Jahre 1788
unter der Leitung von Kapitän Philipp statt,
der gleichzeitig der erste Gouverneur von
Australien war und sein Amt mit diktato¬
rischer Gewalt ausübte. Solange Australien
vorwiegend durch Deportierte besiedelt wurde
und solange der Gouverneur über eine un¬
freie Bevölkerung gebieten konnte, war natür¬
lich von einer Entfaltung der öffentlichen
Meinung und damit der Presse nicht die
Rede. Erst mit dem Jahre 1868 hat die
Deportation nach Australien völlig aufgehört
und damit gleichzeitig die starke Ein¬
wanderung und die mit ihr verbundene
Ausbildung einer freien Bevölkerung erfolg¬
reich eingesetzt. In erster Linie richtete
sich der Strom der freien Einwanderer nach
Neu-Südwales, Viktoria und Neu-Seeland,
Diese Staaten sind heute noch die am stärksten
besiedelten Gebiete des etwa 8,2 Millionen
Quadratkilometer großen Erdteils mit einer
Einwohnerzahl von reichlich 8 Millionen
Menschen. Als Nationalitäten, die seit 1868
die Hauptmasse an Einwanderern gestellt
haben, kommen in erster Linie die Engländer
in Betracht. Unter den nichtenglischen Ein¬
wanderern ragen die Deutschen und die Chi¬
nesen bei weitem hervor. Bereits im Jahre
1891 betrug die Zahl der Deutschen in
Australien mehr als 100000, und im Jahre
1895 gab es schon in Brisbane und Adelaide
je eine deutsche Periodisch erscheinende Zeit-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
presse und weltpolitik

Die Presse Australiens. Über die Presse
Australiens — die Engländer verstehen unter
Australien den Kontinent sowie die Inseln
Tasmania und Neu-Seeland — ist bis jetzt
fast nichts in Deutschland bekannt. Selbst
der zu früh verstorbene deutsche Geschichts¬
schreiber des internationalen Zeitungswesens,
Dr. Ludwig Salomon, weiß nur sehr wenige
Zeilen über die Presse der Südseestaaten zu
sagen. Dennoch ist eine Erörterung der
australischen Presseverhältnisse bei der wach¬
senden kulturellen und weltwirtschaftlichen Be¬
deutung dieses kleinsten und jüngsten Erdteils
nicht nur interessant und lehrreich, sondern
auch Praktisch recht wichtig; denn sie zeigt
einmal, ob und in welchem Maße die Eng¬
länder in dieser abgelegenen Commonwealth
imperialistische Politik mit Hilfe der Presse
treiben können; anderseits vermag man aus
einzelnen Mitteilungen über die Zahl der
Zeitungszentren, Art der Nachrichtenorgani¬
sation, Zeitungssprache usw. Rückschlüsse zu
ziehen, auf die Bedeutung und Wirksamkeit
der Weltinarktsreklame in Australiens Presse.

Die Geschichte der australischen Presse ist
kaum mehr als hundert.Jahre alt. Sie datiert
erst von der Zeit ab, zu der die englische
Regierung durch Cooks Reiseberichte bestimmt
wurde, Australien zu einer Verbrecherkolonie
zu machen. Die erste Besiedlung mit 757

[Spaltenumbruch]

englischen Sträflingen fand im Jahre 1788
unter der Leitung von Kapitän Philipp statt,
der gleichzeitig der erste Gouverneur von
Australien war und sein Amt mit diktato¬
rischer Gewalt ausübte. Solange Australien
vorwiegend durch Deportierte besiedelt wurde
und solange der Gouverneur über eine un¬
freie Bevölkerung gebieten konnte, war natür¬
lich von einer Entfaltung der öffentlichen
Meinung und damit der Presse nicht die
Rede. Erst mit dem Jahre 1868 hat die
Deportation nach Australien völlig aufgehört
und damit gleichzeitig die starke Ein¬
wanderung und die mit ihr verbundene
Ausbildung einer freien Bevölkerung erfolg¬
reich eingesetzt. In erster Linie richtete
sich der Strom der freien Einwanderer nach
Neu-Südwales, Viktoria und Neu-Seeland,
Diese Staaten sind heute noch die am stärksten
besiedelten Gebiete des etwa 8,2 Millionen
Quadratkilometer großen Erdteils mit einer
Einwohnerzahl von reichlich 8 Millionen
Menschen. Als Nationalitäten, die seit 1868
die Hauptmasse an Einwanderern gestellt
haben, kommen in erster Linie die Engländer
in Betracht. Unter den nichtenglischen Ein¬
wanderern ragen die Deutschen und die Chi¬
nesen bei weitem hervor. Bereits im Jahre
1891 betrug die Zahl der Deutschen in
Australien mehr als 100000, und im Jahre
1895 gab es schon in Brisbane und Adelaide
je eine deutsche Periodisch erscheinende Zeit-

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[0150] [Abbildung] Maßgebliches und Unmaßgebliches presse und weltpolitik Die Presse Australiens. Über die Presse Australiens — die Engländer verstehen unter Australien den Kontinent sowie die Inseln Tasmania und Neu-Seeland — ist bis jetzt fast nichts in Deutschland bekannt. Selbst der zu früh verstorbene deutsche Geschichts¬ schreiber des internationalen Zeitungswesens, Dr. Ludwig Salomon, weiß nur sehr wenige Zeilen über die Presse der Südseestaaten zu sagen. Dennoch ist eine Erörterung der australischen Presseverhältnisse bei der wach¬ senden kulturellen und weltwirtschaftlichen Be¬ deutung dieses kleinsten und jüngsten Erdteils nicht nur interessant und lehrreich, sondern auch Praktisch recht wichtig; denn sie zeigt einmal, ob und in welchem Maße die Eng¬ länder in dieser abgelegenen Commonwealth imperialistische Politik mit Hilfe der Presse treiben können; anderseits vermag man aus einzelnen Mitteilungen über die Zahl der Zeitungszentren, Art der Nachrichtenorgani¬ sation, Zeitungssprache usw. Rückschlüsse zu ziehen, auf die Bedeutung und Wirksamkeit der Weltinarktsreklame in Australiens Presse. Die Geschichte der australischen Presse ist kaum mehr als hundert.Jahre alt. Sie datiert erst von der Zeit ab, zu der die englische Regierung durch Cooks Reiseberichte bestimmt wurde, Australien zu einer Verbrecherkolonie zu machen. Die erste Besiedlung mit 757 englischen Sträflingen fand im Jahre 1788 unter der Leitung von Kapitän Philipp statt, der gleichzeitig der erste Gouverneur von Australien war und sein Amt mit diktato¬ rischer Gewalt ausübte. Solange Australien vorwiegend durch Deportierte besiedelt wurde und solange der Gouverneur über eine un¬ freie Bevölkerung gebieten konnte, war natür¬ lich von einer Entfaltung der öffentlichen Meinung und damit der Presse nicht die Rede. Erst mit dem Jahre 1868 hat die Deportation nach Australien völlig aufgehört und damit gleichzeitig die starke Ein¬ wanderung und die mit ihr verbundene Ausbildung einer freien Bevölkerung erfolg¬ reich eingesetzt. In erster Linie richtete sich der Strom der freien Einwanderer nach Neu-Südwales, Viktoria und Neu-Seeland, Diese Staaten sind heute noch die am stärksten besiedelten Gebiete des etwa 8,2 Millionen Quadratkilometer großen Erdteils mit einer Einwohnerzahl von reichlich 8 Millionen Menschen. Als Nationalitäten, die seit 1868 die Hauptmasse an Einwanderern gestellt haben, kommen in erster Linie die Engländer in Betracht. Unter den nichtenglischen Ein¬ wanderern ragen die Deutschen und die Chi¬ nesen bei weitem hervor. Bereits im Jahre 1891 betrug die Zahl der Deutschen in Australien mehr als 100000, und im Jahre 1895 gab es schon in Brisbane und Adelaide je eine deutsche Periodisch erscheinende Zeit-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/150>, abgerufen am 16.06.2024.