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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Kardinal Ropps Bedeutung

Die konfessionelle Abneigung der Regierung gegenüber ist in diesen Liederschen
Zeiten zurückgebannt und hat der positiven Mitarbeit an den Reichsaufgaben
Platz gemacht, weil man sonst nicht im Reiche Fuß fassen konnte. Das liegt
vollkommen in der Richtung der Koppschen Politik. Es ist damit aber nicht
gesagt, daß nun dieser Verzicht auf die konfessionelle Ausschließlichkeit, wenn er
aus anderen als solchen Erwägungen, nämlich aus demokratischen, erfolgte,
ebenfalls die Billigung des Kardinals hätte finden müssen. Vielmehr
verwarf dieser von Anfang an derartige Versuche durchaus. Die alte, aristo¬
kratische Organisation, in der die Massen nur Resonnanz für die Führer waren,
hatte er in die Dienste der neuen Aufgabe stellen wollen, sie den aristokratisch
gefärbten Parteien der Rechten näherbringen und so allmählich auf Umwegen
den modernen Staatsgedanken erweichen wollen. Und nun kam da eine neue
Demokratie, welche die alten konservativen Führer wie einen Hume oder
Schorlemer-Alse von sich stieß*), und wenn sie auch zeitweise auf denselben
Wegen wie Kopp wandelte, so konnte sie doch dadurch, daß sie die Massen
politisch erzog und interkonfessionelle Arbeiterverbände schuf, gar nicht die Gewähr
bieten, daß sie im Bunde mit dem "protestantischen Staate" sich nicht
verlor und nicht doch schließlich in ihm aufging, statt ihn für die im Geiste
eines römischen Kardinals immer noch lebende päpstliche Weltmacht zurück¬
zugewinnen. Von diesem Standpunkte aus vertrat Kopp eine Politik der Ver¬
söhnung mit dem protestantischen Preußen und mußte -- ganz folgerichtig --
dennoch die interkonfessionellen christlichen Gewerkschaften verwerfen. Sein
Autoritätsgedanke konnte einer katholischen Demokratie nichts zutrauen, sein
kirchlich-hierarchisches Bewußtsein verabscheute die Zentrumsopposttiou gegen
den Episkopat, von der er selbst ja, wie wir sahen, genug erzählen konnte.
Diplomat in dem Stile, wie sie nur die römische Kirche hervorgebracht, schreckte
er zurück vor dem Bureaukratismus des modernen Parteiwesens; allezeit erschien
er sich als ein höheres und feineres Instrument klerikaler Politik und unter¬
schied sich, genau wie Hertling, schon als Persönlichkeit von den Agitatoren des
Zentrums. Der römische Hierarch, der die Stufenleiter vom armen Webersohn
und Telegraphenbeamten bis zum Kardinal und Ritter des Schwarzen Adler¬
ordens durchgemacht hatte, war in allem so vollkommen in die aristokratische
Denk- und Lebensweise eingegangen, daß jedermann sich über die weltmännische
Sicherheit, mit der er sich in den höchsten Kreisen dieser Erde zu bewegen ver¬
stand, wunderte. So konnte er auch politisch der Führer des aristokratischen
Großgrundbesttzertums seines katholischen Schlesiens werden: hat er doch mit
besonderer Berufung auf die möglichen gefährlichen Konsequenzen für die Existenz
des Großgrundbesitzes die polnische Enteignungsvorlage abgelehnt! Er hat
zwar sozialpolitisch manches geleistet -- so berief ihn das kaiserliche Vertrauen



*) Die Wendung des Zentrums zur demokratischen Form fand damals ihren ent¬
schiedensten publizistischen Widersacher in F. X, Kraus ("Spectatorbriefe", Beil. zur Allg.
Ztg., besonders 189S, Ur. 211 u. 1897 Ur. 247).
Kardinal Ropps Bedeutung

Die konfessionelle Abneigung der Regierung gegenüber ist in diesen Liederschen
Zeiten zurückgebannt und hat der positiven Mitarbeit an den Reichsaufgaben
Platz gemacht, weil man sonst nicht im Reiche Fuß fassen konnte. Das liegt
vollkommen in der Richtung der Koppschen Politik. Es ist damit aber nicht
gesagt, daß nun dieser Verzicht auf die konfessionelle Ausschließlichkeit, wenn er
aus anderen als solchen Erwägungen, nämlich aus demokratischen, erfolgte,
ebenfalls die Billigung des Kardinals hätte finden müssen. Vielmehr
verwarf dieser von Anfang an derartige Versuche durchaus. Die alte, aristo¬
kratische Organisation, in der die Massen nur Resonnanz für die Führer waren,
hatte er in die Dienste der neuen Aufgabe stellen wollen, sie den aristokratisch
gefärbten Parteien der Rechten näherbringen und so allmählich auf Umwegen
den modernen Staatsgedanken erweichen wollen. Und nun kam da eine neue
Demokratie, welche die alten konservativen Führer wie einen Hume oder
Schorlemer-Alse von sich stieß*), und wenn sie auch zeitweise auf denselben
Wegen wie Kopp wandelte, so konnte sie doch dadurch, daß sie die Massen
politisch erzog und interkonfessionelle Arbeiterverbände schuf, gar nicht die Gewähr
bieten, daß sie im Bunde mit dem „protestantischen Staate" sich nicht
verlor und nicht doch schließlich in ihm aufging, statt ihn für die im Geiste
eines römischen Kardinals immer noch lebende päpstliche Weltmacht zurück¬
zugewinnen. Von diesem Standpunkte aus vertrat Kopp eine Politik der Ver¬
söhnung mit dem protestantischen Preußen und mußte — ganz folgerichtig —
dennoch die interkonfessionellen christlichen Gewerkschaften verwerfen. Sein
Autoritätsgedanke konnte einer katholischen Demokratie nichts zutrauen, sein
kirchlich-hierarchisches Bewußtsein verabscheute die Zentrumsopposttiou gegen
den Episkopat, von der er selbst ja, wie wir sahen, genug erzählen konnte.
Diplomat in dem Stile, wie sie nur die römische Kirche hervorgebracht, schreckte
er zurück vor dem Bureaukratismus des modernen Parteiwesens; allezeit erschien
er sich als ein höheres und feineres Instrument klerikaler Politik und unter¬
schied sich, genau wie Hertling, schon als Persönlichkeit von den Agitatoren des
Zentrums. Der römische Hierarch, der die Stufenleiter vom armen Webersohn
und Telegraphenbeamten bis zum Kardinal und Ritter des Schwarzen Adler¬
ordens durchgemacht hatte, war in allem so vollkommen in die aristokratische
Denk- und Lebensweise eingegangen, daß jedermann sich über die weltmännische
Sicherheit, mit der er sich in den höchsten Kreisen dieser Erde zu bewegen ver¬
stand, wunderte. So konnte er auch politisch der Führer des aristokratischen
Großgrundbesttzertums seines katholischen Schlesiens werden: hat er doch mit
besonderer Berufung auf die möglichen gefährlichen Konsequenzen für die Existenz
des Großgrundbesitzes die polnische Enteignungsvorlage abgelehnt! Er hat
zwar sozialpolitisch manches geleistet — so berief ihn das kaiserliche Vertrauen



*) Die Wendung des Zentrums zur demokratischen Form fand damals ihren ent¬
schiedensten publizistischen Widersacher in F. X, Kraus („Spectatorbriefe", Beil. zur Allg.
Ztg., besonders 189S, Ur. 211 u. 1897 Ur. 247).
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[0284] Kardinal Ropps Bedeutung Die konfessionelle Abneigung der Regierung gegenüber ist in diesen Liederschen Zeiten zurückgebannt und hat der positiven Mitarbeit an den Reichsaufgaben Platz gemacht, weil man sonst nicht im Reiche Fuß fassen konnte. Das liegt vollkommen in der Richtung der Koppschen Politik. Es ist damit aber nicht gesagt, daß nun dieser Verzicht auf die konfessionelle Ausschließlichkeit, wenn er aus anderen als solchen Erwägungen, nämlich aus demokratischen, erfolgte, ebenfalls die Billigung des Kardinals hätte finden müssen. Vielmehr verwarf dieser von Anfang an derartige Versuche durchaus. Die alte, aristo¬ kratische Organisation, in der die Massen nur Resonnanz für die Führer waren, hatte er in die Dienste der neuen Aufgabe stellen wollen, sie den aristokratisch gefärbten Parteien der Rechten näherbringen und so allmählich auf Umwegen den modernen Staatsgedanken erweichen wollen. Und nun kam da eine neue Demokratie, welche die alten konservativen Führer wie einen Hume oder Schorlemer-Alse von sich stieß*), und wenn sie auch zeitweise auf denselben Wegen wie Kopp wandelte, so konnte sie doch dadurch, daß sie die Massen politisch erzog und interkonfessionelle Arbeiterverbände schuf, gar nicht die Gewähr bieten, daß sie im Bunde mit dem „protestantischen Staate" sich nicht verlor und nicht doch schließlich in ihm aufging, statt ihn für die im Geiste eines römischen Kardinals immer noch lebende päpstliche Weltmacht zurück¬ zugewinnen. Von diesem Standpunkte aus vertrat Kopp eine Politik der Ver¬ söhnung mit dem protestantischen Preußen und mußte — ganz folgerichtig — dennoch die interkonfessionellen christlichen Gewerkschaften verwerfen. Sein Autoritätsgedanke konnte einer katholischen Demokratie nichts zutrauen, sein kirchlich-hierarchisches Bewußtsein verabscheute die Zentrumsopposttiou gegen den Episkopat, von der er selbst ja, wie wir sahen, genug erzählen konnte. Diplomat in dem Stile, wie sie nur die römische Kirche hervorgebracht, schreckte er zurück vor dem Bureaukratismus des modernen Parteiwesens; allezeit erschien er sich als ein höheres und feineres Instrument klerikaler Politik und unter¬ schied sich, genau wie Hertling, schon als Persönlichkeit von den Agitatoren des Zentrums. Der römische Hierarch, der die Stufenleiter vom armen Webersohn und Telegraphenbeamten bis zum Kardinal und Ritter des Schwarzen Adler¬ ordens durchgemacht hatte, war in allem so vollkommen in die aristokratische Denk- und Lebensweise eingegangen, daß jedermann sich über die weltmännische Sicherheit, mit der er sich in den höchsten Kreisen dieser Erde zu bewegen ver¬ stand, wunderte. So konnte er auch politisch der Führer des aristokratischen Großgrundbesttzertums seines katholischen Schlesiens werden: hat er doch mit besonderer Berufung auf die möglichen gefährlichen Konsequenzen für die Existenz des Großgrundbesitzes die polnische Enteignungsvorlage abgelehnt! Er hat zwar sozialpolitisch manches geleistet — so berief ihn das kaiserliche Vertrauen *) Die Wendung des Zentrums zur demokratischen Form fand damals ihren ent¬ schiedensten publizistischen Widersacher in F. X, Kraus („Spectatorbriefe", Beil. zur Allg. Ztg., besonders 189S, Ur. 211 u. 1897 Ur. 247).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/284>, abgerufen am 14.06.2024.