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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Kardinal Kopps Bedeutung

1890 in die internationale Arbeiterschutzkonferenz --, aber seine Stellung in
der Gewerkschaftsfrage ist doch auch von sozialpolitischen Bedenken gegen die
"Kölner" getragen.

Seine Gegnerschaft gegen diese wuchs mit der Zeit. So hat er die Aus¬
breitung des "Volksvereins" in Schlesien nach Möglichkeit gehindert, so ist er
dann auch gegen die christlichen Gewerkschaften vorgegangen, die sich keine geist¬
lichen Beeinflussungen ihrer Einzelmaßnahmen bei der Vertretung der Arbeiter¬
interessen gefallen lassen wollten und selbst Streiks auf eigene Hand unter¬
nahmen; von Kopp ging das Wort vom "verseuchten Westen" aus. Die
Einzelheiten sind noch in frischer Erinnerung und eignen sich kaum schon zu
einer wissenschaftlichen Erörterung. Für unsern Zusammenhang kommt nur
noch die eine Tatsache in betracht, daß dieser Streit im Zentrumslager von
einer Spaltung zwischen dem Episkopat selbst begleitet war, wie zuletzt noch
der vielbesprochene Koppsche Brief vom 21. Januar dieses Jahres bewies. Man
hat daraus den Schluß gezogen, die Koppsche Stellungnahme sei aus einem
Konkurrenzgefühle dem Erzbischof Fischer von Köln gegenüber zu erklären und
habe sich dann erst gegen dessen Schützlinge, die Gewerkschaften, gerichtet: Kopp
habe den persönlichen Ehrgeiz besessen, Primas in Deutschland zu werden.
Dazu ist doch zu bemerken, daß dieser Fürstbischof von Breslau durch seine
Persönlichkeit innerhalb der deutschen Kirche schon an sich zu größerem Einfluß
gelangt ist als irgendein Kölner Erzbischof seiner Zeit. Das war etwas Neues.
Solange es eine katholische Kirche in Deutschland gibt, hatten ihre Geschicke
immer an dem Krummstab des Erzbischofs von Köln gehangen; dort war die
altera Koma. Nur die jüngste Evolution des politischen Katholizismus in
Deutschland, die wenigstens tatsächliche Hinwendung zum Staate, war, wenn
überhaupt eine Persönlichkeit genannt werden kann, vom Fürstbischof
von Breslau ausgegangen, von diesem lebensklugen und weltgewandter
Taktiker, der kein Eiferer war und doch immer die letzten Ziele der
Zukunft scharf im Auge behielt. Unwillkürlich denkt man da an einen
anderen Fürstbischof von Breslau und seine freundschaftlichen Be¬
ziehungen zum preußischen Staate, an das Verhältnis Diepenbrocks zu
Friedrich Wilhelm dem Vierten. Und doch welcher Unterschied! Hier
war nur romantische persönliche Hinneigung ohne praktische Konsequenz;
gelenkt wurden die Dinge durch die Willenskraft des Erzbischofs Geissel
von Köln. Dort dagegen verkörpert der Fürstbischof, mehr als irgendein
anderer seiner Zeitgenossen, ein Stück Geschichte, eine ganz bestimmte und auch
unser heutiges öffentliches Leben wesentlich beeinflussende politische Entwicklung.




Grenzboten II Is1418
Kardinal Kopps Bedeutung

1890 in die internationale Arbeiterschutzkonferenz —, aber seine Stellung in
der Gewerkschaftsfrage ist doch auch von sozialpolitischen Bedenken gegen die
„Kölner" getragen.

Seine Gegnerschaft gegen diese wuchs mit der Zeit. So hat er die Aus¬
breitung des „Volksvereins" in Schlesien nach Möglichkeit gehindert, so ist er
dann auch gegen die christlichen Gewerkschaften vorgegangen, die sich keine geist¬
lichen Beeinflussungen ihrer Einzelmaßnahmen bei der Vertretung der Arbeiter¬
interessen gefallen lassen wollten und selbst Streiks auf eigene Hand unter¬
nahmen; von Kopp ging das Wort vom „verseuchten Westen" aus. Die
Einzelheiten sind noch in frischer Erinnerung und eignen sich kaum schon zu
einer wissenschaftlichen Erörterung. Für unsern Zusammenhang kommt nur
noch die eine Tatsache in betracht, daß dieser Streit im Zentrumslager von
einer Spaltung zwischen dem Episkopat selbst begleitet war, wie zuletzt noch
der vielbesprochene Koppsche Brief vom 21. Januar dieses Jahres bewies. Man
hat daraus den Schluß gezogen, die Koppsche Stellungnahme sei aus einem
Konkurrenzgefühle dem Erzbischof Fischer von Köln gegenüber zu erklären und
habe sich dann erst gegen dessen Schützlinge, die Gewerkschaften, gerichtet: Kopp
habe den persönlichen Ehrgeiz besessen, Primas in Deutschland zu werden.
Dazu ist doch zu bemerken, daß dieser Fürstbischof von Breslau durch seine
Persönlichkeit innerhalb der deutschen Kirche schon an sich zu größerem Einfluß
gelangt ist als irgendein Kölner Erzbischof seiner Zeit. Das war etwas Neues.
Solange es eine katholische Kirche in Deutschland gibt, hatten ihre Geschicke
immer an dem Krummstab des Erzbischofs von Köln gehangen; dort war die
altera Koma. Nur die jüngste Evolution des politischen Katholizismus in
Deutschland, die wenigstens tatsächliche Hinwendung zum Staate, war, wenn
überhaupt eine Persönlichkeit genannt werden kann, vom Fürstbischof
von Breslau ausgegangen, von diesem lebensklugen und weltgewandter
Taktiker, der kein Eiferer war und doch immer die letzten Ziele der
Zukunft scharf im Auge behielt. Unwillkürlich denkt man da an einen
anderen Fürstbischof von Breslau und seine freundschaftlichen Be¬
ziehungen zum preußischen Staate, an das Verhältnis Diepenbrocks zu
Friedrich Wilhelm dem Vierten. Und doch welcher Unterschied! Hier
war nur romantische persönliche Hinneigung ohne praktische Konsequenz;
gelenkt wurden die Dinge durch die Willenskraft des Erzbischofs Geissel
von Köln. Dort dagegen verkörpert der Fürstbischof, mehr als irgendein
anderer seiner Zeitgenossen, ein Stück Geschichte, eine ganz bestimmte und auch
unser heutiges öffentliches Leben wesentlich beeinflussende politische Entwicklung.




Grenzboten II Is1418
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[0285] Kardinal Kopps Bedeutung 1890 in die internationale Arbeiterschutzkonferenz —, aber seine Stellung in der Gewerkschaftsfrage ist doch auch von sozialpolitischen Bedenken gegen die „Kölner" getragen. Seine Gegnerschaft gegen diese wuchs mit der Zeit. So hat er die Aus¬ breitung des „Volksvereins" in Schlesien nach Möglichkeit gehindert, so ist er dann auch gegen die christlichen Gewerkschaften vorgegangen, die sich keine geist¬ lichen Beeinflussungen ihrer Einzelmaßnahmen bei der Vertretung der Arbeiter¬ interessen gefallen lassen wollten und selbst Streiks auf eigene Hand unter¬ nahmen; von Kopp ging das Wort vom „verseuchten Westen" aus. Die Einzelheiten sind noch in frischer Erinnerung und eignen sich kaum schon zu einer wissenschaftlichen Erörterung. Für unsern Zusammenhang kommt nur noch die eine Tatsache in betracht, daß dieser Streit im Zentrumslager von einer Spaltung zwischen dem Episkopat selbst begleitet war, wie zuletzt noch der vielbesprochene Koppsche Brief vom 21. Januar dieses Jahres bewies. Man hat daraus den Schluß gezogen, die Koppsche Stellungnahme sei aus einem Konkurrenzgefühle dem Erzbischof Fischer von Köln gegenüber zu erklären und habe sich dann erst gegen dessen Schützlinge, die Gewerkschaften, gerichtet: Kopp habe den persönlichen Ehrgeiz besessen, Primas in Deutschland zu werden. Dazu ist doch zu bemerken, daß dieser Fürstbischof von Breslau durch seine Persönlichkeit innerhalb der deutschen Kirche schon an sich zu größerem Einfluß gelangt ist als irgendein Kölner Erzbischof seiner Zeit. Das war etwas Neues. Solange es eine katholische Kirche in Deutschland gibt, hatten ihre Geschicke immer an dem Krummstab des Erzbischofs von Köln gehangen; dort war die altera Koma. Nur die jüngste Evolution des politischen Katholizismus in Deutschland, die wenigstens tatsächliche Hinwendung zum Staate, war, wenn überhaupt eine Persönlichkeit genannt werden kann, vom Fürstbischof von Breslau ausgegangen, von diesem lebensklugen und weltgewandter Taktiker, der kein Eiferer war und doch immer die letzten Ziele der Zukunft scharf im Auge behielt. Unwillkürlich denkt man da an einen anderen Fürstbischof von Breslau und seine freundschaftlichen Be¬ ziehungen zum preußischen Staate, an das Verhältnis Diepenbrocks zu Friedrich Wilhelm dem Vierten. Und doch welcher Unterschied! Hier war nur romantische persönliche Hinneigung ohne praktische Konsequenz; gelenkt wurden die Dinge durch die Willenskraft des Erzbischofs Geissel von Köln. Dort dagegen verkörpert der Fürstbischof, mehr als irgendein anderer seiner Zeitgenossen, ein Stück Geschichte, eine ganz bestimmte und auch unser heutiges öffentliches Leben wesentlich beeinflussende politische Entwicklung. Grenzboten II Is1418

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/285>, abgerufen am 21.05.2024.