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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Bismarck und Prokesch-Vsten

Bismarck. der nicht, wie Prokesch. die Uniform sich auf dem Schlachtfelde errungen
und eine glänzende militärische Laufbahn hinter sich hatte, dem das Geschick
niemals Gelegenheit gegeben hat. militärisch irgendetwas zu leisten, hat doch
später, als ihm für seine überwältigenden staatsmännischen Verdienste hohe mili¬
tärische Grade verliehen worden waren, mit Vorliebe auch im Dienste seine
Kürassieruniform getragen und dürfte damit am besten den einstigen Gegner
entlastet haben.

Daß Prokesch für die Repräsentation seines ehren- und verantwortungs¬
reichen Postens amtlich nicht genügende Mittel zur Verfügung gestellt bekam,
daß er -- persönlich unvergleichlich freigebiger und großherziger veranlagt als
sein Gegner -- sich daher nach dieser Seite mehrfach Einschränkungen auf¬
erlegen mußte, war einer der Hauptgründe, die ihm Frankfurt verleideten, und
es hätte Bismarcks ätzend scharfer Bemerkungen nicht bedurft, um diese Lücke seines
sozialen Daseins aufzudecken. Dinge wie die nach Bismarck (an Gerlach.
S. 254) "pöbelhafte Verweigerung" eines Präsidialdiners mögen ihm so schwer
genug gefallen sein.

Ein Punkt bleibt hier schließlich noch zu erörtern, nämlich: wie Bismarck
über die amtlichen Fähigkeiten seines österreichischen Kollegen und Gegners ge¬
dacht hat.

An sich würde man sich immer sagen müssen, daß ein solches Urteil keine
absolute, sondern nur eine relative Gültigkeit haben könnte. Bismarcks Frank-
furter Politik gibt gewissermaßen einen doppelten Klang: sie bedeutet zugleich
das Grabgeläute für die Politik Metternichs und die Sturmglocken einer neuen
Zeit. Da liegt es in der Natur der Sache, daß er nicht eben der unbefangenste
Richter über den Lieblingsschüler des Mannes sein konnte, dessen Werk er eben
in Trümmer schlagen wollte. Dennoch ist es unverkennbar, daß er mindestens
zeitweise über Prokeschs Können keineswegs gering gedacht hat. Wenn wir
durchweg sehen, wie wenig er Floskeln machte, wenn dieser Mann in Frage
kam. dürfen wir selbst die Worte seiner Begrüßungsansprache, wonach Prokesch
.durch seine gereiften Erfahrungen in der diplomatischen Laufbahn, seine genaue
Kenntnis der deutschen Verhältnisse und seinen hervorragenden Namen in der
wissenschaftlichen Welt zur Leitung der Geschäfte des Bundestages vor anderen
befähigt gewesen sei." unbedingt für bare Münze nehmen. Auch sonst fehlt
es nicht an Äußerungen, die. wenn auch widerwillig oder versteckt. Respekt vor
dem Gegner durchblicken lassen. Im Verlauf der Frankfurter Jahre überwiegt dann
freilich der Eindruck, daß Prokesch sich durch seine Leidenschaftlichkeit und durch
mancherlei Ungeschicklichkeiten, nach Bismarcks Meinung, selbst das Sprel verdorben
habe'), so daß er sogar wiederholt ihn als einen ..bequemen" Gegner bezeichnet, den



") Auch^Rochow. Bismarcks Vorgänger in Frankfurt und Pe/°rsb">^ und alter
Präzoptor" (Gerlach an Bismarck. S, 33.. fällte das Urteil, daß Prokesch d.e Fahlgke.t hab.
sich mit allen Menschen zu verfeinden. Er war offenbar in kritischen Zettlauften zu nnvulsw
und zu reizbar.
Grenzboten II 1"14
Bismarck und Prokesch-Vsten

Bismarck. der nicht, wie Prokesch. die Uniform sich auf dem Schlachtfelde errungen
und eine glänzende militärische Laufbahn hinter sich hatte, dem das Geschick
niemals Gelegenheit gegeben hat. militärisch irgendetwas zu leisten, hat doch
später, als ihm für seine überwältigenden staatsmännischen Verdienste hohe mili¬
tärische Grade verliehen worden waren, mit Vorliebe auch im Dienste seine
Kürassieruniform getragen und dürfte damit am besten den einstigen Gegner
entlastet haben.

Daß Prokesch für die Repräsentation seines ehren- und verantwortungs¬
reichen Postens amtlich nicht genügende Mittel zur Verfügung gestellt bekam,
daß er — persönlich unvergleichlich freigebiger und großherziger veranlagt als
sein Gegner — sich daher nach dieser Seite mehrfach Einschränkungen auf¬
erlegen mußte, war einer der Hauptgründe, die ihm Frankfurt verleideten, und
es hätte Bismarcks ätzend scharfer Bemerkungen nicht bedurft, um diese Lücke seines
sozialen Daseins aufzudecken. Dinge wie die nach Bismarck (an Gerlach.
S. 254) „pöbelhafte Verweigerung" eines Präsidialdiners mögen ihm so schwer
genug gefallen sein.

Ein Punkt bleibt hier schließlich noch zu erörtern, nämlich: wie Bismarck
über die amtlichen Fähigkeiten seines österreichischen Kollegen und Gegners ge¬
dacht hat.

An sich würde man sich immer sagen müssen, daß ein solches Urteil keine
absolute, sondern nur eine relative Gültigkeit haben könnte. Bismarcks Frank-
furter Politik gibt gewissermaßen einen doppelten Klang: sie bedeutet zugleich
das Grabgeläute für die Politik Metternichs und die Sturmglocken einer neuen
Zeit. Da liegt es in der Natur der Sache, daß er nicht eben der unbefangenste
Richter über den Lieblingsschüler des Mannes sein konnte, dessen Werk er eben
in Trümmer schlagen wollte. Dennoch ist es unverkennbar, daß er mindestens
zeitweise über Prokeschs Können keineswegs gering gedacht hat. Wenn wir
durchweg sehen, wie wenig er Floskeln machte, wenn dieser Mann in Frage
kam. dürfen wir selbst die Worte seiner Begrüßungsansprache, wonach Prokesch
.durch seine gereiften Erfahrungen in der diplomatischen Laufbahn, seine genaue
Kenntnis der deutschen Verhältnisse und seinen hervorragenden Namen in der
wissenschaftlichen Welt zur Leitung der Geschäfte des Bundestages vor anderen
befähigt gewesen sei." unbedingt für bare Münze nehmen. Auch sonst fehlt
es nicht an Äußerungen, die. wenn auch widerwillig oder versteckt. Respekt vor
dem Gegner durchblicken lassen. Im Verlauf der Frankfurter Jahre überwiegt dann
freilich der Eindruck, daß Prokesch sich durch seine Leidenschaftlichkeit und durch
mancherlei Ungeschicklichkeiten, nach Bismarcks Meinung, selbst das Sprel verdorben
habe'), so daß er sogar wiederholt ihn als einen ..bequemen" Gegner bezeichnet, den



") Auch^Rochow. Bismarcks Vorgänger in Frankfurt und Pe/°rsb">^ und alter
Präzoptor" (Gerlach an Bismarck. S, 33.. fällte das Urteil, daß Prokesch d.e Fahlgke.t hab.
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und zu reizbar.
Grenzboten II 1»14
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[0029] Bismarck und Prokesch-Vsten Bismarck. der nicht, wie Prokesch. die Uniform sich auf dem Schlachtfelde errungen und eine glänzende militärische Laufbahn hinter sich hatte, dem das Geschick niemals Gelegenheit gegeben hat. militärisch irgendetwas zu leisten, hat doch später, als ihm für seine überwältigenden staatsmännischen Verdienste hohe mili¬ tärische Grade verliehen worden waren, mit Vorliebe auch im Dienste seine Kürassieruniform getragen und dürfte damit am besten den einstigen Gegner entlastet haben. Daß Prokesch für die Repräsentation seines ehren- und verantwortungs¬ reichen Postens amtlich nicht genügende Mittel zur Verfügung gestellt bekam, daß er — persönlich unvergleichlich freigebiger und großherziger veranlagt als sein Gegner — sich daher nach dieser Seite mehrfach Einschränkungen auf¬ erlegen mußte, war einer der Hauptgründe, die ihm Frankfurt verleideten, und es hätte Bismarcks ätzend scharfer Bemerkungen nicht bedurft, um diese Lücke seines sozialen Daseins aufzudecken. Dinge wie die nach Bismarck (an Gerlach. S. 254) „pöbelhafte Verweigerung" eines Präsidialdiners mögen ihm so schwer genug gefallen sein. Ein Punkt bleibt hier schließlich noch zu erörtern, nämlich: wie Bismarck über die amtlichen Fähigkeiten seines österreichischen Kollegen und Gegners ge¬ dacht hat. An sich würde man sich immer sagen müssen, daß ein solches Urteil keine absolute, sondern nur eine relative Gültigkeit haben könnte. Bismarcks Frank- furter Politik gibt gewissermaßen einen doppelten Klang: sie bedeutet zugleich das Grabgeläute für die Politik Metternichs und die Sturmglocken einer neuen Zeit. Da liegt es in der Natur der Sache, daß er nicht eben der unbefangenste Richter über den Lieblingsschüler des Mannes sein konnte, dessen Werk er eben in Trümmer schlagen wollte. Dennoch ist es unverkennbar, daß er mindestens zeitweise über Prokeschs Können keineswegs gering gedacht hat. Wenn wir durchweg sehen, wie wenig er Floskeln machte, wenn dieser Mann in Frage kam. dürfen wir selbst die Worte seiner Begrüßungsansprache, wonach Prokesch .durch seine gereiften Erfahrungen in der diplomatischen Laufbahn, seine genaue Kenntnis der deutschen Verhältnisse und seinen hervorragenden Namen in der wissenschaftlichen Welt zur Leitung der Geschäfte des Bundestages vor anderen befähigt gewesen sei." unbedingt für bare Münze nehmen. Auch sonst fehlt es nicht an Äußerungen, die. wenn auch widerwillig oder versteckt. Respekt vor dem Gegner durchblicken lassen. Im Verlauf der Frankfurter Jahre überwiegt dann freilich der Eindruck, daß Prokesch sich durch seine Leidenschaftlichkeit und durch mancherlei Ungeschicklichkeiten, nach Bismarcks Meinung, selbst das Sprel verdorben habe'), so daß er sogar wiederholt ihn als einen ..bequemen" Gegner bezeichnet, den ") Auch^Rochow. Bismarcks Vorgänger in Frankfurt und Pe/°rsb">^ und alter Präzoptor" (Gerlach an Bismarck. S, 33.. fällte das Urteil, daß Prokesch d.e Fahlgke.t hab. sich mit allen Menschen zu verfeinden. Er war offenbar in kritischen Zettlauften zu nnvulsw und zu reizbar. Grenzboten II 1»14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/29>, abgerufen am 22.05.2024.