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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung

1873 wurde dann der französische Einfluß vollkommen ausgeschaltet. Es ist
bemerkenswert, daß um die damalige Zeit Sansibar immer noch einen beträcht¬
lichen Besitz an der Ostküste Afrikas selbst inne hatte und ihn auch bis zum
Jahre 1890 im wesentlichen behielt. Um diese Zeit ergaben sich infolge der
durch die verschiedentlich^, zwischen England und Italien einerseits und Deutsch¬
land anderseits abgeschlossenen Ausgleichsverträge so starke Verschiebungen in
diesem Besitze, daß allmählich auch der letzte Fetzen davon verloren ging. So
wurde Somaliland mit den zu Sansibar gehörigen Häfen von England an
Italien abgetreten und, durch den sogenannten Sansibarvertrag vom 1. Juli
1390, endgültig ein wichtiger Küstenstreifen und eine Reihe von südlicher ge¬
legenen Inseln, darunter die größere Insel Mafia, an die neuentstandene Kolonie
Deutsch-Ostafrika. Dazu bekam bekanntlich Deutschland die Insel Helgoland
von England, mußte aber einige kleine Küstenstrecken, die heute zu Britisch-Ost-
afrika gehören, von seinem eben erreichten Koloniebesitzstand abgeben und --
dem Namen nach an Sansibar -- eine Summe für den Erwerb der ge¬
nannten Inseln zahlen. Wesentlich war, daß nun die Alleinherrschaft an dem
heute die Kolonie bildenden Küstenstreifen und über alles davorgelegene, mit
Ausnahme der Inseln Sansibar und Pemba selbst, uns gesichert war. Im übrigen
war die unmittelbare Folge dieses Sansibarvertrages, der den letzten aus¬
wärtigen Besitzstand des inneren Jnselreiches sozusagen vernichtete, daß das Pro¬
tektorat vollständig in Englands Hände kam.

Sansibar ist noch heute ein Wellhafen: wohl sämtliche auf der Ostküste
Afrikas verkehrenden Schiffe nehmen ihren Weg über ihn. Der Schiffsverkehr
beträgt jährlich rund etwa eine halbe Million Tonnen, ungerechnet die über
0000 an Zahl betragenden Eingeborenenfahrzeuge (Dhaus), die den Verkehr
zwischen der Küste, Sansibar und Pemba vermitteln, und die sich auf etwa
100 000 Tonnen stellen dürften. Weiter ist Sansibar lange Zeit hindurch der
wichtigste Ausgangspunkt für alle größeren Expeditionen nach der Küste hinüber
und in das Innere gewesen. Nur in Sansibar gab es und gibt es zum Teil
noch heute reichlich Träger und ortskundige Leute für das Innere Ostafrikas.
Drittens bietet Sansibar, was selbst heute noch eine gewisse Rolle für den
Europäer und für den Asiaten spielt, als Residenz früher bedeutender Fürsten
in dem historischen Charakter ein gewisses Etwas,, das nicht unterschätzt werden
darf, sei es auch nur, daß man der Stadt Sansibar diese Eigenart, vor allen:
manches Kunsthistorische auf den ersten Blick anmerkt, und darin einen aus¬
gesprochenen Gegensatz zu den anderen größeren Städten der ostafrikanischen
Küste findet.

Die Stadt Sansibar hat an Einwohnern etwa 70 000, die ganze Insel
rund 200 000. Darunter befinden sich ungefähr 250 Europäer, vorwiegend
Engländer, Deutsche und Österreicher, ferner 7000 Araber und 20 000
Asiaten verschiedener Art. Durch die ganze Insel zieht sich eine Reihe von
ausgezeichnet gepflegten makadamisierten Straßen, die sogar für den Automobil-


Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung

1873 wurde dann der französische Einfluß vollkommen ausgeschaltet. Es ist
bemerkenswert, daß um die damalige Zeit Sansibar immer noch einen beträcht¬
lichen Besitz an der Ostküste Afrikas selbst inne hatte und ihn auch bis zum
Jahre 1890 im wesentlichen behielt. Um diese Zeit ergaben sich infolge der
durch die verschiedentlich^, zwischen England und Italien einerseits und Deutsch¬
land anderseits abgeschlossenen Ausgleichsverträge so starke Verschiebungen in
diesem Besitze, daß allmählich auch der letzte Fetzen davon verloren ging. So
wurde Somaliland mit den zu Sansibar gehörigen Häfen von England an
Italien abgetreten und, durch den sogenannten Sansibarvertrag vom 1. Juli
1390, endgültig ein wichtiger Küstenstreifen und eine Reihe von südlicher ge¬
legenen Inseln, darunter die größere Insel Mafia, an die neuentstandene Kolonie
Deutsch-Ostafrika. Dazu bekam bekanntlich Deutschland die Insel Helgoland
von England, mußte aber einige kleine Küstenstrecken, die heute zu Britisch-Ost-
afrika gehören, von seinem eben erreichten Koloniebesitzstand abgeben und —
dem Namen nach an Sansibar — eine Summe für den Erwerb der ge¬
nannten Inseln zahlen. Wesentlich war, daß nun die Alleinherrschaft an dem
heute die Kolonie bildenden Küstenstreifen und über alles davorgelegene, mit
Ausnahme der Inseln Sansibar und Pemba selbst, uns gesichert war. Im übrigen
war die unmittelbare Folge dieses Sansibarvertrages, der den letzten aus¬
wärtigen Besitzstand des inneren Jnselreiches sozusagen vernichtete, daß das Pro¬
tektorat vollständig in Englands Hände kam.

Sansibar ist noch heute ein Wellhafen: wohl sämtliche auf der Ostküste
Afrikas verkehrenden Schiffe nehmen ihren Weg über ihn. Der Schiffsverkehr
beträgt jährlich rund etwa eine halbe Million Tonnen, ungerechnet die über
0000 an Zahl betragenden Eingeborenenfahrzeuge (Dhaus), die den Verkehr
zwischen der Küste, Sansibar und Pemba vermitteln, und die sich auf etwa
100 000 Tonnen stellen dürften. Weiter ist Sansibar lange Zeit hindurch der
wichtigste Ausgangspunkt für alle größeren Expeditionen nach der Küste hinüber
und in das Innere gewesen. Nur in Sansibar gab es und gibt es zum Teil
noch heute reichlich Träger und ortskundige Leute für das Innere Ostafrikas.
Drittens bietet Sansibar, was selbst heute noch eine gewisse Rolle für den
Europäer und für den Asiaten spielt, als Residenz früher bedeutender Fürsten
in dem historischen Charakter ein gewisses Etwas,, das nicht unterschätzt werden
darf, sei es auch nur, daß man der Stadt Sansibar diese Eigenart, vor allen:
manches Kunsthistorische auf den ersten Blick anmerkt, und darin einen aus¬
gesprochenen Gegensatz zu den anderen größeren Städten der ostafrikanischen
Küste findet.

Die Stadt Sansibar hat an Einwohnern etwa 70 000, die ganze Insel
rund 200 000. Darunter befinden sich ungefähr 250 Europäer, vorwiegend
Engländer, Deutsche und Österreicher, ferner 7000 Araber und 20 000
Asiaten verschiedener Art. Durch die ganze Insel zieht sich eine Reihe von
ausgezeichnet gepflegten makadamisierten Straßen, die sogar für den Automobil-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/73>, abgerufen am 15.06.2024.