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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Insel Sansibar und it^re wirtschaftliche Bedeutung

verkehr sich als gut geeignet erweisen. Eine kleine Eisenbahn läuft von Sansibar
ein Stück der Küste entlang nach Bububu; ein regelmäßiger Dampfschiff¬
verkehr besteht mit dem Norden der Insel wie der Nachbarinsel Pemba, die
selbst ohne direkten Verkehr mit der Küste ist, eine bemerkenswerte Tatsache
hinsichtlich der Handelsstatistik. Auch für die allgemeine Hygiene ist mancherlei
getan. Die Stadt und ein großer Teil des reich bevölkerten westlichen Kultur¬
gebiets sind von einer vorzüglichen, von den Engländern angelegten Wasser¬
leitung durchzogen; die erste verfügt außerdem über eine Reihe von Kranken¬
häusern, für Europäer wie für Eingeborene. Wieweit diese freilich -- ebenso wie
die großen Laboratorien, die dein Namen nach zur Untersuchung der stets wieder¬
kehrenden Volkskrankheiten, der Pest und der Cholera, dienen sollen -- ihren
Zweck wirklich auch erfüllen, bleibe dahingestellt. Tatsache ist, daß die von den
Engländern im Außendienst vielfach verwendeten indischen ärztlichen Beamten
sicherlich in ihrer Pflichterfüllung nicht immer das leisten, was der europäische
Arzt, insbesondere beim hygienischen Paßwesen, für den Durchgangsverkehr mit
der Küste verlangen muß.

Ein Gang durch die eigentliche, von Europäern und Arabern bewohnte
Stadt bietet außerordentlich reizvolle Bilder. Alte arabische Paläste, mit kunst¬
voll geschnitzten Bogentüren und starken, feinen Beschlägen; die alte Burg des
Sultans, die auf Jahrhunderte zurückblickt; die Moscheen, oft versteckt gelegen,
mit feinem äußeren Schmuckwerk; die reichen Jnderläden, die Bazare: das alles
sind Bilder, die einen künstlerisch wirkungsvollen Eindruck hervorbringen.
Weniger künstlerisch, aber doch von eigenartigem Reiz ist das große Negerviertel,
das -- das größte derartige in Ostafrika -- mit seinen engen Straßen, durch
die sich noch obendrein die Eisenbahn nach Bububu mit starkem Gerassel hin¬
durchwindet, eine ganz außerordentliche Fülle von Leben birgt, zugleich freilich
auch den Herd manches Epidemienausbruchs. Die Europäer wohnen heute
meist in alten Arabcrhäusern. Auch die Hotels, so das Afrika-Hotel, sind solche.
Die Wohnzimmer, im obersten Stockwerk gelegen, umgeben von rauschenden
Palmenwipfeln, der Korridor eine offene Gallerie, das Bad arabischer als
brauchbar, der Speisesaal ein flaches Dach, mit Segeln überspannt -- es ist ein
idyllischer Aufenthalt, bringt doch selbst in der großen Hitze der ständige See¬
wind gewisse Kühlung. Auch die Klubs und Konsulate sind -- besonders
malerisch das deutsche -- in ähnlichen Gebäuden untergebracht.

In dieser weiten eigenartigen Stadt tummelt sich nun eine Bevölkerung
von Negern, Arabern, Indern, Goanesen. Malayen. Hier tritt der vornehme
Araber, der dem Europäer fast gleich gilt, aus dem vornehmen Haus der Väter,
dort ziehen verschleierte Damen zur Moschee, die, versteckt sie auch ihren fest¬
täglichen Schmuck schüchtern in einem Winkel, um so geräuschvoller mit der
Pauke zu sich lädt. Hier bietet der würdevolle arabische Kaufmann die Fülle
des Kunstgewerbes seiner Heimat und Indiens an, dort hockt die Negerfrau
vor ihrem Obst und Gemüse oder bereitet ein Straßenkoch unheimliche Genüsse.


Die Insel Sansibar und it^re wirtschaftliche Bedeutung

verkehr sich als gut geeignet erweisen. Eine kleine Eisenbahn läuft von Sansibar
ein Stück der Küste entlang nach Bububu; ein regelmäßiger Dampfschiff¬
verkehr besteht mit dem Norden der Insel wie der Nachbarinsel Pemba, die
selbst ohne direkten Verkehr mit der Küste ist, eine bemerkenswerte Tatsache
hinsichtlich der Handelsstatistik. Auch für die allgemeine Hygiene ist mancherlei
getan. Die Stadt und ein großer Teil des reich bevölkerten westlichen Kultur¬
gebiets sind von einer vorzüglichen, von den Engländern angelegten Wasser¬
leitung durchzogen; die erste verfügt außerdem über eine Reihe von Kranken¬
häusern, für Europäer wie für Eingeborene. Wieweit diese freilich — ebenso wie
die großen Laboratorien, die dein Namen nach zur Untersuchung der stets wieder¬
kehrenden Volkskrankheiten, der Pest und der Cholera, dienen sollen — ihren
Zweck wirklich auch erfüllen, bleibe dahingestellt. Tatsache ist, daß die von den
Engländern im Außendienst vielfach verwendeten indischen ärztlichen Beamten
sicherlich in ihrer Pflichterfüllung nicht immer das leisten, was der europäische
Arzt, insbesondere beim hygienischen Paßwesen, für den Durchgangsverkehr mit
der Küste verlangen muß.

Ein Gang durch die eigentliche, von Europäern und Arabern bewohnte
Stadt bietet außerordentlich reizvolle Bilder. Alte arabische Paläste, mit kunst¬
voll geschnitzten Bogentüren und starken, feinen Beschlägen; die alte Burg des
Sultans, die auf Jahrhunderte zurückblickt; die Moscheen, oft versteckt gelegen,
mit feinem äußeren Schmuckwerk; die reichen Jnderläden, die Bazare: das alles
sind Bilder, die einen künstlerisch wirkungsvollen Eindruck hervorbringen.
Weniger künstlerisch, aber doch von eigenartigem Reiz ist das große Negerviertel,
das — das größte derartige in Ostafrika — mit seinen engen Straßen, durch
die sich noch obendrein die Eisenbahn nach Bububu mit starkem Gerassel hin¬
durchwindet, eine ganz außerordentliche Fülle von Leben birgt, zugleich freilich
auch den Herd manches Epidemienausbruchs. Die Europäer wohnen heute
meist in alten Arabcrhäusern. Auch die Hotels, so das Afrika-Hotel, sind solche.
Die Wohnzimmer, im obersten Stockwerk gelegen, umgeben von rauschenden
Palmenwipfeln, der Korridor eine offene Gallerie, das Bad arabischer als
brauchbar, der Speisesaal ein flaches Dach, mit Segeln überspannt — es ist ein
idyllischer Aufenthalt, bringt doch selbst in der großen Hitze der ständige See¬
wind gewisse Kühlung. Auch die Klubs und Konsulate sind — besonders
malerisch das deutsche — in ähnlichen Gebäuden untergebracht.

In dieser weiten eigenartigen Stadt tummelt sich nun eine Bevölkerung
von Negern, Arabern, Indern, Goanesen. Malayen. Hier tritt der vornehme
Araber, der dem Europäer fast gleich gilt, aus dem vornehmen Haus der Väter,
dort ziehen verschleierte Damen zur Moschee, die, versteckt sie auch ihren fest¬
täglichen Schmuck schüchtern in einem Winkel, um so geräuschvoller mit der
Pauke zu sich lädt. Hier bietet der würdevolle arabische Kaufmann die Fülle
des Kunstgewerbes seiner Heimat und Indiens an, dort hockt die Negerfrau
vor ihrem Obst und Gemüse oder bereitet ein Straßenkoch unheimliche Genüsse.


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[0074] Die Insel Sansibar und it^re wirtschaftliche Bedeutung verkehr sich als gut geeignet erweisen. Eine kleine Eisenbahn läuft von Sansibar ein Stück der Küste entlang nach Bububu; ein regelmäßiger Dampfschiff¬ verkehr besteht mit dem Norden der Insel wie der Nachbarinsel Pemba, die selbst ohne direkten Verkehr mit der Küste ist, eine bemerkenswerte Tatsache hinsichtlich der Handelsstatistik. Auch für die allgemeine Hygiene ist mancherlei getan. Die Stadt und ein großer Teil des reich bevölkerten westlichen Kultur¬ gebiets sind von einer vorzüglichen, von den Engländern angelegten Wasser¬ leitung durchzogen; die erste verfügt außerdem über eine Reihe von Kranken¬ häusern, für Europäer wie für Eingeborene. Wieweit diese freilich — ebenso wie die großen Laboratorien, die dein Namen nach zur Untersuchung der stets wieder¬ kehrenden Volkskrankheiten, der Pest und der Cholera, dienen sollen — ihren Zweck wirklich auch erfüllen, bleibe dahingestellt. Tatsache ist, daß die von den Engländern im Außendienst vielfach verwendeten indischen ärztlichen Beamten sicherlich in ihrer Pflichterfüllung nicht immer das leisten, was der europäische Arzt, insbesondere beim hygienischen Paßwesen, für den Durchgangsverkehr mit der Küste verlangen muß. Ein Gang durch die eigentliche, von Europäern und Arabern bewohnte Stadt bietet außerordentlich reizvolle Bilder. Alte arabische Paläste, mit kunst¬ voll geschnitzten Bogentüren und starken, feinen Beschlägen; die alte Burg des Sultans, die auf Jahrhunderte zurückblickt; die Moscheen, oft versteckt gelegen, mit feinem äußeren Schmuckwerk; die reichen Jnderläden, die Bazare: das alles sind Bilder, die einen künstlerisch wirkungsvollen Eindruck hervorbringen. Weniger künstlerisch, aber doch von eigenartigem Reiz ist das große Negerviertel, das — das größte derartige in Ostafrika — mit seinen engen Straßen, durch die sich noch obendrein die Eisenbahn nach Bububu mit starkem Gerassel hin¬ durchwindet, eine ganz außerordentliche Fülle von Leben birgt, zugleich freilich auch den Herd manches Epidemienausbruchs. Die Europäer wohnen heute meist in alten Arabcrhäusern. Auch die Hotels, so das Afrika-Hotel, sind solche. Die Wohnzimmer, im obersten Stockwerk gelegen, umgeben von rauschenden Palmenwipfeln, der Korridor eine offene Gallerie, das Bad arabischer als brauchbar, der Speisesaal ein flaches Dach, mit Segeln überspannt — es ist ein idyllischer Aufenthalt, bringt doch selbst in der großen Hitze der ständige See¬ wind gewisse Kühlung. Auch die Klubs und Konsulate sind — besonders malerisch das deutsche — in ähnlichen Gebäuden untergebracht. In dieser weiten eigenartigen Stadt tummelt sich nun eine Bevölkerung von Negern, Arabern, Indern, Goanesen. Malayen. Hier tritt der vornehme Araber, der dem Europäer fast gleich gilt, aus dem vornehmen Haus der Väter, dort ziehen verschleierte Damen zur Moschee, die, versteckt sie auch ihren fest¬ täglichen Schmuck schüchtern in einem Winkel, um so geräuschvoller mit der Pauke zu sich lädt. Hier bietet der würdevolle arabische Kaufmann die Fülle des Kunstgewerbes seiner Heimat und Indiens an, dort hockt die Negerfrau vor ihrem Obst und Gemüse oder bereitet ein Straßenkoch unheimliche Genüsse.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/74>, abgerufen am 15.06.2024.