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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die sexe von U'iayen

Den Herzog Hans Adolf litt es nicht lange in seinem kleinen Land. Bald
zog er wieder aus, um gegen Feinde zu reiten und die in Holstein schüttelten
den Kopf über ihn. Denn seine Frau Gemahlin war viel allein, mußte die
Regierung führen und dabei noch Mutterpflichten erfüllen. Da meinte man,
der Herzog könnte besseres tun, als mit den Dänen gegen die Schweden zu
kriegen, oder nach Holland zu reisen und dort das Heer mit neuen Gewehren
versehen zu lassen. Aber er war einmal ein unruhiger Herr, und daß die Leute
von ihm sagten, daß er zaubern könnte, erfreute ihn über die Maßen. In
den Spinn- und Wachtstuben ward allerhand von ihm berichtet, das die Haare
zu Berge stehen ließ, und wenn er manchmal auf seinem schwarzen Pferd und
ganz spät in der Nacht durch seine kleine Residenz ritt, dann sprach mancher
ein Stoßgebetlein. Aber er war nicht allein ein Kriegsheld und ein Zauberer,
er war auch ein guter Landesvater, der Schulen bauen ließ, die Gewerbe be¬
günstigte und alles, was seine Gemahlin in dieser Hinsicht anordnete, gut hieß.
So sah es bald ordentlich und friedsam im Ländchen aus, und wenn Josias
Sehestedt einmal von Schierensee mit seiner Gemahlin nach Plön ritt, um der
Herzogin die Aufwartung zu machen, und wenn er daheim war, auch den
Herzog zu sehen, dann meinte er doch, daß ein Weiberregiment so übel nicht
wäre, wenn es ordentliche männliche Ratgeber hätte. Frau Heilwig lächelte
ein wenig verträumt über diese Worte, aber widersprach ihnen nicht. Herr
Josias war ein stattlicher Landedelmann geworden, der seine zwei Güter gut
und kräftig regierte und dabei doch kein zu scharfes Regiment führte, wie manche
seiner Standesgenossen.

Er war rücksichtsvoller gegen seine Gemahlin als mancher andere Junker;
noch niemals war er betrunken nach Hause gebracht, oder hatte jemanden im
Streite erschlagen, wie dies damals so häufig vorkam, also konnte Frau
Heilwig wohl zufrieden sein und sie war es sicherlich. Zwei Söhne hatte sie,
ein Töchterchen und eine große Gutswirtschaft, viel Arbeit und Mühe. Da
war es nicht verwunderlich, daß Frau Heilwig sich nicht unterschied von
anderen Edelfrauen; daß sie schaffte und sorgte und auch wohl einmal mit
der Peitsche dreinschlug, wo sie meinte, es nötig zu haben. Noch immer
zog Gesinde! einher, machte die Leibeigenen aufsässig, und suchte zu stehlen
und zu brennen, wo es anging. Denn irgendwo war ja immer Krieg, und
was heimatlos oder angeschossen war, das lebte vogelfrei und schadete wie
Ungeziefer. Jeder Edelhof hatte sein Gefängnis, in dem die Landstreicher
eine Hungerkur durchmachten, wenn man sie nicht aufhängte.

Und einmal war der Turm zu Schierensee fast voll. Von allen Seiten,
vor allem von Hamburg her, waren Landstreicher gekommen, und der Vogt
rang die Hände. Denn allein wagte er doch nicht, an den Malefikanten ein
Urteil zu vollstrecken, und der Herr von Sehestedt war auf eine Jagd im öst¬
lichen Holstein geritten, und niemand wußte, wann er heimkehrte. Die edle
Frau aber, die sonst das Urteil sprach, hatte an anderes zu denken. Ihr kleines


Die sexe von U'iayen

Den Herzog Hans Adolf litt es nicht lange in seinem kleinen Land. Bald
zog er wieder aus, um gegen Feinde zu reiten und die in Holstein schüttelten
den Kopf über ihn. Denn seine Frau Gemahlin war viel allein, mußte die
Regierung führen und dabei noch Mutterpflichten erfüllen. Da meinte man,
der Herzog könnte besseres tun, als mit den Dänen gegen die Schweden zu
kriegen, oder nach Holland zu reisen und dort das Heer mit neuen Gewehren
versehen zu lassen. Aber er war einmal ein unruhiger Herr, und daß die Leute
von ihm sagten, daß er zaubern könnte, erfreute ihn über die Maßen. In
den Spinn- und Wachtstuben ward allerhand von ihm berichtet, das die Haare
zu Berge stehen ließ, und wenn er manchmal auf seinem schwarzen Pferd und
ganz spät in der Nacht durch seine kleine Residenz ritt, dann sprach mancher
ein Stoßgebetlein. Aber er war nicht allein ein Kriegsheld und ein Zauberer,
er war auch ein guter Landesvater, der Schulen bauen ließ, die Gewerbe be¬
günstigte und alles, was seine Gemahlin in dieser Hinsicht anordnete, gut hieß.
So sah es bald ordentlich und friedsam im Ländchen aus, und wenn Josias
Sehestedt einmal von Schierensee mit seiner Gemahlin nach Plön ritt, um der
Herzogin die Aufwartung zu machen, und wenn er daheim war, auch den
Herzog zu sehen, dann meinte er doch, daß ein Weiberregiment so übel nicht
wäre, wenn es ordentliche männliche Ratgeber hätte. Frau Heilwig lächelte
ein wenig verträumt über diese Worte, aber widersprach ihnen nicht. Herr
Josias war ein stattlicher Landedelmann geworden, der seine zwei Güter gut
und kräftig regierte und dabei doch kein zu scharfes Regiment führte, wie manche
seiner Standesgenossen.

Er war rücksichtsvoller gegen seine Gemahlin als mancher andere Junker;
noch niemals war er betrunken nach Hause gebracht, oder hatte jemanden im
Streite erschlagen, wie dies damals so häufig vorkam, also konnte Frau
Heilwig wohl zufrieden sein und sie war es sicherlich. Zwei Söhne hatte sie,
ein Töchterchen und eine große Gutswirtschaft, viel Arbeit und Mühe. Da
war es nicht verwunderlich, daß Frau Heilwig sich nicht unterschied von
anderen Edelfrauen; daß sie schaffte und sorgte und auch wohl einmal mit
der Peitsche dreinschlug, wo sie meinte, es nötig zu haben. Noch immer
zog Gesinde! einher, machte die Leibeigenen aufsässig, und suchte zu stehlen
und zu brennen, wo es anging. Denn irgendwo war ja immer Krieg, und
was heimatlos oder angeschossen war, das lebte vogelfrei und schadete wie
Ungeziefer. Jeder Edelhof hatte sein Gefängnis, in dem die Landstreicher
eine Hungerkur durchmachten, wenn man sie nicht aufhängte.

Und einmal war der Turm zu Schierensee fast voll. Von allen Seiten,
vor allem von Hamburg her, waren Landstreicher gekommen, und der Vogt
rang die Hände. Denn allein wagte er doch nicht, an den Malefikanten ein
Urteil zu vollstrecken, und der Herr von Sehestedt war auf eine Jagd im öst¬
lichen Holstein geritten, und niemand wußte, wann er heimkehrte. Die edle
Frau aber, die sonst das Urteil sprach, hatte an anderes zu denken. Ihr kleines


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/90>, abgerufen am 15.06.2024.