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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Hexe von Mayen

für eine Jungfrau, allem zu sein. Zumal, wenn sie eine Erbtochter ist und
ein Mann nach dem anderen das Gut haben will, und die Jungfrau als
Zugabe."

"Ich will Euch nicht als Zugabe," sagte er hastig. "Ich will --" sie machte
eine Bewegung.

"Ich weiß, Vetter, Ihr meint es gut, und daher bin ich bereit, Euer
Weib zu werden, wenn Ihr mich haben wollt und Eure Frau Mutter damit
einverstanden ist. Aber wir wollen nicht von Liebe reden. Ihr wißt, ich habe
sie anderswo vergeben."

"Er ist tot," murmelte er, und sie neigte den Kopf.

"Der Herr Vater hat es mir gesagt, und ich bin froh, daß er tapfer
gestorben ist -- ich wußte, er würde tapfer sein: er hatte wohl einen zarten
Leib, aber eine Seele aus Stahl."

"Ihr hättet bei ihm bleiben sollen!" rief Josias bitter, aber sie schüttelte
den Kopf.

"So meinte ich es nicht: von meinem Glauben konnte ich ebensowenig
lassen wie er. Aber er rettete mir das Leben und daher darf ich wohl an ihn
denken. Und dazu ist er tot -- aber, wenn Ihr meint, den Gedanken an ihn
bei mir nicht ertragen zu können, so sagt es offen. Mein Herr Vater wird
alsdann einen anderen Mann für mich wählen!"

Josias zupfte an den lang herabfallenden Spitzen vor seiner Hand.

"Eins muß ich noch sagen," begann er stockend. "Ich habe den Wiltberg
wohl fallen gesehen, aber dann mußte ich weiter. Die grauen Brüder haben
ihn mit anderen weggetragen."

Sie verstand ihn gleich.

"Ihr meint, er könnte noch leben?" Sie war rosenrot geworden und ihre
Augen nahmen einen hellen Schein an.

Dann legte sie die Hände zusammen.

"Möge Gott ihm die Gesundheit wiedergeben, sofern er noch lebt! Sonst--"
sie hielt inne und das Sprechen fiel ihr schwer. "Ich gönne ihm keinen
siechen Leib!"

Dann war es still zwischen den beiden. Vom Hofe her knallte eine Peitsche,
die rohe Stimme des Vogtes schalt, und irgend jemand lachte frech und gellend.

"Die Leibeigenen sind unbotmäßig," sagte Heilwig sich beherrschend.
"Die vielen Kriege haben sie wüst und trotzig gemacht, mein Vater ist fast
immer weg --"

"Es fehlt der Mann mit starker Hand!" sagte er und streckte seine Rechte
aus. Sie war hart und groß und über Heilwig kam es wie Furcht.

"Werdet Ihr auch gut zu mir sein?" fragte sie zaghaft.

Da bog er das Knie vor ihr und küßte ihr beide Hände.

"Ich darf es ja nicht sagen, aber ich liebe Euch sehr!"




Die Hexe von Mayen

für eine Jungfrau, allem zu sein. Zumal, wenn sie eine Erbtochter ist und
ein Mann nach dem anderen das Gut haben will, und die Jungfrau als
Zugabe."

„Ich will Euch nicht als Zugabe," sagte er hastig. „Ich will —" sie machte
eine Bewegung.

„Ich weiß, Vetter, Ihr meint es gut, und daher bin ich bereit, Euer
Weib zu werden, wenn Ihr mich haben wollt und Eure Frau Mutter damit
einverstanden ist. Aber wir wollen nicht von Liebe reden. Ihr wißt, ich habe
sie anderswo vergeben."

„Er ist tot," murmelte er, und sie neigte den Kopf.

„Der Herr Vater hat es mir gesagt, und ich bin froh, daß er tapfer
gestorben ist — ich wußte, er würde tapfer sein: er hatte wohl einen zarten
Leib, aber eine Seele aus Stahl."

„Ihr hättet bei ihm bleiben sollen!" rief Josias bitter, aber sie schüttelte
den Kopf.

„So meinte ich es nicht: von meinem Glauben konnte ich ebensowenig
lassen wie er. Aber er rettete mir das Leben und daher darf ich wohl an ihn
denken. Und dazu ist er tot — aber, wenn Ihr meint, den Gedanken an ihn
bei mir nicht ertragen zu können, so sagt es offen. Mein Herr Vater wird
alsdann einen anderen Mann für mich wählen!"

Josias zupfte an den lang herabfallenden Spitzen vor seiner Hand.

„Eins muß ich noch sagen," begann er stockend. „Ich habe den Wiltberg
wohl fallen gesehen, aber dann mußte ich weiter. Die grauen Brüder haben
ihn mit anderen weggetragen."

Sie verstand ihn gleich.

„Ihr meint, er könnte noch leben?" Sie war rosenrot geworden und ihre
Augen nahmen einen hellen Schein an.

Dann legte sie die Hände zusammen.

„Möge Gott ihm die Gesundheit wiedergeben, sofern er noch lebt! Sonst—"
sie hielt inne und das Sprechen fiel ihr schwer. „Ich gönne ihm keinen
siechen Leib!"

Dann war es still zwischen den beiden. Vom Hofe her knallte eine Peitsche,
die rohe Stimme des Vogtes schalt, und irgend jemand lachte frech und gellend.

„Die Leibeigenen sind unbotmäßig," sagte Heilwig sich beherrschend.
„Die vielen Kriege haben sie wüst und trotzig gemacht, mein Vater ist fast
immer weg —"

„Es fehlt der Mann mit starker Hand!" sagte er und streckte seine Rechte
aus. Sie war hart und groß und über Heilwig kam es wie Furcht.

„Werdet Ihr auch gut zu mir sein?" fragte sie zaghaft.

Da bog er das Knie vor ihr und küßte ihr beide Hände.

„Ich darf es ja nicht sagen, aber ich liebe Euch sehr!"




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[0089] Die Hexe von Mayen für eine Jungfrau, allem zu sein. Zumal, wenn sie eine Erbtochter ist und ein Mann nach dem anderen das Gut haben will, und die Jungfrau als Zugabe." „Ich will Euch nicht als Zugabe," sagte er hastig. „Ich will —" sie machte eine Bewegung. „Ich weiß, Vetter, Ihr meint es gut, und daher bin ich bereit, Euer Weib zu werden, wenn Ihr mich haben wollt und Eure Frau Mutter damit einverstanden ist. Aber wir wollen nicht von Liebe reden. Ihr wißt, ich habe sie anderswo vergeben." „Er ist tot," murmelte er, und sie neigte den Kopf. „Der Herr Vater hat es mir gesagt, und ich bin froh, daß er tapfer gestorben ist — ich wußte, er würde tapfer sein: er hatte wohl einen zarten Leib, aber eine Seele aus Stahl." „Ihr hättet bei ihm bleiben sollen!" rief Josias bitter, aber sie schüttelte den Kopf. „So meinte ich es nicht: von meinem Glauben konnte ich ebensowenig lassen wie er. Aber er rettete mir das Leben und daher darf ich wohl an ihn denken. Und dazu ist er tot — aber, wenn Ihr meint, den Gedanken an ihn bei mir nicht ertragen zu können, so sagt es offen. Mein Herr Vater wird alsdann einen anderen Mann für mich wählen!" Josias zupfte an den lang herabfallenden Spitzen vor seiner Hand. „Eins muß ich noch sagen," begann er stockend. „Ich habe den Wiltberg wohl fallen gesehen, aber dann mußte ich weiter. Die grauen Brüder haben ihn mit anderen weggetragen." Sie verstand ihn gleich. „Ihr meint, er könnte noch leben?" Sie war rosenrot geworden und ihre Augen nahmen einen hellen Schein an. Dann legte sie die Hände zusammen. „Möge Gott ihm die Gesundheit wiedergeben, sofern er noch lebt! Sonst—" sie hielt inne und das Sprechen fiel ihr schwer. „Ich gönne ihm keinen siechen Leib!" Dann war es still zwischen den beiden. Vom Hofe her knallte eine Peitsche, die rohe Stimme des Vogtes schalt, und irgend jemand lachte frech und gellend. „Die Leibeigenen sind unbotmäßig," sagte Heilwig sich beherrschend. „Die vielen Kriege haben sie wüst und trotzig gemacht, mein Vater ist fast immer weg —" „Es fehlt der Mann mit starker Hand!" sagte er und streckte seine Rechte aus. Sie war hart und groß und über Heilwig kam es wie Furcht. „Werdet Ihr auch gut zu mir sein?" fragte sie zaghaft. Da bog er das Knie vor ihr und küßte ihr beide Hände. „Ich darf es ja nicht sagen, aber ich liebe Euch sehr!"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/89>, abgerufen am 15.06.2024.