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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Karl Goedeke

Den Namen seines Freundes Schwab setzte er dem Werke "als Schutz und
Schmuck" voran, in dem er die Dichter des Zeitalters zu schildern hoffte, wie
sie sind.

So schwächlich auch seine Kritik Chamissos und Lenaus ist, so sehr er
Rückerts Bedeutung überschätzt, trefflich urteilt er über die schwäbische Schule,
zumal über Uhland, den "Dichter des deutschen Volkes, dessen edelste und wärmste
Natur sich in Uhlands Dichtungen spiegelt". Von treffender Schärfe und
Klarheit zeugt seine Kritik Heines, der in sich die zarteste Lieblichkeit und eine
dämonische Zersetzungslust, eine vornehme diplomatische Kälte und ein bequemes
Sichgehenlassen vereinige. Ahriman und Ormuzd lägen in ihm in beständigem
Kampfe, und in der Regel siege für den Moment der dunkle Geist. In den
angehängten Zeitgedichten gibt Goedeke vor allem eine ausgezeichnete Charakteristik
Arndts. Der in dem Werke durchgeführte Gedanke einer Auswahl nach Land¬
schaften erweist sich als vortrefflich. Bemerkenswert genug erscheint Goedekes
Rechtfertigung der Aufnahme elsässischer Dichtungen. Jedes deutsch geschriebene
Wort der Elsässer sei eine Mahnung an uns, das Elsaß nicht verloren zu geben;
jeder Vers von dorther, und wäre er in dem weichsten Liebeslied gesungen,
habe erst eine nationale, eine politische und dann erst eine poetische Bedeut¬
samkeit.

Um die Mitte der vierziger Jahre setzte Goedekes politische Tätigkeit ein.
Als Schriftleiter der Zeitung für Norddeutschland und vorübergehend auch der
Hannöverschen Presse brachte er seine gemäßigt liberalen Ideen zum Ausdruck,
die vorzüglich auf das Ziel einer nationalen Einigung aller deutschen Stämme
hinausliefen. So kam es denn, daß ihn 1848 die Hauptstadt Hannover als
Vertreter in die zweite Kammer sandte, die im Februar 1849 auf Grund der
zwischen dein liberalen Ministerium Stüve-Bennigsen und den Ständen ver¬
einbarten Verfassungsrevision vom 5. September 1848 zusammentrat. Die klein¬
deutschen Forderungen der Majorität und manche andere Wünsche führten jedoch
bald zum Kampfe mit dem Ministerium, so daß bereits am 15. März die Ver¬
tagung, am 25. April 1849 die Auflösung erfolgte. Im Auftrage der gesamten
Opposition verfaßte Goedeke hierauf die Schriften "Hannover und Deutschland.
Darstellung des Konflikts zwischen Regierung und Ständen in betreff der
deutschen Sache" und "Die Auslösung der zweiten Kammer". Bei den Neu¬
wahlen unterlag Goedeke, und eine spätere Wiederwahl ließ ihn politisch nicht
mehr hervortreten.

Die Märzereignisse des Jahres 1848 hatten Goedeke bei der Beschäftigung
mit der deutschen Dichtung des sechzehnten Jahrhunderts überrascht, die, in
ihrer ganzen Bedeutung zu erschließen, ihm vorbehalten blieb, und aus deren
Studium seine Schriften über den Satiriker und Fabeldichter Burkhard Waldis
(1852) und über den Baseler Dramatiker und Buchdrucker Pamphilus Gengen¬
bach (1856) erwuchsen. Hatte ihn seine politische Tätigkeit genötigt, jenem
Jahrhundert, dem ihn eine dumpfe, schwere Zeit zugeführt hatte, Valet zu sagen,


Karl Goedeke

Den Namen seines Freundes Schwab setzte er dem Werke „als Schutz und
Schmuck" voran, in dem er die Dichter des Zeitalters zu schildern hoffte, wie
sie sind.

So schwächlich auch seine Kritik Chamissos und Lenaus ist, so sehr er
Rückerts Bedeutung überschätzt, trefflich urteilt er über die schwäbische Schule,
zumal über Uhland, den „Dichter des deutschen Volkes, dessen edelste und wärmste
Natur sich in Uhlands Dichtungen spiegelt". Von treffender Schärfe und
Klarheit zeugt seine Kritik Heines, der in sich die zarteste Lieblichkeit und eine
dämonische Zersetzungslust, eine vornehme diplomatische Kälte und ein bequemes
Sichgehenlassen vereinige. Ahriman und Ormuzd lägen in ihm in beständigem
Kampfe, und in der Regel siege für den Moment der dunkle Geist. In den
angehängten Zeitgedichten gibt Goedeke vor allem eine ausgezeichnete Charakteristik
Arndts. Der in dem Werke durchgeführte Gedanke einer Auswahl nach Land¬
schaften erweist sich als vortrefflich. Bemerkenswert genug erscheint Goedekes
Rechtfertigung der Aufnahme elsässischer Dichtungen. Jedes deutsch geschriebene
Wort der Elsässer sei eine Mahnung an uns, das Elsaß nicht verloren zu geben;
jeder Vers von dorther, und wäre er in dem weichsten Liebeslied gesungen,
habe erst eine nationale, eine politische und dann erst eine poetische Bedeut¬
samkeit.

Um die Mitte der vierziger Jahre setzte Goedekes politische Tätigkeit ein.
Als Schriftleiter der Zeitung für Norddeutschland und vorübergehend auch der
Hannöverschen Presse brachte er seine gemäßigt liberalen Ideen zum Ausdruck,
die vorzüglich auf das Ziel einer nationalen Einigung aller deutschen Stämme
hinausliefen. So kam es denn, daß ihn 1848 die Hauptstadt Hannover als
Vertreter in die zweite Kammer sandte, die im Februar 1849 auf Grund der
zwischen dein liberalen Ministerium Stüve-Bennigsen und den Ständen ver¬
einbarten Verfassungsrevision vom 5. September 1848 zusammentrat. Die klein¬
deutschen Forderungen der Majorität und manche andere Wünsche führten jedoch
bald zum Kampfe mit dem Ministerium, so daß bereits am 15. März die Ver¬
tagung, am 25. April 1849 die Auflösung erfolgte. Im Auftrage der gesamten
Opposition verfaßte Goedeke hierauf die Schriften „Hannover und Deutschland.
Darstellung des Konflikts zwischen Regierung und Ständen in betreff der
deutschen Sache" und „Die Auslösung der zweiten Kammer". Bei den Neu¬
wahlen unterlag Goedeke, und eine spätere Wiederwahl ließ ihn politisch nicht
mehr hervortreten.

Die Märzereignisse des Jahres 1848 hatten Goedeke bei der Beschäftigung
mit der deutschen Dichtung des sechzehnten Jahrhunderts überrascht, die, in
ihrer ganzen Bedeutung zu erschließen, ihm vorbehalten blieb, und aus deren
Studium seine Schriften über den Satiriker und Fabeldichter Burkhard Waldis
(1852) und über den Baseler Dramatiker und Buchdrucker Pamphilus Gengen¬
bach (1856) erwuchsen. Hatte ihn seine politische Tätigkeit genötigt, jenem
Jahrhundert, dem ihn eine dumpfe, schwere Zeit zugeführt hatte, Valet zu sagen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/97>, abgerufen am 15.06.2024.