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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Karl Goedeke

Unterrichtsminister Falk eine außerordentliche Professur an der Göttinger Uni¬
versität. Neben der Herausgabe von Goethes, Schillers und Lessings Werken
verdient noch der Sonderabdruck der im "Grundriß" enthaltenen Biographien
Goethes und Schivers sowie das Werk "Goethes Leben und Schriften" (1874)
Erwähnung. In den Jahren 1867 bis 1876 gab Goedeke die historisch-kritische
Schillerausgabe in fünfzehn Teilen heraus, die sich besonders durch die reiche
Erschließung des Nachlasses auszeichnet. Hieran schloß sich die Edierung von
Schillers Briefwechsel mit Körner (1874) und von Schillers Geschäftsbriefen
(1875). Einige Jahre früher hatte Goedeke den ersten Band einer Biographie
seines Freundes Emanuel Geibel erscheinen lassen, der jedoch seitens des Dichters
eine entschiedene Ablehnung erfuhr und daher trotz seiner Gediegenheit eine
Fortsetzung nicht fand. Auf Vorschlag seines Verlegers gab er dann in den
Jahren 1884 bis 1887 die völlig umgearbeitete und vervollständigte zweite
Auflage des "Grundrisses" heraus, die er selbst nur bis zum ersten Auftreten
Klopstocks zu führen vermochte, da ihm mitten in den Vorbereitungen zu dem
vierten Bande am 28. Oktober 1887 der Tod den Griffel aus der Hand nahm.
Unter Goezes Leitung erfolgte im Sinne Goedekes die Fortsetzung der zweiten
Auflage, die 1907 abgeschlossen wurde. Heute liegt die Abteilung über Goethe
bereits in dritter Auflage vor, und wesentliche Teile des Werkes, die der Neu¬
bearbeitung bedürfen, sollen in den nächsten Jahren gleichfalls neu aufgelegt
werden. Vor allem aber ist man unter Franz Munckers Leitung an die Fort¬
setzung des "Grundrisses" über 1830 hinaus gegangen, wofür Goedeke nur wenig
Material gesammelt hatte. In den nächsten Jahren soll die jene Dichter um¬
fassende Abteilung erscheinen, deren erste Schriften in die Zeit zwischen 1830
und 1848 fallen. So wird das Werk allmählich einen Ausbau bis zum Jahre
1900 erfahren und in diesem Umfange einen geradezu einzigartigen Beweis
deutschen Forscherfleißes darstellen. Erst recht gilt heute das Wort, das 1857
der Germanist Pfeiffer über den "Grundriß" ausgesprochen hat: "Goedekes
Buch ist eins von denen, die nicht bloß ihrem Verfasser, sondern auch unserer
Literatur zur bleibenden Zierde gereichen."

Bei aller Anerkennung seiner Verdienste um die Entwicklung der deutschen
Literaturwissenschaft blieb Goedeke eine übergroße Bescheidenheit und Einfachheit
eigen, und nur selten trat er aus jener Zurückgezogenheit heraus, in der er,
zumal seit dem Tode seines Sohnes, allein seiner Wissenschaft hingegeben, lebte.
Wohl nichts charakterisiert das anziehende Wesen des Menschen Goedeke besser
als der zweite Teil seines Sonetts "Verborgenheit":




Karl Goedeke

Unterrichtsminister Falk eine außerordentliche Professur an der Göttinger Uni¬
versität. Neben der Herausgabe von Goethes, Schillers und Lessings Werken
verdient noch der Sonderabdruck der im „Grundriß" enthaltenen Biographien
Goethes und Schivers sowie das Werk „Goethes Leben und Schriften" (1874)
Erwähnung. In den Jahren 1867 bis 1876 gab Goedeke die historisch-kritische
Schillerausgabe in fünfzehn Teilen heraus, die sich besonders durch die reiche
Erschließung des Nachlasses auszeichnet. Hieran schloß sich die Edierung von
Schillers Briefwechsel mit Körner (1874) und von Schillers Geschäftsbriefen
(1875). Einige Jahre früher hatte Goedeke den ersten Band einer Biographie
seines Freundes Emanuel Geibel erscheinen lassen, der jedoch seitens des Dichters
eine entschiedene Ablehnung erfuhr und daher trotz seiner Gediegenheit eine
Fortsetzung nicht fand. Auf Vorschlag seines Verlegers gab er dann in den
Jahren 1884 bis 1887 die völlig umgearbeitete und vervollständigte zweite
Auflage des „Grundrisses" heraus, die er selbst nur bis zum ersten Auftreten
Klopstocks zu führen vermochte, da ihm mitten in den Vorbereitungen zu dem
vierten Bande am 28. Oktober 1887 der Tod den Griffel aus der Hand nahm.
Unter Goezes Leitung erfolgte im Sinne Goedekes die Fortsetzung der zweiten
Auflage, die 1907 abgeschlossen wurde. Heute liegt die Abteilung über Goethe
bereits in dritter Auflage vor, und wesentliche Teile des Werkes, die der Neu¬
bearbeitung bedürfen, sollen in den nächsten Jahren gleichfalls neu aufgelegt
werden. Vor allem aber ist man unter Franz Munckers Leitung an die Fort¬
setzung des „Grundrisses" über 1830 hinaus gegangen, wofür Goedeke nur wenig
Material gesammelt hatte. In den nächsten Jahren soll die jene Dichter um¬
fassende Abteilung erscheinen, deren erste Schriften in die Zeit zwischen 1830
und 1848 fallen. So wird das Werk allmählich einen Ausbau bis zum Jahre
1900 erfahren und in diesem Umfange einen geradezu einzigartigen Beweis
deutschen Forscherfleißes darstellen. Erst recht gilt heute das Wort, das 1857
der Germanist Pfeiffer über den „Grundriß" ausgesprochen hat: „Goedekes
Buch ist eins von denen, die nicht bloß ihrem Verfasser, sondern auch unserer
Literatur zur bleibenden Zierde gereichen."

Bei aller Anerkennung seiner Verdienste um die Entwicklung der deutschen
Literaturwissenschaft blieb Goedeke eine übergroße Bescheidenheit und Einfachheit
eigen, und nur selten trat er aus jener Zurückgezogenheit heraus, in der er,
zumal seit dem Tode seines Sohnes, allein seiner Wissenschaft hingegeben, lebte.
Wohl nichts charakterisiert das anziehende Wesen des Menschen Goedeke besser
als der zweite Teil seines Sonetts „Verborgenheit":




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[0099] Karl Goedeke Unterrichtsminister Falk eine außerordentliche Professur an der Göttinger Uni¬ versität. Neben der Herausgabe von Goethes, Schillers und Lessings Werken verdient noch der Sonderabdruck der im „Grundriß" enthaltenen Biographien Goethes und Schivers sowie das Werk „Goethes Leben und Schriften" (1874) Erwähnung. In den Jahren 1867 bis 1876 gab Goedeke die historisch-kritische Schillerausgabe in fünfzehn Teilen heraus, die sich besonders durch die reiche Erschließung des Nachlasses auszeichnet. Hieran schloß sich die Edierung von Schillers Briefwechsel mit Körner (1874) und von Schillers Geschäftsbriefen (1875). Einige Jahre früher hatte Goedeke den ersten Band einer Biographie seines Freundes Emanuel Geibel erscheinen lassen, der jedoch seitens des Dichters eine entschiedene Ablehnung erfuhr und daher trotz seiner Gediegenheit eine Fortsetzung nicht fand. Auf Vorschlag seines Verlegers gab er dann in den Jahren 1884 bis 1887 die völlig umgearbeitete und vervollständigte zweite Auflage des „Grundrisses" heraus, die er selbst nur bis zum ersten Auftreten Klopstocks zu führen vermochte, da ihm mitten in den Vorbereitungen zu dem vierten Bande am 28. Oktober 1887 der Tod den Griffel aus der Hand nahm. Unter Goezes Leitung erfolgte im Sinne Goedekes die Fortsetzung der zweiten Auflage, die 1907 abgeschlossen wurde. Heute liegt die Abteilung über Goethe bereits in dritter Auflage vor, und wesentliche Teile des Werkes, die der Neu¬ bearbeitung bedürfen, sollen in den nächsten Jahren gleichfalls neu aufgelegt werden. Vor allem aber ist man unter Franz Munckers Leitung an die Fort¬ setzung des „Grundrisses" über 1830 hinaus gegangen, wofür Goedeke nur wenig Material gesammelt hatte. In den nächsten Jahren soll die jene Dichter um¬ fassende Abteilung erscheinen, deren erste Schriften in die Zeit zwischen 1830 und 1848 fallen. So wird das Werk allmählich einen Ausbau bis zum Jahre 1900 erfahren und in diesem Umfange einen geradezu einzigartigen Beweis deutschen Forscherfleißes darstellen. Erst recht gilt heute das Wort, das 1857 der Germanist Pfeiffer über den „Grundriß" ausgesprochen hat: „Goedekes Buch ist eins von denen, die nicht bloß ihrem Verfasser, sondern auch unserer Literatur zur bleibenden Zierde gereichen." Bei aller Anerkennung seiner Verdienste um die Entwicklung der deutschen Literaturwissenschaft blieb Goedeke eine übergroße Bescheidenheit und Einfachheit eigen, und nur selten trat er aus jener Zurückgezogenheit heraus, in der er, zumal seit dem Tode seines Sohnes, allein seiner Wissenschaft hingegeben, lebte. Wohl nichts charakterisiert das anziehende Wesen des Menschen Goedeke besser als der zweite Teil seines Sonetts „Verborgenheit":

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/99>, abgerufen am 15.06.2024.