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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Das slmvischi: Uulturxroblem

des Halbmonds und des Kreuzes, ohne moralische, einheitlich führende Idee.
Eine schreckliche Zeit sür unser Gewissen, nachdem es das Glück der bogumilischen
Redlichkeit und Freiheit gekostet hatte! Seit dieser Zeit moralischen Falls
vermochten wir bis zum heutigen Tage nicht mehr als ein Ganzes eine
kulturelle Eigenart zu entwickeln. Nur diejenigen, welche sich aus unserer Mitte
retteten und ihr Seelenheil im Westen suchten, wo das Bogumilentum weiter
wuchs, fanden sich und fanden die Wege zu wahrer Kultivierung. Solche
Ausnahmen sind Marcus Marukuh, dessen Schriften man aus dem Lateinischen
in die europäischen Weltsprachen übersetzte, und Flaccius Jlluricus, den
Deutschland als einen seiner hervorragendsten Lehrer nach Luther anerkennt.
Diese Männer sind in der Seele Bogumilen und nichts anderes, Nachfolger
Christi. In ihnen war die Fähigkeit zur Arbeit nicht gering und sie bewogen
die größten und besten Kultnrarbeitcr zur Nachfolge.

Entsteht eine moralische Wendung im Innern des Südslawentums, so wird
sich das Südslawentum wieder zu einer Kultureinheit konsolidieren und der
Geschichte wieder mit seinen Talenten seinen Tribut zahlen. Geht unser Streben
aber nach der Halbkultur, so werden wir zugrunde gehen. Dies ist nicht
hinter dem "grünen Tisch" gesagt, ist nicht Tolstoismus, sondern lebendiges
Bedürfnis. Unser gefährlichster Feind ist jener mächtige Haramija, der in uns
durch Jahrhunderte gewachsen und gewachsen ist. Ihn gilt es zu überwältigen,
denn er ist der Verräter und böse Feind der slawischen Kultur. Er reicht
Griechen, Rumänen, Magyaren die Hand, wenn sie ihm nur zu Opfer und Beute
Gelegenheit geben. Der Teufel ist überall dumm. Mit ihm läßt sich nicht
streiten. Es gilt das zu tun, was ihm durchaus mißfällt. Einzig das Bogu¬
milentum hat sich ihm bei uns durch Taten widersetzt. Die ureinfache bogu-
milische Lehre schlich sich in eine altslawische Gemeinde im Süden, in Ragusa,
ein. Ragusa ist ein Muster südslawischer Kultur. Unsere Zeiten können in
der Politik von den alten Ragusanern lernen.

Die Ragusaner nahmen sich die Bogumilen zum Borbilde, und diese waren
nichts anderes als die heutigen englischen Puritaner: ehrenfeste und kultivierte
Menschen, welche den Reichtum als Ergebnis der Kulturarbeit und als Mittel
zur Arbeit schätzten. Die Ragusaner predigten unter sich die Idee der Freiheit
auf Grundlage der Gerechtigkeit, und nicht auf Grundlage militärischer Macht.
Ihr Gott war in der Gerechtigkeit und nicht in der Gewalt. Ihre Sprache
kannte Schmäh- und Schimpfworte nicht. Einzig Ragusa außer Venedig,
-- dem es der äußeren Organisation nach so ähnlich ist -- verfolgte Menschen
eines anderen Glaubensbekenntnisses wegen nicht. Die mgusäische Toleranz
war vollkommen, der ragusäische Katholizismus war nur eine Äußerlichkeit, die
Firma, unter der sie mit der Welt verkehrten. Im Herzen waren die Ragusaner
etwas anderes, sie waren Philosophen, Christen, Weise. In Ragusa fand der
vertriebene Bogumile Schutz, der in der Zeit asiatischer Überfälle von Norden
und Süden einen ruhigen Zufluchtsort suchte, wo er vernünftig leben konnte. Es


Das slmvischi: Uulturxroblem

des Halbmonds und des Kreuzes, ohne moralische, einheitlich führende Idee.
Eine schreckliche Zeit sür unser Gewissen, nachdem es das Glück der bogumilischen
Redlichkeit und Freiheit gekostet hatte! Seit dieser Zeit moralischen Falls
vermochten wir bis zum heutigen Tage nicht mehr als ein Ganzes eine
kulturelle Eigenart zu entwickeln. Nur diejenigen, welche sich aus unserer Mitte
retteten und ihr Seelenheil im Westen suchten, wo das Bogumilentum weiter
wuchs, fanden sich und fanden die Wege zu wahrer Kultivierung. Solche
Ausnahmen sind Marcus Marukuh, dessen Schriften man aus dem Lateinischen
in die europäischen Weltsprachen übersetzte, und Flaccius Jlluricus, den
Deutschland als einen seiner hervorragendsten Lehrer nach Luther anerkennt.
Diese Männer sind in der Seele Bogumilen und nichts anderes, Nachfolger
Christi. In ihnen war die Fähigkeit zur Arbeit nicht gering und sie bewogen
die größten und besten Kultnrarbeitcr zur Nachfolge.

Entsteht eine moralische Wendung im Innern des Südslawentums, so wird
sich das Südslawentum wieder zu einer Kultureinheit konsolidieren und der
Geschichte wieder mit seinen Talenten seinen Tribut zahlen. Geht unser Streben
aber nach der Halbkultur, so werden wir zugrunde gehen. Dies ist nicht
hinter dem „grünen Tisch" gesagt, ist nicht Tolstoismus, sondern lebendiges
Bedürfnis. Unser gefährlichster Feind ist jener mächtige Haramija, der in uns
durch Jahrhunderte gewachsen und gewachsen ist. Ihn gilt es zu überwältigen,
denn er ist der Verräter und böse Feind der slawischen Kultur. Er reicht
Griechen, Rumänen, Magyaren die Hand, wenn sie ihm nur zu Opfer und Beute
Gelegenheit geben. Der Teufel ist überall dumm. Mit ihm läßt sich nicht
streiten. Es gilt das zu tun, was ihm durchaus mißfällt. Einzig das Bogu¬
milentum hat sich ihm bei uns durch Taten widersetzt. Die ureinfache bogu-
milische Lehre schlich sich in eine altslawische Gemeinde im Süden, in Ragusa,
ein. Ragusa ist ein Muster südslawischer Kultur. Unsere Zeiten können in
der Politik von den alten Ragusanern lernen.

Die Ragusaner nahmen sich die Bogumilen zum Borbilde, und diese waren
nichts anderes als die heutigen englischen Puritaner: ehrenfeste und kultivierte
Menschen, welche den Reichtum als Ergebnis der Kulturarbeit und als Mittel
zur Arbeit schätzten. Die Ragusaner predigten unter sich die Idee der Freiheit
auf Grundlage der Gerechtigkeit, und nicht auf Grundlage militärischer Macht.
Ihr Gott war in der Gerechtigkeit und nicht in der Gewalt. Ihre Sprache
kannte Schmäh- und Schimpfworte nicht. Einzig Ragusa außer Venedig,
— dem es der äußeren Organisation nach so ähnlich ist — verfolgte Menschen
eines anderen Glaubensbekenntnisses wegen nicht. Die mgusäische Toleranz
war vollkommen, der ragusäische Katholizismus war nur eine Äußerlichkeit, die
Firma, unter der sie mit der Welt verkehrten. Im Herzen waren die Ragusaner
etwas anderes, sie waren Philosophen, Christen, Weise. In Ragusa fand der
vertriebene Bogumile Schutz, der in der Zeit asiatischer Überfälle von Norden
und Süden einen ruhigen Zufluchtsort suchte, wo er vernünftig leben konnte. Es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/160>, abgerufen am 15.06.2024.