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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Das slawische Kulten Problem

gelang ihm, sich zu bereichern, ehrenhaft und gerecht zu bleiben und andere zu
lehren, "sich Gott zu ergeben, nachzudenken und in Ruhe und Liebe zu leben."
Ragusa hat mit bogumilischen Grundsätzen ein Beispiel wahrer Kultur ver¬
wirklicht. Seine Schönheit besteht in Reinheit und Freiheit, diesem echt
bogumilischen Ideal.

Der Charakter der Südslawen hat sich auf dieser Basis zu erneuern. Die
falsche Grundlage führt die Slawen vom Slawentum ab, die echte leitet sie zu
ihm zurück. Niemand vermag seinen: Volke ein Bild der Zukunft in deutlichen
Anschauungen zu zeichnen, und ihm ein genaues Programm zu geben, denn
ein Volk ist nicht das Werk eines theoretischen Entwurfs. Aber die Richtung
läßt sich angeben, in der es schon mit Erfolg eiwas Eigenes geschaffen hat.

Der Südslawe ist geistig ungemein reich -- ein vielverzweigter Stamm.
Leidenschaftlich, sentimental, unbeständig; aber immer, wenn er sich selbst zu
beschneiden, zu beherrschen begonnen hat -- ohne zu warten, daß ein anderer
dies mit ihm tat -- schlug seine ganze Kraft die Richtung aufs Geistige.
Schaffende, Schöpferische ein, und die Früchte dieser Selbstbestimmung waren
überall die besten und schönsten, und was das wertvollste ist -- eigenwüchsig.
Wann immer der Südslawe die Grundsätze des Bogumilentums als seine "Heer-
führer und Könige" erkannte, schritt er vorwärts.

Als man die Naja fragte, wieviel sie dem Aga an Jahreszins gäbe,
antwortete sie: "Wir haben keine Zeit, Dir alles aufzuzählen, was wir geben,
aber wir können Dir sagen, was wir nicht geben." -- Was also gebt ihr
nicht? -- "Die Seele" -- sagten sie.

Diese Seele also gilt es zu finden!




Das slawische Kulten Problem

gelang ihm, sich zu bereichern, ehrenhaft und gerecht zu bleiben und andere zu
lehren, „sich Gott zu ergeben, nachzudenken und in Ruhe und Liebe zu leben."
Ragusa hat mit bogumilischen Grundsätzen ein Beispiel wahrer Kultur ver¬
wirklicht. Seine Schönheit besteht in Reinheit und Freiheit, diesem echt
bogumilischen Ideal.

Der Charakter der Südslawen hat sich auf dieser Basis zu erneuern. Die
falsche Grundlage führt die Slawen vom Slawentum ab, die echte leitet sie zu
ihm zurück. Niemand vermag seinen: Volke ein Bild der Zukunft in deutlichen
Anschauungen zu zeichnen, und ihm ein genaues Programm zu geben, denn
ein Volk ist nicht das Werk eines theoretischen Entwurfs. Aber die Richtung
läßt sich angeben, in der es schon mit Erfolg eiwas Eigenes geschaffen hat.

Der Südslawe ist geistig ungemein reich — ein vielverzweigter Stamm.
Leidenschaftlich, sentimental, unbeständig; aber immer, wenn er sich selbst zu
beschneiden, zu beherrschen begonnen hat — ohne zu warten, daß ein anderer
dies mit ihm tat — schlug seine ganze Kraft die Richtung aufs Geistige.
Schaffende, Schöpferische ein, und die Früchte dieser Selbstbestimmung waren
überall die besten und schönsten, und was das wertvollste ist — eigenwüchsig.
Wann immer der Südslawe die Grundsätze des Bogumilentums als seine „Heer-
führer und Könige" erkannte, schritt er vorwärts.

Als man die Naja fragte, wieviel sie dem Aga an Jahreszins gäbe,
antwortete sie: „Wir haben keine Zeit, Dir alles aufzuzählen, was wir geben,
aber wir können Dir sagen, was wir nicht geben." — Was also gebt ihr
nicht? — „Die Seele" — sagten sie.

Diese Seele also gilt es zu finden!




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[0161] Das slawische Kulten Problem gelang ihm, sich zu bereichern, ehrenhaft und gerecht zu bleiben und andere zu lehren, „sich Gott zu ergeben, nachzudenken und in Ruhe und Liebe zu leben." Ragusa hat mit bogumilischen Grundsätzen ein Beispiel wahrer Kultur ver¬ wirklicht. Seine Schönheit besteht in Reinheit und Freiheit, diesem echt bogumilischen Ideal. Der Charakter der Südslawen hat sich auf dieser Basis zu erneuern. Die falsche Grundlage führt die Slawen vom Slawentum ab, die echte leitet sie zu ihm zurück. Niemand vermag seinen: Volke ein Bild der Zukunft in deutlichen Anschauungen zu zeichnen, und ihm ein genaues Programm zu geben, denn ein Volk ist nicht das Werk eines theoretischen Entwurfs. Aber die Richtung läßt sich angeben, in der es schon mit Erfolg eiwas Eigenes geschaffen hat. Der Südslawe ist geistig ungemein reich — ein vielverzweigter Stamm. Leidenschaftlich, sentimental, unbeständig; aber immer, wenn er sich selbst zu beschneiden, zu beherrschen begonnen hat — ohne zu warten, daß ein anderer dies mit ihm tat — schlug seine ganze Kraft die Richtung aufs Geistige. Schaffende, Schöpferische ein, und die Früchte dieser Selbstbestimmung waren überall die besten und schönsten, und was das wertvollste ist — eigenwüchsig. Wann immer der Südslawe die Grundsätze des Bogumilentums als seine „Heer- führer und Könige" erkannte, schritt er vorwärts. Als man die Naja fragte, wieviel sie dem Aga an Jahreszins gäbe, antwortete sie: „Wir haben keine Zeit, Dir alles aufzuzählen, was wir geben, aber wir können Dir sagen, was wir nicht geben." — Was also gebt ihr nicht? — „Die Seele" — sagten sie. Diese Seele also gilt es zu finden!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/161>, abgerufen am 22.05.2024.