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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Die Immatrikulation von Angehörigen feindlicher Staaten

bürgerrechts Ämter an deutschen Schulen bekleiden, und später wird keine
Milderung darin eintreten. Man erinnere sich ferner an die Bedeutung des
Besitzes des fremden Bürgerrechts in wirtschaftlicher Beziehung. Deutsche, die
ganz ungehindert ein Vermögen in Rußland oder England gewinnen wollten,
bedurften dazu oft des fremden Bürgerrechts. Und sie sind auch heute
genötigt, dies fremde Bürgerrecht zu behaupten, weil sie sonst Gefahr laufen, daß
ihnen ihr Besitz genommen wird. Wenn alle diejenigen deutschen Stammes-
angehörigen, die das russische Staatsbürgerrecht aus äußeren Gründen erworben
haben oder festhalten, es heute aufgeben wollten, so würde das einfach eine
riesige Schädigung des deutschen Volkswohlstandes bedeuten. Wir haben keine
Veranlassung, dem fremden Staat den Raub deutschen Vermögens dadurch zu
erleichtern, daß wir gute Deutsche nötigen, ihr russisches Staatsbürgerrecht --
das für sie nur Form ist -- aufzugeben. Ich kenne eine deutsche Stadt, in
der zu den Hauptwohltätern zwei Deutsche gehören, die in uns heute feindlichen
Staaten ihr großes Vermögen gewonnen haben; sie geben stets in größtem Stil
und besonders auch für deutsche vaterländische Sachen. Wollte man sie jetzt
nötigen, ihre fremden Bürgerrechte aufzugeben, fo beraubte man die Stadt ihrer
besten Wohltäter und machte den feindlichen Staaten ein unbändiges Vergnügen.
Ich erinnere weiter an die russischen Staatsräte a. D. deutscher Nationalität,
die in Deutschland ihre russische Pension verzehren. Sollen wir sie nötigen, ihr
russisches Staatsbürgerrecht aufzugeben, damit Nußland ihnen später nicht die
Pension zu bezahlen braucht? Zu solchen Staatsräten gehörte auch Victor Hahn.
Er bezog mit Recht seine Pension; denn er hatte in Rußland für wahre Bildung
gesorgt. Als guter Kenner Rußlands war er natürlich ein scharfer Kritiker des
Russentums; er war einer der trefflichsten Deutschen, die je gelebt haben. Nach
dem Rezept, das manche heute empfehlen, müßte man ihn als Inhaber des
russischen Bürgerrechts einfach als Russen behandeln; eine deutsche Bibliothek
dürfte er nicht benutzen.

Ich habe mich in der angedeuteten Richtung mehrfach für Deutsche, die das
Bürgerrecht eines uns feindlichen Staates besitzen, verwendet und habe dabei
auch bei Behörden Verständnis gefunden. Allerdings nicht überall; das Ver¬
ständnis blieb gelegentlich gerade da aus, wo man starkes Entgegenkommen
erwarten sollte. Natürlich leitet mich bei meinem Eintreten für jene Inhaber
eines ausländischen Bürgerrechts nicht eine Hinneigung zu irgendeinem Inter¬
nationalismus. Ich habe nie in meinen: Leben auch nur eine halbe Sekunde
lang irgendeine Versuchung empfunden, mich einem Internationalismus hin¬
zugeben. Es ist vielmehr ausgeprägt nationaler Eifer, der mich leitet; zugleich
aber ist es, wie ich meine, auch die vollkommenste Forderung der Gerechtigkeit,
die hier vertreten wird.

Um zu der speziellen Frage der Immatrikulation auf den Universitäten
zurückzukehren, so lassen sich'leicht ein paar einfache Grundsätze für die Zu¬
lassung von Angehörigen feindlicher Staaten ausfindig machen. Zunächst muß


Die Immatrikulation von Angehörigen feindlicher Staaten

bürgerrechts Ämter an deutschen Schulen bekleiden, und später wird keine
Milderung darin eintreten. Man erinnere sich ferner an die Bedeutung des
Besitzes des fremden Bürgerrechts in wirtschaftlicher Beziehung. Deutsche, die
ganz ungehindert ein Vermögen in Rußland oder England gewinnen wollten,
bedurften dazu oft des fremden Bürgerrechts. Und sie sind auch heute
genötigt, dies fremde Bürgerrecht zu behaupten, weil sie sonst Gefahr laufen, daß
ihnen ihr Besitz genommen wird. Wenn alle diejenigen deutschen Stammes-
angehörigen, die das russische Staatsbürgerrecht aus äußeren Gründen erworben
haben oder festhalten, es heute aufgeben wollten, so würde das einfach eine
riesige Schädigung des deutschen Volkswohlstandes bedeuten. Wir haben keine
Veranlassung, dem fremden Staat den Raub deutschen Vermögens dadurch zu
erleichtern, daß wir gute Deutsche nötigen, ihr russisches Staatsbürgerrecht —
das für sie nur Form ist — aufzugeben. Ich kenne eine deutsche Stadt, in
der zu den Hauptwohltätern zwei Deutsche gehören, die in uns heute feindlichen
Staaten ihr großes Vermögen gewonnen haben; sie geben stets in größtem Stil
und besonders auch für deutsche vaterländische Sachen. Wollte man sie jetzt
nötigen, ihre fremden Bürgerrechte aufzugeben, fo beraubte man die Stadt ihrer
besten Wohltäter und machte den feindlichen Staaten ein unbändiges Vergnügen.
Ich erinnere weiter an die russischen Staatsräte a. D. deutscher Nationalität,
die in Deutschland ihre russische Pension verzehren. Sollen wir sie nötigen, ihr
russisches Staatsbürgerrecht aufzugeben, damit Nußland ihnen später nicht die
Pension zu bezahlen braucht? Zu solchen Staatsräten gehörte auch Victor Hahn.
Er bezog mit Recht seine Pension; denn er hatte in Rußland für wahre Bildung
gesorgt. Als guter Kenner Rußlands war er natürlich ein scharfer Kritiker des
Russentums; er war einer der trefflichsten Deutschen, die je gelebt haben. Nach
dem Rezept, das manche heute empfehlen, müßte man ihn als Inhaber des
russischen Bürgerrechts einfach als Russen behandeln; eine deutsche Bibliothek
dürfte er nicht benutzen.

Ich habe mich in der angedeuteten Richtung mehrfach für Deutsche, die das
Bürgerrecht eines uns feindlichen Staates besitzen, verwendet und habe dabei
auch bei Behörden Verständnis gefunden. Allerdings nicht überall; das Ver¬
ständnis blieb gelegentlich gerade da aus, wo man starkes Entgegenkommen
erwarten sollte. Natürlich leitet mich bei meinem Eintreten für jene Inhaber
eines ausländischen Bürgerrechts nicht eine Hinneigung zu irgendeinem Inter¬
nationalismus. Ich habe nie in meinen: Leben auch nur eine halbe Sekunde
lang irgendeine Versuchung empfunden, mich einem Internationalismus hin¬
zugeben. Es ist vielmehr ausgeprägt nationaler Eifer, der mich leitet; zugleich
aber ist es, wie ich meine, auch die vollkommenste Forderung der Gerechtigkeit,
die hier vertreten wird.

Um zu der speziellen Frage der Immatrikulation auf den Universitäten
zurückzukehren, so lassen sich'leicht ein paar einfache Grundsätze für die Zu¬
lassung von Angehörigen feindlicher Staaten ausfindig machen. Zunächst muß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/342>, abgerufen am 29.05.2024.