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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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GrunkZÜge für den Wiederaufbau Gstprenßens

und wird höchstens aus landwirtschaftlichen, nicht aber aus bautechnischen
Gründen notwendig. In ökonomischer Hinsicht werden bei dem Wiederaufbau
unter anderen auch die Erfahrungen der Praxis zu berücksichtigen sein, und zum
Beispiel Städte, die durch ihren Handel und ihre Industrie vor Anlegung des
Eisenbahnnetzes oder von Wasserstraßen eine gewisse Handels- oder industrie-
wirtschastliche Bedeutung besaßen, später aber infolge Umlegung der Träne
wieder zu landwirtschaftlichen Zentren wurden, eine Verkleinerung ihres früheren
Umfanges erfahren müssen. Durchaus mit Recht betont Oberpräsident von Batocki
unter Hinweis auf die folgenden Leitsätze der Regierung, daß der oberste
Grundsatz neben der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit äußerste Sparsamkeit sein
müsse, die jedoch keineswegs zu verhindern brauche, nach dem Auge wohlge¬
fälligen und sich dein Landschaftsbild anpassenden Formen zu streben. Die
Leitsätze machen folgende Forderungen geltend:

1. In verschiedenen Städten ist ein Umlegeverfahren notwendig, für welches
gesetzliche Grundlagen zu schaffen sind. In einzelnen Dörfern sind Anlegungen
zur Verbesserung der Verkehrsstraßen nötig.

2. In stark zerstörten Ortschaften werden Ortsstatute gegen Verunstaltung
zu erlassen fein.

3. Die Bauordnungen für das platte Land und vor allem für die Städte
sind durchzuarbeiten, besonders im Sinne der Wirtschaftlichkeit (Vermeidung
unnützer kostspieliger Anforderungen) und der Schönheit des Stadtbildes (Be¬
schränkung auf zwei Stockwerke, richtiger Anschluß an die Nebenhäuser, Be-
dachungsart). Die Festsetzung von Fluchtlinien, Hinteren Bebauungslinien und
Bauzonen ist zu erwägen.

4. Eine einheitliche Hauptbauberatungsstelle für die Provinz mit ihr unter¬
stellten örtlichen Organen ist erforderlich. Durch geordnete Heranziehung der
Bauberatungsstellen in die baupolizeilichen Angelegenheiten ist ihre Wirksamkeit
zu fördern. Schon bei der Festsetzung der Bauordnungen ist neben örtlichen
Sachverständigen die Hauptberatungsstelle heranzuziehen.

5. Ein Handinhandgehen der Staatsbauverwaltung mit der Hanptberatungs-
stelle zur einheitlichen Gestaltung der Stadtbilder ist erwünscht.

6. Die Anzahl der einzustellenden Bauberater ist nicht auf Beamte zu
beschränken. Auf praktische, technische und wirtschaftliche Erfahrung ist der
Hauptwert zu legen. Die Besoldung ist so zu regeln, daß wirklich geeignete
Kräfte gewonnen werden können.

7. Das Handwerk und die Architektenschaft der Provinz sind in erster
Linie zu berücksichtigen.

Dieses Programm des staatlichen Wiederaufbaues der Provinz Ostpreußen
stützt sich in der Hauptsache auf bereits in Kraft befindliche Rechtsgrundlagen,
fo unter anderem auf das Fluchtliniengesetz von 1875, das Gesetz über die
Verunstaltung von Ortschaften und die Isx Adickes. Soweit diese Rechtsgrund¬
lagen nicht ausreichen, ist ihre Erweiterung durch Erlaß von Ortsstatuten von


GrunkZÜge für den Wiederaufbau Gstprenßens

und wird höchstens aus landwirtschaftlichen, nicht aber aus bautechnischen
Gründen notwendig. In ökonomischer Hinsicht werden bei dem Wiederaufbau
unter anderen auch die Erfahrungen der Praxis zu berücksichtigen sein, und zum
Beispiel Städte, die durch ihren Handel und ihre Industrie vor Anlegung des
Eisenbahnnetzes oder von Wasserstraßen eine gewisse Handels- oder industrie-
wirtschastliche Bedeutung besaßen, später aber infolge Umlegung der Träne
wieder zu landwirtschaftlichen Zentren wurden, eine Verkleinerung ihres früheren
Umfanges erfahren müssen. Durchaus mit Recht betont Oberpräsident von Batocki
unter Hinweis auf die folgenden Leitsätze der Regierung, daß der oberste
Grundsatz neben der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit äußerste Sparsamkeit sein
müsse, die jedoch keineswegs zu verhindern brauche, nach dem Auge wohlge¬
fälligen und sich dein Landschaftsbild anpassenden Formen zu streben. Die
Leitsätze machen folgende Forderungen geltend:

1. In verschiedenen Städten ist ein Umlegeverfahren notwendig, für welches
gesetzliche Grundlagen zu schaffen sind. In einzelnen Dörfern sind Anlegungen
zur Verbesserung der Verkehrsstraßen nötig.

2. In stark zerstörten Ortschaften werden Ortsstatute gegen Verunstaltung
zu erlassen fein.

3. Die Bauordnungen für das platte Land und vor allem für die Städte
sind durchzuarbeiten, besonders im Sinne der Wirtschaftlichkeit (Vermeidung
unnützer kostspieliger Anforderungen) und der Schönheit des Stadtbildes (Be¬
schränkung auf zwei Stockwerke, richtiger Anschluß an die Nebenhäuser, Be-
dachungsart). Die Festsetzung von Fluchtlinien, Hinteren Bebauungslinien und
Bauzonen ist zu erwägen.

4. Eine einheitliche Hauptbauberatungsstelle für die Provinz mit ihr unter¬
stellten örtlichen Organen ist erforderlich. Durch geordnete Heranziehung der
Bauberatungsstellen in die baupolizeilichen Angelegenheiten ist ihre Wirksamkeit
zu fördern. Schon bei der Festsetzung der Bauordnungen ist neben örtlichen
Sachverständigen die Hauptberatungsstelle heranzuziehen.

5. Ein Handinhandgehen der Staatsbauverwaltung mit der Hanptberatungs-
stelle zur einheitlichen Gestaltung der Stadtbilder ist erwünscht.

6. Die Anzahl der einzustellenden Bauberater ist nicht auf Beamte zu
beschränken. Auf praktische, technische und wirtschaftliche Erfahrung ist der
Hauptwert zu legen. Die Besoldung ist so zu regeln, daß wirklich geeignete
Kräfte gewonnen werden können.

7. Das Handwerk und die Architektenschaft der Provinz sind in erster
Linie zu berücksichtigen.

Dieses Programm des staatlichen Wiederaufbaues der Provinz Ostpreußen
stützt sich in der Hauptsache auf bereits in Kraft befindliche Rechtsgrundlagen,
fo unter anderem auf das Fluchtliniengesetz von 1875, das Gesetz über die
Verunstaltung von Ortschaften und die Isx Adickes. Soweit diese Rechtsgrund¬
lagen nicht ausreichen, ist ihre Erweiterung durch Erlaß von Ortsstatuten von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/120>, abgerufen am 31.05.2024.