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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Sir Roger Lasoment

weichen. Es liegt eine kennzeichnende Bedeutsamkeit in dem Umstände, daß
diese Beurteilung unserer Lage in einem Maße zu einem Gemeinplatz unter
uns geworden ist, daß man ihre Wiederholung scheut. Der innere Grund
unserer Art ist hier wirksam geworden.

In dem großen Kampfe, den wir für Europa, den wir für Würde und
Wahrheit führen, bieten sich uns die Iren als treueste und stärkste Bundes¬
genossen. Was dieses Volk an Ungerechtigkeit und grausamer Härte durch
England erfuhr, ward noch nie völlig zur Darstellung gebracht. Ein Historiker
von Weltruf unternahm es aus rein wissenschaftlichem Interesse eine Geschichte
Irlands zu schreiben, aber die Kraft des Gemüts versagte ihm, er vermochte
die Last des Jammers nicht zu tragen, und das Werk blieb unvollendet. Eine
Geschichte Irlands, die nichts anderes als die Tatsachen vermeldet, kommt einer
vernichtenden Anklage gleich. Sir Roger Casement bringt die Sache seines
Volkes vor das Tribunal der deutschen Nation. Wo man für Gerechtigkeit
gegen Ungerechtigkeit, für die Wahrheit gegen die Lüge kämpft, muß nach seiner
Überzeugung die Stimme Irlands gehört werden. Und zugleich bietet uns
Sir Roger als Sprecher seines Volkes die irische Bundeshilfe in dem Weltkampfe.
An den deutschen Waffen ist es, die Möglichkeit eines Zusammenwirkens zu schaffen.

Sir Roger Casement tritt damit in schärfsten Gegensatz zu Redmond, dem
Jrenführer im englischen Parlament, der bereits den Mantel des irischen
Premiers auf seinen Schultern fühlt. Sir Roger will von keinen Kompromissen
etwas hören. Die Feinde Englands sind ihm die Freunde Irlands. Auf
Deutschland blickt er voll Vertrauen und Ehrfurcht, und Redmond, der zur
Förderung seiner politischen Ziele die Iren zum Eintritt in das englische Heer
ermuntert, wird von ihm als Verräter an der irischen Sache gebrandmarkt. Es
ist nicht zum wenigsten Sir Casements Werk, daß die Deutschen und Iren in
Amerika ihre alten Gegensätze vergessen haben, daß sie heute Seite an Seite
kämpfen gegen das Angelsachsentum, um mit vereinter Kraft eine Entscheidung
darüber herbeizuführen, ob die große Republik dem Weltkonflikte gegenüber
als englische Domäne sich gehaben kann. Und so stehen über die ganze Welt
die Iren auf und bieten uns die Hand zum Kampf gegen den gemeinsamen
Feind. -- I^IunL aut nunczuam! --

Ich kam ins Träumen, als ich unlängst mit dem großen Jrenführer
zusammensaß. In dem Rauche von Sir Rogers Pfeife sah ich wunderbare
Gestalten sich erheben. Mit Sang und Klang, mit Macht und Pracht stieg
eine alte versunkene Welt empor. Ich sah die Dichter, die Künstler und Gelehrten
des alten Irland wiederkehren; ich sah die grüne Insel sich füllen mit einem
freien und stolzen, mit einem glücklichen Volke. Ich hörte die Laute der alten
schönen Sprache.- die Sprache der Angelsachsen ward vergessen von den Söhnen
Erins, von den Millionen, die zerstreut über die Erde wohnen. -- In dem
Rauche von Sir Rogers Pfeife sah ich das Ideal der Angelsachsen, die englische
Welt, sich auflösen, das ganze Weltbild sich verwandeln, und Iren und Deutsche


Sir Roger Lasoment

weichen. Es liegt eine kennzeichnende Bedeutsamkeit in dem Umstände, daß
diese Beurteilung unserer Lage in einem Maße zu einem Gemeinplatz unter
uns geworden ist, daß man ihre Wiederholung scheut. Der innere Grund
unserer Art ist hier wirksam geworden.

In dem großen Kampfe, den wir für Europa, den wir für Würde und
Wahrheit führen, bieten sich uns die Iren als treueste und stärkste Bundes¬
genossen. Was dieses Volk an Ungerechtigkeit und grausamer Härte durch
England erfuhr, ward noch nie völlig zur Darstellung gebracht. Ein Historiker
von Weltruf unternahm es aus rein wissenschaftlichem Interesse eine Geschichte
Irlands zu schreiben, aber die Kraft des Gemüts versagte ihm, er vermochte
die Last des Jammers nicht zu tragen, und das Werk blieb unvollendet. Eine
Geschichte Irlands, die nichts anderes als die Tatsachen vermeldet, kommt einer
vernichtenden Anklage gleich. Sir Roger Casement bringt die Sache seines
Volkes vor das Tribunal der deutschen Nation. Wo man für Gerechtigkeit
gegen Ungerechtigkeit, für die Wahrheit gegen die Lüge kämpft, muß nach seiner
Überzeugung die Stimme Irlands gehört werden. Und zugleich bietet uns
Sir Roger als Sprecher seines Volkes die irische Bundeshilfe in dem Weltkampfe.
An den deutschen Waffen ist es, die Möglichkeit eines Zusammenwirkens zu schaffen.

Sir Roger Casement tritt damit in schärfsten Gegensatz zu Redmond, dem
Jrenführer im englischen Parlament, der bereits den Mantel des irischen
Premiers auf seinen Schultern fühlt. Sir Roger will von keinen Kompromissen
etwas hören. Die Feinde Englands sind ihm die Freunde Irlands. Auf
Deutschland blickt er voll Vertrauen und Ehrfurcht, und Redmond, der zur
Förderung seiner politischen Ziele die Iren zum Eintritt in das englische Heer
ermuntert, wird von ihm als Verräter an der irischen Sache gebrandmarkt. Es
ist nicht zum wenigsten Sir Casements Werk, daß die Deutschen und Iren in
Amerika ihre alten Gegensätze vergessen haben, daß sie heute Seite an Seite
kämpfen gegen das Angelsachsentum, um mit vereinter Kraft eine Entscheidung
darüber herbeizuführen, ob die große Republik dem Weltkonflikte gegenüber
als englische Domäne sich gehaben kann. Und so stehen über die ganze Welt
die Iren auf und bieten uns die Hand zum Kampf gegen den gemeinsamen
Feind. — I^IunL aut nunczuam! —

Ich kam ins Träumen, als ich unlängst mit dem großen Jrenführer
zusammensaß. In dem Rauche von Sir Rogers Pfeife sah ich wunderbare
Gestalten sich erheben. Mit Sang und Klang, mit Macht und Pracht stieg
eine alte versunkene Welt empor. Ich sah die Dichter, die Künstler und Gelehrten
des alten Irland wiederkehren; ich sah die grüne Insel sich füllen mit einem
freien und stolzen, mit einem glücklichen Volke. Ich hörte die Laute der alten
schönen Sprache.- die Sprache der Angelsachsen ward vergessen von den Söhnen
Erins, von den Millionen, die zerstreut über die Erde wohnen. — In dem
Rauche von Sir Rogers Pfeife sah ich das Ideal der Angelsachsen, die englische
Welt, sich auflösen, das ganze Weltbild sich verwandeln, und Iren und Deutsche


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[0260] Sir Roger Lasoment weichen. Es liegt eine kennzeichnende Bedeutsamkeit in dem Umstände, daß diese Beurteilung unserer Lage in einem Maße zu einem Gemeinplatz unter uns geworden ist, daß man ihre Wiederholung scheut. Der innere Grund unserer Art ist hier wirksam geworden. In dem großen Kampfe, den wir für Europa, den wir für Würde und Wahrheit führen, bieten sich uns die Iren als treueste und stärkste Bundes¬ genossen. Was dieses Volk an Ungerechtigkeit und grausamer Härte durch England erfuhr, ward noch nie völlig zur Darstellung gebracht. Ein Historiker von Weltruf unternahm es aus rein wissenschaftlichem Interesse eine Geschichte Irlands zu schreiben, aber die Kraft des Gemüts versagte ihm, er vermochte die Last des Jammers nicht zu tragen, und das Werk blieb unvollendet. Eine Geschichte Irlands, die nichts anderes als die Tatsachen vermeldet, kommt einer vernichtenden Anklage gleich. Sir Roger Casement bringt die Sache seines Volkes vor das Tribunal der deutschen Nation. Wo man für Gerechtigkeit gegen Ungerechtigkeit, für die Wahrheit gegen die Lüge kämpft, muß nach seiner Überzeugung die Stimme Irlands gehört werden. Und zugleich bietet uns Sir Roger als Sprecher seines Volkes die irische Bundeshilfe in dem Weltkampfe. An den deutschen Waffen ist es, die Möglichkeit eines Zusammenwirkens zu schaffen. Sir Roger Casement tritt damit in schärfsten Gegensatz zu Redmond, dem Jrenführer im englischen Parlament, der bereits den Mantel des irischen Premiers auf seinen Schultern fühlt. Sir Roger will von keinen Kompromissen etwas hören. Die Feinde Englands sind ihm die Freunde Irlands. Auf Deutschland blickt er voll Vertrauen und Ehrfurcht, und Redmond, der zur Förderung seiner politischen Ziele die Iren zum Eintritt in das englische Heer ermuntert, wird von ihm als Verräter an der irischen Sache gebrandmarkt. Es ist nicht zum wenigsten Sir Casements Werk, daß die Deutschen und Iren in Amerika ihre alten Gegensätze vergessen haben, daß sie heute Seite an Seite kämpfen gegen das Angelsachsentum, um mit vereinter Kraft eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ob die große Republik dem Weltkonflikte gegenüber als englische Domäne sich gehaben kann. Und so stehen über die ganze Welt die Iren auf und bieten uns die Hand zum Kampf gegen den gemeinsamen Feind. — I^IunL aut nunczuam! — Ich kam ins Träumen, als ich unlängst mit dem großen Jrenführer zusammensaß. In dem Rauche von Sir Rogers Pfeife sah ich wunderbare Gestalten sich erheben. Mit Sang und Klang, mit Macht und Pracht stieg eine alte versunkene Welt empor. Ich sah die Dichter, die Künstler und Gelehrten des alten Irland wiederkehren; ich sah die grüne Insel sich füllen mit einem freien und stolzen, mit einem glücklichen Volke. Ich hörte die Laute der alten schönen Sprache.- die Sprache der Angelsachsen ward vergessen von den Söhnen Erins, von den Millionen, die zerstreut über die Erde wohnen. — In dem Rauche von Sir Rogers Pfeife sah ich das Ideal der Angelsachsen, die englische Welt, sich auflösen, das ganze Weltbild sich verwandeln, und Iren und Deutsche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/260>, abgerufen am 30.05.2024.