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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Der Feind im "Osten

vermag. Diese Pflicht haben die drei Staaten zu erfüllen geglaubt, die Polen
unter sich teilten. Wir haben von der Gesamtheit der Ziele, denen die Entwicklung
des Menschengeschlechts zustrebt, keine Ahnung, doch so viel sehen wir, daß die
Herstellung geordneter und friedlicher Gemeinwesen eines dieser Ziele ist. Das
Ziel war vor dem großen Friedensbruch für Mittel- und Westeuropa, dessen
Kultur auf die Neue Welt übergegangen war und dort einen Parallelkreis geschaffen
hatte, nahezu erreicht. Von dem römischen orbi8 terrarum. dem ersten Anlauf
zum Ziele, unterscheidet sich der modern-europäische dadurch, daß er nicht aus
einem Gemisch absterbender Völker besteht, sondern aus einer Gruppe lebens¬
kräftiger, deren jedes seinen scharf ausgeprägten Charakter hat und die Kultur
mit eigentümlichen Gaben schmückt, unter denen die. welche unser allseitig begabtes
Volk der Mitte beiträgt, die reichsten, wertvollsten und edelsten sind. Daß wir
Europäer den asiatischen Russen gegenüber uns solidarisch fühlen müssen,
erkennen die Franzosen und Engländer noch nicht, weil sie einseitig begabt
und politisch falsch orientiert sind und weil ihre Schulbildung mangelhaft ist.
Der deutsche Schulmeister hat sie über ihre Stellung in der Welt zu belehren,
und der Kruppsche Bakel wird seinen Lehren Gehör schaffen.

Die wichtigste und nächste Ausgabe unserer Staatsmänner ist nun,
Deutschland gegen die russische Gefahr zu sichern und die Gelegenheit zur Er¬
weiterung unseres Nahrungs- und Tätigkeitsspielraums zu benutzen. Das
slawische Problem werden sie hoffentlich nicht im Sinne Prohaskas lösen:
"Rußland wird sich mit dem übrigen Slawentum zu einer Kultureinheit zu¬
sammenschließen, und das ganze Slawentum wird als eine Welt für sich
hervortreten mit seiner Lebensweisheit (?), feiner Kultur (?)." Die Westslawen
gehören zu Europa; sie wollen Europäer, nicht Asiaten sein, wie der Weltkrieg
erfreulicherweise offenbart.




Grenzboten I 19182
Der Feind im «Osten

vermag. Diese Pflicht haben die drei Staaten zu erfüllen geglaubt, die Polen
unter sich teilten. Wir haben von der Gesamtheit der Ziele, denen die Entwicklung
des Menschengeschlechts zustrebt, keine Ahnung, doch so viel sehen wir, daß die
Herstellung geordneter und friedlicher Gemeinwesen eines dieser Ziele ist. Das
Ziel war vor dem großen Friedensbruch für Mittel- und Westeuropa, dessen
Kultur auf die Neue Welt übergegangen war und dort einen Parallelkreis geschaffen
hatte, nahezu erreicht. Von dem römischen orbi8 terrarum. dem ersten Anlauf
zum Ziele, unterscheidet sich der modern-europäische dadurch, daß er nicht aus
einem Gemisch absterbender Völker besteht, sondern aus einer Gruppe lebens¬
kräftiger, deren jedes seinen scharf ausgeprägten Charakter hat und die Kultur
mit eigentümlichen Gaben schmückt, unter denen die. welche unser allseitig begabtes
Volk der Mitte beiträgt, die reichsten, wertvollsten und edelsten sind. Daß wir
Europäer den asiatischen Russen gegenüber uns solidarisch fühlen müssen,
erkennen die Franzosen und Engländer noch nicht, weil sie einseitig begabt
und politisch falsch orientiert sind und weil ihre Schulbildung mangelhaft ist.
Der deutsche Schulmeister hat sie über ihre Stellung in der Welt zu belehren,
und der Kruppsche Bakel wird seinen Lehren Gehör schaffen.

Die wichtigste und nächste Ausgabe unserer Staatsmänner ist nun,
Deutschland gegen die russische Gefahr zu sichern und die Gelegenheit zur Er¬
weiterung unseres Nahrungs- und Tätigkeitsspielraums zu benutzen. Das
slawische Problem werden sie hoffentlich nicht im Sinne Prohaskas lösen:
„Rußland wird sich mit dem übrigen Slawentum zu einer Kultureinheit zu¬
sammenschließen, und das ganze Slawentum wird als eine Welt für sich
hervortreten mit seiner Lebensweisheit (?), feiner Kultur (?)." Die Westslawen
gehören zu Europa; sie wollen Europäer, nicht Asiaten sein, wie der Weltkrieg
erfreulicherweise offenbart.




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[0029] Der Feind im «Osten vermag. Diese Pflicht haben die drei Staaten zu erfüllen geglaubt, die Polen unter sich teilten. Wir haben von der Gesamtheit der Ziele, denen die Entwicklung des Menschengeschlechts zustrebt, keine Ahnung, doch so viel sehen wir, daß die Herstellung geordneter und friedlicher Gemeinwesen eines dieser Ziele ist. Das Ziel war vor dem großen Friedensbruch für Mittel- und Westeuropa, dessen Kultur auf die Neue Welt übergegangen war und dort einen Parallelkreis geschaffen hatte, nahezu erreicht. Von dem römischen orbi8 terrarum. dem ersten Anlauf zum Ziele, unterscheidet sich der modern-europäische dadurch, daß er nicht aus einem Gemisch absterbender Völker besteht, sondern aus einer Gruppe lebens¬ kräftiger, deren jedes seinen scharf ausgeprägten Charakter hat und die Kultur mit eigentümlichen Gaben schmückt, unter denen die. welche unser allseitig begabtes Volk der Mitte beiträgt, die reichsten, wertvollsten und edelsten sind. Daß wir Europäer den asiatischen Russen gegenüber uns solidarisch fühlen müssen, erkennen die Franzosen und Engländer noch nicht, weil sie einseitig begabt und politisch falsch orientiert sind und weil ihre Schulbildung mangelhaft ist. Der deutsche Schulmeister hat sie über ihre Stellung in der Welt zu belehren, und der Kruppsche Bakel wird seinen Lehren Gehör schaffen. Die wichtigste und nächste Ausgabe unserer Staatsmänner ist nun, Deutschland gegen die russische Gefahr zu sichern und die Gelegenheit zur Er¬ weiterung unseres Nahrungs- und Tätigkeitsspielraums zu benutzen. Das slawische Problem werden sie hoffentlich nicht im Sinne Prohaskas lösen: „Rußland wird sich mit dem übrigen Slawentum zu einer Kultureinheit zu¬ sammenschließen, und das ganze Slawentum wird als eine Welt für sich hervortreten mit seiner Lebensweisheit (?), feiner Kultur (?)." Die Westslawen gehören zu Europa; sie wollen Europäer, nicht Asiaten sein, wie der Weltkrieg erfreulicherweise offenbart. Grenzboten I 19182

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/29>, abgerufen am 15.05.2024.