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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Rechtsfricden

amt mit dem Urkundamt oder Notariat in einer Hand zu dem von mir so genannten
Justiznotariat oder Urkund- und Friedensamt zu vereinigen, auch im Interesse
der leichteren Einführung der neuen Unter, einen gewissen Anspruch auf
Beachtung erheben darf. Bekanntlich ist das Notariat auch heute im größten
Teile Deutschlands und besonders Preußens nur ein Nebenamt, meist mit der
Ausübung der Rechtsanwaltschaft verbunden, zu der es -- ich verkenne nicht,
daß darüber vielfach noch eine abweichende Ansicht herrscht -- nach meiner Meinung
am wenigsten paßt, während es sich mit dem Friedensamte besonders gut
verträgt. Die Vereinigung beider Ämter in einer Hand hat aber auch
in diesem Falle den besonderen Vorzug, daß sich das Friedensamt durch
Hinzurechnung der Notariats-Gebühren, wenn nicht vollständig, so doch fast
vollständig ohne weitere Zuschüsse aus allgemeinen Staatsmitteln zu erhalten
vermag, zumal nach meinem Vorschlage das neue Justiznotariat auch die
gesammte Beurkundundungstätigkeit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts
wird erhalten müssen. -- Wenn damit das Notariat zu einem festbesoldetem
Staatsamte wird, so ist das nur ein Vorteil und geeignet, manche Unzuträglich¬
keiten zu beseitigen. Da es einerseits in den meisten deutschen Bundesstaaten
ein unmittelbares Staatsamt ist, anderseits aber bei dem direkten Gebühren-
bezuge in den Augen vieler mehr oder weniger den Charakter eines gut¬
gehenden Geschäfts angenommen hat, würde es bei der gedachten Neuregelung
seiner Zwitterstellung überhoben werden.

Daß eine solche Regelung auch den Erfolg haben würde, die heutigen drei
Juristenstände der Richter. Notare und Rechtsanwälte einander mehr zu nähern,
und der in dies oder jenes Amt hereinwachsenden Jugend -- Assessoren würden
sich bis zur festen Anstellung nicht nur bei den Gerichten und den Staats¬
anwaltschaften, sondern auch ohne Beurlaubung beim Justiznotariat beschäftigen
lassen können -- eine weit bessere praktische Fortbildung als heute zu geben,
ist mir nicht zweifelhaft, wie sie denn auch einen gesunden Stellenaustausch
zwischen den Richtern. Justiznotaren und Rechtsanwälten fördern würde, und
zwar mehr als es alle sonst noch so gut gemeinten Schriften und Festreden be¬
deutender Männer aus allen Kreisen der jetzigen Juristenstände zu tun vermögen.
Durch den Übertritt etwa des dritten Teils der heutigen Rechtsanwälte zum
Justiznotariat würden die verbleibenden Rechtsanwälte materiell nicht geschädigt
werden, wenn dementsprechend etwa auch der dritte Teil der Prozesse wegfällt.
Überdies würde schon mitRückficht aus den zu erwartenden und erwünschten Rückgang
der gerichtlichen Versäumnis- und Anerkenntnisurteile eine Gebührenerhöhung für
alle verbleibenden kontradiktorischen Prozesse notwendig gefordert werden
müssen und leicht erreichbar sein. -- Wenn andererseits den Richtern, namentlich
den höheren Instanzen durch Verminderung der Zahl der Prozesse mehr Zeit
zu einer gründlicheren Beweisaufnahme vor dem Prozeßgerichte selbst und mehr
Zeit zu einer gründlicheren Ausarbeitung der Urteile verbliebe, so würde auch
das nur als ein Vorteil der neuen Einrichtung zu begrüßen sein.


Rechtsfricden

amt mit dem Urkundamt oder Notariat in einer Hand zu dem von mir so genannten
Justiznotariat oder Urkund- und Friedensamt zu vereinigen, auch im Interesse
der leichteren Einführung der neuen Unter, einen gewissen Anspruch auf
Beachtung erheben darf. Bekanntlich ist das Notariat auch heute im größten
Teile Deutschlands und besonders Preußens nur ein Nebenamt, meist mit der
Ausübung der Rechtsanwaltschaft verbunden, zu der es — ich verkenne nicht,
daß darüber vielfach noch eine abweichende Ansicht herrscht — nach meiner Meinung
am wenigsten paßt, während es sich mit dem Friedensamte besonders gut
verträgt. Die Vereinigung beider Ämter in einer Hand hat aber auch
in diesem Falle den besonderen Vorzug, daß sich das Friedensamt durch
Hinzurechnung der Notariats-Gebühren, wenn nicht vollständig, so doch fast
vollständig ohne weitere Zuschüsse aus allgemeinen Staatsmitteln zu erhalten
vermag, zumal nach meinem Vorschlage das neue Justiznotariat auch die
gesammte Beurkundundungstätigkeit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts
wird erhalten müssen. — Wenn damit das Notariat zu einem festbesoldetem
Staatsamte wird, so ist das nur ein Vorteil und geeignet, manche Unzuträglich¬
keiten zu beseitigen. Da es einerseits in den meisten deutschen Bundesstaaten
ein unmittelbares Staatsamt ist, anderseits aber bei dem direkten Gebühren-
bezuge in den Augen vieler mehr oder weniger den Charakter eines gut¬
gehenden Geschäfts angenommen hat, würde es bei der gedachten Neuregelung
seiner Zwitterstellung überhoben werden.

Daß eine solche Regelung auch den Erfolg haben würde, die heutigen drei
Juristenstände der Richter. Notare und Rechtsanwälte einander mehr zu nähern,
und der in dies oder jenes Amt hereinwachsenden Jugend — Assessoren würden
sich bis zur festen Anstellung nicht nur bei den Gerichten und den Staats¬
anwaltschaften, sondern auch ohne Beurlaubung beim Justiznotariat beschäftigen
lassen können — eine weit bessere praktische Fortbildung als heute zu geben,
ist mir nicht zweifelhaft, wie sie denn auch einen gesunden Stellenaustausch
zwischen den Richtern. Justiznotaren und Rechtsanwälten fördern würde, und
zwar mehr als es alle sonst noch so gut gemeinten Schriften und Festreden be¬
deutender Männer aus allen Kreisen der jetzigen Juristenstände zu tun vermögen.
Durch den Übertritt etwa des dritten Teils der heutigen Rechtsanwälte zum
Justiznotariat würden die verbleibenden Rechtsanwälte materiell nicht geschädigt
werden, wenn dementsprechend etwa auch der dritte Teil der Prozesse wegfällt.
Überdies würde schon mitRückficht aus den zu erwartenden und erwünschten Rückgang
der gerichtlichen Versäumnis- und Anerkenntnisurteile eine Gebührenerhöhung für
alle verbleibenden kontradiktorischen Prozesse notwendig gefordert werden
müssen und leicht erreichbar sein. — Wenn andererseits den Richtern, namentlich
den höheren Instanzen durch Verminderung der Zahl der Prozesse mehr Zeit
zu einer gründlicheren Beweisaufnahme vor dem Prozeßgerichte selbst und mehr
Zeit zu einer gründlicheren Ausarbeitung der Urteile verbliebe, so würde auch
das nur als ein Vorteil der neuen Einrichtung zu begrüßen sein.


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[0350] Rechtsfricden amt mit dem Urkundamt oder Notariat in einer Hand zu dem von mir so genannten Justiznotariat oder Urkund- und Friedensamt zu vereinigen, auch im Interesse der leichteren Einführung der neuen Unter, einen gewissen Anspruch auf Beachtung erheben darf. Bekanntlich ist das Notariat auch heute im größten Teile Deutschlands und besonders Preußens nur ein Nebenamt, meist mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft verbunden, zu der es — ich verkenne nicht, daß darüber vielfach noch eine abweichende Ansicht herrscht — nach meiner Meinung am wenigsten paßt, während es sich mit dem Friedensamte besonders gut verträgt. Die Vereinigung beider Ämter in einer Hand hat aber auch in diesem Falle den besonderen Vorzug, daß sich das Friedensamt durch Hinzurechnung der Notariats-Gebühren, wenn nicht vollständig, so doch fast vollständig ohne weitere Zuschüsse aus allgemeinen Staatsmitteln zu erhalten vermag, zumal nach meinem Vorschlage das neue Justiznotariat auch die gesammte Beurkundundungstätigkeit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts wird erhalten müssen. — Wenn damit das Notariat zu einem festbesoldetem Staatsamte wird, so ist das nur ein Vorteil und geeignet, manche Unzuträglich¬ keiten zu beseitigen. Da es einerseits in den meisten deutschen Bundesstaaten ein unmittelbares Staatsamt ist, anderseits aber bei dem direkten Gebühren- bezuge in den Augen vieler mehr oder weniger den Charakter eines gut¬ gehenden Geschäfts angenommen hat, würde es bei der gedachten Neuregelung seiner Zwitterstellung überhoben werden. Daß eine solche Regelung auch den Erfolg haben würde, die heutigen drei Juristenstände der Richter. Notare und Rechtsanwälte einander mehr zu nähern, und der in dies oder jenes Amt hereinwachsenden Jugend — Assessoren würden sich bis zur festen Anstellung nicht nur bei den Gerichten und den Staats¬ anwaltschaften, sondern auch ohne Beurlaubung beim Justiznotariat beschäftigen lassen können — eine weit bessere praktische Fortbildung als heute zu geben, ist mir nicht zweifelhaft, wie sie denn auch einen gesunden Stellenaustausch zwischen den Richtern. Justiznotaren und Rechtsanwälten fördern würde, und zwar mehr als es alle sonst noch so gut gemeinten Schriften und Festreden be¬ deutender Männer aus allen Kreisen der jetzigen Juristenstände zu tun vermögen. Durch den Übertritt etwa des dritten Teils der heutigen Rechtsanwälte zum Justiznotariat würden die verbleibenden Rechtsanwälte materiell nicht geschädigt werden, wenn dementsprechend etwa auch der dritte Teil der Prozesse wegfällt. Überdies würde schon mitRückficht aus den zu erwartenden und erwünschten Rückgang der gerichtlichen Versäumnis- und Anerkenntnisurteile eine Gebührenerhöhung für alle verbleibenden kontradiktorischen Prozesse notwendig gefordert werden müssen und leicht erreichbar sein. — Wenn andererseits den Richtern, namentlich den höheren Instanzen durch Verminderung der Zahl der Prozesse mehr Zeit zu einer gründlicheren Beweisaufnahme vor dem Prozeßgerichte selbst und mehr Zeit zu einer gründlicheren Ausarbeitung der Urteile verbliebe, so würde auch das nur als ein Vorteil der neuen Einrichtung zu begrüßen sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/350>, abgerufen am 30.05.2024.