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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Aur Genesis des Weltkrieges

die Flurreinigung erfolgen, die endlich in der Entente gipfelte. Ebenso war
es mit der Auseinandersetzung auf dem Wege nach Indien, wo Rußland
aus Südpersien wich, während Deutschland auf die iranische Hochebene stieg
und die Lebensnotwendigkeit seiner kleinasiatischen Jnteressenzone behauptete.
Hier sowohl als auch in Ostafrika war ein Ausweichen Deutschlands vor Gro߬
britannien nicht möglich, da es das unbeirrt" Ziel der panbritischen Politik war
und ist, das asiatische und afrikanische Reich geschlossen zusammenzuschweißen.
Wenn einmal die portugiesischen ostafrikanischen Besitzungen England als reife
Frucht in den Schoß gefallen wären, hätte der Druck auf Deutschostafrika die
Reibungsflächen verstärkt. Die gewaltsame Auseinandersetzung wäre also unver¬
meidlich gewesen. Würde indessen Ägypten aus dem britischen Kolonialkranz
gebrochen, so fehlte das Mittelstück, in das sich das britische-asiatische und
britisch - afrikanische Reich mit Mauernklammern einhaken könnte.

Nicht die machtvolle aber organisch gesunde industrielle Energie Deutschlands
war es, die Großbritannien in uns seinen gefährlichsten Nebenbuhler sehen ließ.
Denn für die wirtschaftliche Kraft beider Reiche hätte es auf der Erde schon ein
Tätigkeitsfeld gegeben; ihre wichtigsten Interessen mußten sich nicht notwendig
kreuzen. Nur die Sorge, die weltwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands könnte sich
einmal auch handelspolitisch sMetallmarlt) von Großbritannien unabhängig
machen, hat uns unversöhnlichen Haß eingetragen, der schließlich in den Ver¬
nichtungswillen überfloß, als uns England auf den Wegen von Ägypten
nach Indien und nach Kapstadt widerstandsfähig fand. Und die herrschenden
el-in8, die in Altengland noch immer alles bedeuten, sahen ihre geschichtliche
Stunde um so näher rücken, als sie gleichzeitig im Innern vor einer Entwicklung
standen, die ihre jahrhundertealte und ausgebeutete Stellung zugunsten einer
bescheidenen Demokratie allmählich zertrümmern wollte. Da dem britischen Wesen
von jeher jeder mystische Einschlag fremd war, hatte die geschulte staatsmännische
Kunst der herrschenden elari8 nur die Aufgabe. Deutschland überall Feinde zu
werben und erstehen zu lassen. Ordalienspuk brauchte man dazu nicht; es
genügte, der Welt die stärkste Ausgeburt der britischen Nationaleigenschaft,
des Leine8, zu liefern. Und so konnte man von einem Befreiungskrieg wider
die militärische Despotie Deutschlands fabeln, obschon der tatsächliche Energie¬
spender dieses Krieges die rücksichtsloseste plutokratische Aristokratie ist. die jemals
Weltgeschichte gemacht hat. Ihre Stunde hat geschlagen. Der unvermeidliche
Sturz der herrschenden Kaste Altenglands wird dieser Welt allein Freiheit und
Frieden sichern.




Aur Genesis des Weltkrieges

die Flurreinigung erfolgen, die endlich in der Entente gipfelte. Ebenso war
es mit der Auseinandersetzung auf dem Wege nach Indien, wo Rußland
aus Südpersien wich, während Deutschland auf die iranische Hochebene stieg
und die Lebensnotwendigkeit seiner kleinasiatischen Jnteressenzone behauptete.
Hier sowohl als auch in Ostafrika war ein Ausweichen Deutschlands vor Gro߬
britannien nicht möglich, da es das unbeirrt« Ziel der panbritischen Politik war
und ist, das asiatische und afrikanische Reich geschlossen zusammenzuschweißen.
Wenn einmal die portugiesischen ostafrikanischen Besitzungen England als reife
Frucht in den Schoß gefallen wären, hätte der Druck auf Deutschostafrika die
Reibungsflächen verstärkt. Die gewaltsame Auseinandersetzung wäre also unver¬
meidlich gewesen. Würde indessen Ägypten aus dem britischen Kolonialkranz
gebrochen, so fehlte das Mittelstück, in das sich das britische-asiatische und
britisch - afrikanische Reich mit Mauernklammern einhaken könnte.

Nicht die machtvolle aber organisch gesunde industrielle Energie Deutschlands
war es, die Großbritannien in uns seinen gefährlichsten Nebenbuhler sehen ließ.
Denn für die wirtschaftliche Kraft beider Reiche hätte es auf der Erde schon ein
Tätigkeitsfeld gegeben; ihre wichtigsten Interessen mußten sich nicht notwendig
kreuzen. Nur die Sorge, die weltwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands könnte sich
einmal auch handelspolitisch sMetallmarlt) von Großbritannien unabhängig
machen, hat uns unversöhnlichen Haß eingetragen, der schließlich in den Ver¬
nichtungswillen überfloß, als uns England auf den Wegen von Ägypten
nach Indien und nach Kapstadt widerstandsfähig fand. Und die herrschenden
el-in8, die in Altengland noch immer alles bedeuten, sahen ihre geschichtliche
Stunde um so näher rücken, als sie gleichzeitig im Innern vor einer Entwicklung
standen, die ihre jahrhundertealte und ausgebeutete Stellung zugunsten einer
bescheidenen Demokratie allmählich zertrümmern wollte. Da dem britischen Wesen
von jeher jeder mystische Einschlag fremd war, hatte die geschulte staatsmännische
Kunst der herrschenden elari8 nur die Aufgabe. Deutschland überall Feinde zu
werben und erstehen zu lassen. Ordalienspuk brauchte man dazu nicht; es
genügte, der Welt die stärkste Ausgeburt der britischen Nationaleigenschaft,
des Leine8, zu liefern. Und so konnte man von einem Befreiungskrieg wider
die militärische Despotie Deutschlands fabeln, obschon der tatsächliche Energie¬
spender dieses Krieges die rücksichtsloseste plutokratische Aristokratie ist. die jemals
Weltgeschichte gemacht hat. Ihre Stunde hat geschlagen. Der unvermeidliche
Sturz der herrschenden Kaste Altenglands wird dieser Welt allein Freiheit und
Frieden sichern.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/85>, abgerufen am 14.05.2024.