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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Frankreichs Werben um Belgien

aufstellt, die ^Iliancs t^ran?si8e solle in die belgischen Wahlen eingreifen,
Frankreich solle alle französischen Blätter in zweisprachigen Ländern subventionieren
(Altdeutsche Blätter, 1909, Seite 13), so spricht er nur offen aus. was der
feinere und diplomatisch geschicktere Franzose gedacht und im stillen getan hat.

Die schönste Gelegenheit, das französische Banner zu entfalten, boten die
beiden belgischen Weltausstellungen von Lüttich und Gent. Hier wurde die Auf¬
forderung zum allgemeinen friedlichen Wettbewerb von der französischen Regierung
und allen Kampforganisationen ausgiebig benutzt, um Frankreich zu verherrlichen
die belgische Bevölkerung zu blenden und zu überreden. Alle Vereine hielten
während der Ausstellung Kongresse ab und veranstalteten Vorträge. In Lüttich
trieb es die ^Niance ^ran^aise so arg, daß die belgische Regierung sich bei
ihrer Tagung nicht vertreten ließ. Die Mitglieder sangen die Marseillaise auf
den Straßen und in den Kneipen und liefen mit einer Trikolorekokarde herum
(Alld. Bl. 1909, S. 13.) Auf der Genter Weltausstellung überragte die Be¬
teiligung Frankreichs die der anderen fremden Staaten so stark, daß seine
Gebäude für sich allein einen größeren Flächenraum bedeckten als die der
anderen auswärtigen Länder zusammengenommen. Die Beteiligung Frankreichs
war auch im Gegensatz zu der der übrigen Staaten eine offizielle. Willmotte
berichtet (Ksvue ac LelAique, a. a. O.), daß "Frankreich hundert Redner
herübergeschickt hatte, die alle die Wunder der französischen Ausstellung unter
sämtlichen Gesichtspunkten erläuterten". Daneben überstürzten sich fast die
Kongresse der verschiedenen Vereine, die sich zu diesem Zwecke wieder in
Sektionen geteilt hatten und in deren Mitte Männer wie Doumic, Ribot,
Richepin, Donnäy, Capus, Victor Margueritte den geistigen Anschluß Belgiens
an Frankreich besorgen sollten. Zum Februar wurden die Genter Stadtver¬
ordneten von der Stadt Paris eingeladen. Die Gegeneinladung erfolgte im
April. In diesem Monat wurde die Ausstellung eröffnet, was französischen
Ministern und anderen Vertretern der Republik eine willkommene Gelegenheit
bot, nach Gent zu' fahren und die Belgier der französischen Freundschaft zu
versichern. Beim Eröffnungsbankett, am 26. April, ergriff außer belgischen
Ministern, Bürgermeistern usw. von ausländischen Vertretern nur der französische
Generalkommissar Marraud das Wort. Bald darauf besuchte der französische
Unterstaatssekretär der schönen Künste, Leon Börard, offiziell die Kunstaus¬
stellung. Bei Eröffnung der französischen Abteilung fand ein offizielles Bankett
mit belgischen Gästen unter Vorsitz des Generalkommissars statt. Als die
französische Kolonialausstellung eröffnet wurde, feierte man ein neues Fest, an
welchem der französische Kolonialminister und französische Abgeordnete teil¬
nahmen. Wer sich die Mühe nimmt, die InäöpenäancL belZe aus jener Zeit
durchzublättern, der kann sich von dem Umfang der französischen Werbearbeit
einen Begriff machen. Daß es ihr nicht nur um die Gewinnung der idealen
Anhänglichkeit Belgiens zu tun war, hat Willmotte offen zugegeben. Er hat
auch angedeutet, daß sie ein ganz konkretes politisches Ziel erreichen wollte:


Frankreichs Werben um Belgien

aufstellt, die ^Iliancs t^ran?si8e solle in die belgischen Wahlen eingreifen,
Frankreich solle alle französischen Blätter in zweisprachigen Ländern subventionieren
(Altdeutsche Blätter, 1909, Seite 13), so spricht er nur offen aus. was der
feinere und diplomatisch geschicktere Franzose gedacht und im stillen getan hat.

Die schönste Gelegenheit, das französische Banner zu entfalten, boten die
beiden belgischen Weltausstellungen von Lüttich und Gent. Hier wurde die Auf¬
forderung zum allgemeinen friedlichen Wettbewerb von der französischen Regierung
und allen Kampforganisationen ausgiebig benutzt, um Frankreich zu verherrlichen
die belgische Bevölkerung zu blenden und zu überreden. Alle Vereine hielten
während der Ausstellung Kongresse ab und veranstalteten Vorträge. In Lüttich
trieb es die ^Niance ^ran^aise so arg, daß die belgische Regierung sich bei
ihrer Tagung nicht vertreten ließ. Die Mitglieder sangen die Marseillaise auf
den Straßen und in den Kneipen und liefen mit einer Trikolorekokarde herum
(Alld. Bl. 1909, S. 13.) Auf der Genter Weltausstellung überragte die Be¬
teiligung Frankreichs die der anderen fremden Staaten so stark, daß seine
Gebäude für sich allein einen größeren Flächenraum bedeckten als die der
anderen auswärtigen Länder zusammengenommen. Die Beteiligung Frankreichs
war auch im Gegensatz zu der der übrigen Staaten eine offizielle. Willmotte
berichtet (Ksvue ac LelAique, a. a. O.), daß „Frankreich hundert Redner
herübergeschickt hatte, die alle die Wunder der französischen Ausstellung unter
sämtlichen Gesichtspunkten erläuterten". Daneben überstürzten sich fast die
Kongresse der verschiedenen Vereine, die sich zu diesem Zwecke wieder in
Sektionen geteilt hatten und in deren Mitte Männer wie Doumic, Ribot,
Richepin, Donnäy, Capus, Victor Margueritte den geistigen Anschluß Belgiens
an Frankreich besorgen sollten. Zum Februar wurden die Genter Stadtver¬
ordneten von der Stadt Paris eingeladen. Die Gegeneinladung erfolgte im
April. In diesem Monat wurde die Ausstellung eröffnet, was französischen
Ministern und anderen Vertretern der Republik eine willkommene Gelegenheit
bot, nach Gent zu' fahren und die Belgier der französischen Freundschaft zu
versichern. Beim Eröffnungsbankett, am 26. April, ergriff außer belgischen
Ministern, Bürgermeistern usw. von ausländischen Vertretern nur der französische
Generalkommissar Marraud das Wort. Bald darauf besuchte der französische
Unterstaatssekretär der schönen Künste, Leon Börard, offiziell die Kunstaus¬
stellung. Bei Eröffnung der französischen Abteilung fand ein offizielles Bankett
mit belgischen Gästen unter Vorsitz des Generalkommissars statt. Als die
französische Kolonialausstellung eröffnet wurde, feierte man ein neues Fest, an
welchem der französische Kolonialminister und französische Abgeordnete teil¬
nahmen. Wer sich die Mühe nimmt, die InäöpenäancL belZe aus jener Zeit
durchzublättern, der kann sich von dem Umfang der französischen Werbearbeit
einen Begriff machen. Daß es ihr nicht nur um die Gewinnung der idealen
Anhänglichkeit Belgiens zu tun war, hat Willmotte offen zugegeben. Er hat
auch angedeutet, daß sie ein ganz konkretes politisches Ziel erreichen wollte:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/131>, abgerufen am 29.04.2024.