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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die deutsche Industrie im Kriege

dieser Angelegenheit zeigt zum Beispiel die Nachfrage nach Kupfer. In
Deutschland werden im Jahr ungefähr 100000 Tonnen Kupfer allein für
Kriegszwecke benötigt, eine Menge, von der nur der vierte Teil im Lande
selbst erzeugt wird. Da in den letzten fünf Jahren aber jährlich ungefähr
200000 Tonnen Kupfer mehr eingeführt als ausgeführt wurden, hat sich ein
solch großer, allerdings meist verarbeiteter Kupfervorrat angesammelt, daß aus
ihm der Kupferbedarf des Heeres für lange Zeit und ohne allzugroße
Schwierigkeit gedeckt werden kann.

Auf alle Fälle war es nötig, von vornherein und entschieden allen Preis¬
treibereien entgegenzuwirken. Daß diese Preistreibereien hintangehalten wurden,
ist außer den erwähnten Gesellschaften in erster Linie dem Einwirken der
militärischen Behörden zu danken, die ihre Kommandogewalt benutzten, um die
Preise der Rohmaterialien festzusetzen.

War somit für die ausreichende Beschäftigung der im Lande verbliebenen
Arbeitskräfte und für die einigermaßen befriedigende Herbeischaffung der
nötigsten Rohstoffe gesorgt, so galt es noch jener zu gedenken, deren Ernährer
im Dienste der Industrie tätig und nun hinausgeeilt waren, um das Vater¬
land vor dreistem Überfall zu bewahren. Hier zeigt sich uns ein Bild von
erhebender Opferbereitschaft und wirkungsvoller Hilfeleistung. Der Umstand,
daß die deutschen Jndustrieunternehmer weiterarbeiten, zum größten Teil mit
Nutzen weiterarbeiten konnten, setzte sie in die Lage, große Mittel für die
Unterstützung der Familien ihrer Werksangehörigen bereitzustellen. Die
Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft, die ungefähr 14000 ihrer Mitarbeiter gegen
den Feind geschickt hat, verausgabt monatlich 500000 M. für den erwähnten
Zweck. Diesem Vorgehen schließen sich fast ausnahmslos die übrigen Werke
würdig an. In dieser glänzend durchgeführten Unterstützung bringt die deutsche
Industrie in erhebender Weise zum Ausdruck, daß sie sich vollauf bewußt ist,
in welch außerordentlichem Maße sie ihre kraftvolle Entwicklung der Mitarbeit ihrer
Angestellten und Arbeiter zu danken hat, und sie widerlegt überzeugend jene Dogmen,
die die Ausrottung der humanen Empfindungen durch die kapitalistische Wirtschafts¬
ordnung als drohende Gewißheit hinstellen. Vergegenwärtigt man sich nun
noch einmal das kraftvolle und geschickte Weiterarbeiten dieser kapitalistisch
orientierten, zurzeit vom Ausland fast vollständig abgeschlossenen deutschen
Industrie, dann wird es verständlich, wenn ein früherer sozialdemokratischer
Abgeordneter, Anton Fendrich, in seiner Flugschrift über Krieg und Sozial¬
demokratie der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ausdrücklich seine volle
Bewunderung ausdrückt.

In ihrer Unterstützungstätigkeit treten die deutschen Gewerkschaften den
Arbeitgebern und ihren Organisationen helfend zur Seite, indem sie ihre großen
Mittel in den Dienst derselben Sache stellen. Um eine Vorstellung von der
Tätigkeit der Gewerkschaften zu gewinnen, statteten bereits im November v. I.
Vertreter der Reichsbehörde und zwei Minister dem Berliner Gewerkschaftshaus


Die deutsche Industrie im Kriege

dieser Angelegenheit zeigt zum Beispiel die Nachfrage nach Kupfer. In
Deutschland werden im Jahr ungefähr 100000 Tonnen Kupfer allein für
Kriegszwecke benötigt, eine Menge, von der nur der vierte Teil im Lande
selbst erzeugt wird. Da in den letzten fünf Jahren aber jährlich ungefähr
200000 Tonnen Kupfer mehr eingeführt als ausgeführt wurden, hat sich ein
solch großer, allerdings meist verarbeiteter Kupfervorrat angesammelt, daß aus
ihm der Kupferbedarf des Heeres für lange Zeit und ohne allzugroße
Schwierigkeit gedeckt werden kann.

Auf alle Fälle war es nötig, von vornherein und entschieden allen Preis¬
treibereien entgegenzuwirken. Daß diese Preistreibereien hintangehalten wurden,
ist außer den erwähnten Gesellschaften in erster Linie dem Einwirken der
militärischen Behörden zu danken, die ihre Kommandogewalt benutzten, um die
Preise der Rohmaterialien festzusetzen.

War somit für die ausreichende Beschäftigung der im Lande verbliebenen
Arbeitskräfte und für die einigermaßen befriedigende Herbeischaffung der
nötigsten Rohstoffe gesorgt, so galt es noch jener zu gedenken, deren Ernährer
im Dienste der Industrie tätig und nun hinausgeeilt waren, um das Vater¬
land vor dreistem Überfall zu bewahren. Hier zeigt sich uns ein Bild von
erhebender Opferbereitschaft und wirkungsvoller Hilfeleistung. Der Umstand,
daß die deutschen Jndustrieunternehmer weiterarbeiten, zum größten Teil mit
Nutzen weiterarbeiten konnten, setzte sie in die Lage, große Mittel für die
Unterstützung der Familien ihrer Werksangehörigen bereitzustellen. Die
Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft, die ungefähr 14000 ihrer Mitarbeiter gegen
den Feind geschickt hat, verausgabt monatlich 500000 M. für den erwähnten
Zweck. Diesem Vorgehen schließen sich fast ausnahmslos die übrigen Werke
würdig an. In dieser glänzend durchgeführten Unterstützung bringt die deutsche
Industrie in erhebender Weise zum Ausdruck, daß sie sich vollauf bewußt ist,
in welch außerordentlichem Maße sie ihre kraftvolle Entwicklung der Mitarbeit ihrer
Angestellten und Arbeiter zu danken hat, und sie widerlegt überzeugend jene Dogmen,
die die Ausrottung der humanen Empfindungen durch die kapitalistische Wirtschafts¬
ordnung als drohende Gewißheit hinstellen. Vergegenwärtigt man sich nun
noch einmal das kraftvolle und geschickte Weiterarbeiten dieser kapitalistisch
orientierten, zurzeit vom Ausland fast vollständig abgeschlossenen deutschen
Industrie, dann wird es verständlich, wenn ein früherer sozialdemokratischer
Abgeordneter, Anton Fendrich, in seiner Flugschrift über Krieg und Sozial¬
demokratie der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ausdrücklich seine volle
Bewunderung ausdrückt.

In ihrer Unterstützungstätigkeit treten die deutschen Gewerkschaften den
Arbeitgebern und ihren Organisationen helfend zur Seite, indem sie ihre großen
Mittel in den Dienst derselben Sache stellen. Um eine Vorstellung von der
Tätigkeit der Gewerkschaften zu gewinnen, statteten bereits im November v. I.
Vertreter der Reichsbehörde und zwei Minister dem Berliner Gewerkschaftshaus


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[0017] Die deutsche Industrie im Kriege dieser Angelegenheit zeigt zum Beispiel die Nachfrage nach Kupfer. In Deutschland werden im Jahr ungefähr 100000 Tonnen Kupfer allein für Kriegszwecke benötigt, eine Menge, von der nur der vierte Teil im Lande selbst erzeugt wird. Da in den letzten fünf Jahren aber jährlich ungefähr 200000 Tonnen Kupfer mehr eingeführt als ausgeführt wurden, hat sich ein solch großer, allerdings meist verarbeiteter Kupfervorrat angesammelt, daß aus ihm der Kupferbedarf des Heeres für lange Zeit und ohne allzugroße Schwierigkeit gedeckt werden kann. Auf alle Fälle war es nötig, von vornherein und entschieden allen Preis¬ treibereien entgegenzuwirken. Daß diese Preistreibereien hintangehalten wurden, ist außer den erwähnten Gesellschaften in erster Linie dem Einwirken der militärischen Behörden zu danken, die ihre Kommandogewalt benutzten, um die Preise der Rohmaterialien festzusetzen. War somit für die ausreichende Beschäftigung der im Lande verbliebenen Arbeitskräfte und für die einigermaßen befriedigende Herbeischaffung der nötigsten Rohstoffe gesorgt, so galt es noch jener zu gedenken, deren Ernährer im Dienste der Industrie tätig und nun hinausgeeilt waren, um das Vater¬ land vor dreistem Überfall zu bewahren. Hier zeigt sich uns ein Bild von erhebender Opferbereitschaft und wirkungsvoller Hilfeleistung. Der Umstand, daß die deutschen Jndustrieunternehmer weiterarbeiten, zum größten Teil mit Nutzen weiterarbeiten konnten, setzte sie in die Lage, große Mittel für die Unterstützung der Familien ihrer Werksangehörigen bereitzustellen. Die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft, die ungefähr 14000 ihrer Mitarbeiter gegen den Feind geschickt hat, verausgabt monatlich 500000 M. für den erwähnten Zweck. Diesem Vorgehen schließen sich fast ausnahmslos die übrigen Werke würdig an. In dieser glänzend durchgeführten Unterstützung bringt die deutsche Industrie in erhebender Weise zum Ausdruck, daß sie sich vollauf bewußt ist, in welch außerordentlichem Maße sie ihre kraftvolle Entwicklung der Mitarbeit ihrer Angestellten und Arbeiter zu danken hat, und sie widerlegt überzeugend jene Dogmen, die die Ausrottung der humanen Empfindungen durch die kapitalistische Wirtschafts¬ ordnung als drohende Gewißheit hinstellen. Vergegenwärtigt man sich nun noch einmal das kraftvolle und geschickte Weiterarbeiten dieser kapitalistisch orientierten, zurzeit vom Ausland fast vollständig abgeschlossenen deutschen Industrie, dann wird es verständlich, wenn ein früherer sozialdemokratischer Abgeordneter, Anton Fendrich, in seiner Flugschrift über Krieg und Sozial¬ demokratie der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ausdrücklich seine volle Bewunderung ausdrückt. In ihrer Unterstützungstätigkeit treten die deutschen Gewerkschaften den Arbeitgebern und ihren Organisationen helfend zur Seite, indem sie ihre großen Mittel in den Dienst derselben Sache stellen. Um eine Vorstellung von der Tätigkeit der Gewerkschaften zu gewinnen, statteten bereits im November v. I. Vertreter der Reichsbehörde und zwei Minister dem Berliner Gewerkschaftshaus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/17>, abgerufen am 07.05.2024.