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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die deutsche Industrie im Kriege

Ebenso wie die Kohlenindustrie treten die Industrien der Werkzeug-, land¬
wirtschaftlichen und Textilmaschinen, der Kleineisen- und Stahlwaren, des Schiff¬
baues usw. tatkräftig hervor, um sich den ihnen längst gebührenden Anteil am
Jnlandsmarkt für dauernde Zeiten zu sichern. Aber auch in der Beschaffung
jener Artikel, die bisher ungünstiger Bedingungen halber nicht im Inland her¬
gestellt wurden, muß der Augenblick benutzt werden, um die deutsche Industrie
für immer von der Abhängigkeit vom Auslande zu befreien. Handelt es sich
um natürliche Produkte, so sollen sie durch künstliche, gleichwertige ersetzt werden,
Die prinzipiell gelöste Aufgabe der synthetischen Herstellung des Kautschuks
läßt erwarten, daß die mit 200 Millionen bewertete Einfuhr zum größten Teil
durch inländische Erzeugnisse ersetzt werden kann. Der aus Japan eingeführte
natürliche Kampfer wird im Inlande in nahezu vollkommener Weise auf syn¬
thetischen Wege erzeugt. Indessen müssen jährlich noch große Mengen Kampfer
eingeführt werden, da bei uns, im Gegensatz zu England, sür die Herstellung
von Arzneien natürlicher Kampfer vorgeschrieben ist. Erfolgreicher wird zum
Beispiel Jute bereits heute durch Textilose, einer Verbindung von Papier- und
Baumwollfafer, ersetzt.

Überblicken wir noch einmal das Bild, welches die deutsche Industrie im
gegenwärtigen Kriege zeigt, so offenbart sich uns die überwältigende Kraft, die
in dem deutschen Wirtschaftsleben enthalten ist, und die, nunmehr auf einen
Punkt, auf die Sicherstellung unserer nationalen Zukunft gerichtet, unüberwindlich
erscheint. So aber mußte es auch sein, soll Deutschland siegreich aus dem
gegenwärtigen Krieg hervorgehen, denn für uns ist die Leistungsfähigkeit der
heimischen Industrie von weitaus größerer Bedeutung als bei unseren Feinden.
Während jene ihren Bedarf an Waffen, Munition und den sonstigen Bedarfs¬
artikeln im neutralen Ausland, besonders in den Vereinigten Staaten decken
können, sind wir in der Versorgung dieser Dinge lediglich auf die eigene
Industrie angewiesen. Für unsere Industrie ist daher die Zahl der Feinde
größer als für die kriegführende deutsche Nation. Diese hat es nur mit den
erklärten Feinden zu tun, jene aber hat außer den feindlichen Industrien auch
alle an den Feind liefernden Industrien zu überwinden. Dies gilt vor allem
im Hinblick auf das Verhalten der Vereinigten Staaten, von denen wir wissen,.
daß ein großer Teil der führenden Jndustrieleiter deutscher Herkunft find. Das
deutsche Volk aber hat die Pflicht, die Erinnerung an die amerikanischen, unsere
Feinde begünstigenden Munitionslieferungen für alle Zeiten wach zu erhalten.

Es soll zum Schlüsse nochmals des deutschen Außenhandels gedacht werden.
Es ist wahr, er ruht zurzeit fast vollständig. Aber verloren geht er unserer
Industrie nicht, denn nicht engherziger Krämergeist und das Bescheiden mit
Gelegenheitsgeschäften oder zufälligen Augenblickserfolgen haben Deutschlands
Anteil am Welthandel erobert, sondern rastlose Tätigkeit, zielsicheres scharf
durchdachtes Vorgehen, eiserner Fleiß und höchste Mustergültigkeit der auf
den Male gebrachten Erzeugnisse, waren die Waffen, mit denen Deutschlands


Die deutsche Industrie im Kriege

Ebenso wie die Kohlenindustrie treten die Industrien der Werkzeug-, land¬
wirtschaftlichen und Textilmaschinen, der Kleineisen- und Stahlwaren, des Schiff¬
baues usw. tatkräftig hervor, um sich den ihnen längst gebührenden Anteil am
Jnlandsmarkt für dauernde Zeiten zu sichern. Aber auch in der Beschaffung
jener Artikel, die bisher ungünstiger Bedingungen halber nicht im Inland her¬
gestellt wurden, muß der Augenblick benutzt werden, um die deutsche Industrie
für immer von der Abhängigkeit vom Auslande zu befreien. Handelt es sich
um natürliche Produkte, so sollen sie durch künstliche, gleichwertige ersetzt werden,
Die prinzipiell gelöste Aufgabe der synthetischen Herstellung des Kautschuks
läßt erwarten, daß die mit 200 Millionen bewertete Einfuhr zum größten Teil
durch inländische Erzeugnisse ersetzt werden kann. Der aus Japan eingeführte
natürliche Kampfer wird im Inlande in nahezu vollkommener Weise auf syn¬
thetischen Wege erzeugt. Indessen müssen jährlich noch große Mengen Kampfer
eingeführt werden, da bei uns, im Gegensatz zu England, sür die Herstellung
von Arzneien natürlicher Kampfer vorgeschrieben ist. Erfolgreicher wird zum
Beispiel Jute bereits heute durch Textilose, einer Verbindung von Papier- und
Baumwollfafer, ersetzt.

Überblicken wir noch einmal das Bild, welches die deutsche Industrie im
gegenwärtigen Kriege zeigt, so offenbart sich uns die überwältigende Kraft, die
in dem deutschen Wirtschaftsleben enthalten ist, und die, nunmehr auf einen
Punkt, auf die Sicherstellung unserer nationalen Zukunft gerichtet, unüberwindlich
erscheint. So aber mußte es auch sein, soll Deutschland siegreich aus dem
gegenwärtigen Krieg hervorgehen, denn für uns ist die Leistungsfähigkeit der
heimischen Industrie von weitaus größerer Bedeutung als bei unseren Feinden.
Während jene ihren Bedarf an Waffen, Munition und den sonstigen Bedarfs¬
artikeln im neutralen Ausland, besonders in den Vereinigten Staaten decken
können, sind wir in der Versorgung dieser Dinge lediglich auf die eigene
Industrie angewiesen. Für unsere Industrie ist daher die Zahl der Feinde
größer als für die kriegführende deutsche Nation. Diese hat es nur mit den
erklärten Feinden zu tun, jene aber hat außer den feindlichen Industrien auch
alle an den Feind liefernden Industrien zu überwinden. Dies gilt vor allem
im Hinblick auf das Verhalten der Vereinigten Staaten, von denen wir wissen,.
daß ein großer Teil der führenden Jndustrieleiter deutscher Herkunft find. Das
deutsche Volk aber hat die Pflicht, die Erinnerung an die amerikanischen, unsere
Feinde begünstigenden Munitionslieferungen für alle Zeiten wach zu erhalten.

Es soll zum Schlüsse nochmals des deutschen Außenhandels gedacht werden.
Es ist wahr, er ruht zurzeit fast vollständig. Aber verloren geht er unserer
Industrie nicht, denn nicht engherziger Krämergeist und das Bescheiden mit
Gelegenheitsgeschäften oder zufälligen Augenblickserfolgen haben Deutschlands
Anteil am Welthandel erobert, sondern rastlose Tätigkeit, zielsicheres scharf
durchdachtes Vorgehen, eiserner Fleiß und höchste Mustergültigkeit der auf
den Male gebrachten Erzeugnisse, waren die Waffen, mit denen Deutschlands


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[0019] Die deutsche Industrie im Kriege Ebenso wie die Kohlenindustrie treten die Industrien der Werkzeug-, land¬ wirtschaftlichen und Textilmaschinen, der Kleineisen- und Stahlwaren, des Schiff¬ baues usw. tatkräftig hervor, um sich den ihnen längst gebührenden Anteil am Jnlandsmarkt für dauernde Zeiten zu sichern. Aber auch in der Beschaffung jener Artikel, die bisher ungünstiger Bedingungen halber nicht im Inland her¬ gestellt wurden, muß der Augenblick benutzt werden, um die deutsche Industrie für immer von der Abhängigkeit vom Auslande zu befreien. Handelt es sich um natürliche Produkte, so sollen sie durch künstliche, gleichwertige ersetzt werden, Die prinzipiell gelöste Aufgabe der synthetischen Herstellung des Kautschuks läßt erwarten, daß die mit 200 Millionen bewertete Einfuhr zum größten Teil durch inländische Erzeugnisse ersetzt werden kann. Der aus Japan eingeführte natürliche Kampfer wird im Inlande in nahezu vollkommener Weise auf syn¬ thetischen Wege erzeugt. Indessen müssen jährlich noch große Mengen Kampfer eingeführt werden, da bei uns, im Gegensatz zu England, sür die Herstellung von Arzneien natürlicher Kampfer vorgeschrieben ist. Erfolgreicher wird zum Beispiel Jute bereits heute durch Textilose, einer Verbindung von Papier- und Baumwollfafer, ersetzt. Überblicken wir noch einmal das Bild, welches die deutsche Industrie im gegenwärtigen Kriege zeigt, so offenbart sich uns die überwältigende Kraft, die in dem deutschen Wirtschaftsleben enthalten ist, und die, nunmehr auf einen Punkt, auf die Sicherstellung unserer nationalen Zukunft gerichtet, unüberwindlich erscheint. So aber mußte es auch sein, soll Deutschland siegreich aus dem gegenwärtigen Krieg hervorgehen, denn für uns ist die Leistungsfähigkeit der heimischen Industrie von weitaus größerer Bedeutung als bei unseren Feinden. Während jene ihren Bedarf an Waffen, Munition und den sonstigen Bedarfs¬ artikeln im neutralen Ausland, besonders in den Vereinigten Staaten decken können, sind wir in der Versorgung dieser Dinge lediglich auf die eigene Industrie angewiesen. Für unsere Industrie ist daher die Zahl der Feinde größer als für die kriegführende deutsche Nation. Diese hat es nur mit den erklärten Feinden zu tun, jene aber hat außer den feindlichen Industrien auch alle an den Feind liefernden Industrien zu überwinden. Dies gilt vor allem im Hinblick auf das Verhalten der Vereinigten Staaten, von denen wir wissen,. daß ein großer Teil der führenden Jndustrieleiter deutscher Herkunft find. Das deutsche Volk aber hat die Pflicht, die Erinnerung an die amerikanischen, unsere Feinde begünstigenden Munitionslieferungen für alle Zeiten wach zu erhalten. Es soll zum Schlüsse nochmals des deutschen Außenhandels gedacht werden. Es ist wahr, er ruht zurzeit fast vollständig. Aber verloren geht er unserer Industrie nicht, denn nicht engherziger Krämergeist und das Bescheiden mit Gelegenheitsgeschäften oder zufälligen Augenblickserfolgen haben Deutschlands Anteil am Welthandel erobert, sondern rastlose Tätigkeit, zielsicheres scharf durchdachtes Vorgehen, eiserner Fleiß und höchste Mustergültigkeit der auf den Male gebrachten Erzeugnisse, waren die Waffen, mit denen Deutschlands

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/19>, abgerufen am 07.05.2024.