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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die völkerrechtliche Stellung des Papstes

verlassen und haben auch gar kein Recht darauf, da es ohne ihre Mitwirkung
als einseitiger Akt der italienischen Staatsgewalt erlassen ist. Das Papsttum
ist vollends der Willkür preisgegeben.

Das ist ein auf die Dauer unhaltbarer Zustand, der nur solange bestehen
konnte, weil Italien auch hier durch den Dreibund gedeckt war. Das Papsttum
wie die Katholiken des Weltalls haben aber einen Anspruch auf eine allseitig
rechtlich gesicherte Stellung des Oberhauptes der katholischen Kirche, die diesem
die freie Ausübung seines Hirtenamtes gewährleistet. Diese Stellung darf
weder abhängig sein von den Launen des herrschenden römischen Straßen¬
pöbels noch auch von der Willkür der freimaurerischen italienischen Gesetzgebung.

Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Die von der Kurie gewünschte Lösung wäre natürlich die Wiederherstellung
des Kirchenstaates, mindestens in dem Umfange, den er von 1860 bis 1870
noch hatte, als Stadt und Provinz Rom oder im Sinne des Altertums Latium
und Süd-Etrurien. Auch den Italienern wäre für ihre Treulosigkeit der Verlust
des Gebietes, das sie den deutschen Siegen von 1870 verdankten, wohl zu
gönnen. Die Schwierigkeit bestände nur darin, daß sich ein solcher neuer
Kirchenstaat aus eigener Kraft schwerlich halten könnte. Er hätte gegen auf¬
rührerische Bewegungen im Innern, Freischärlerangriffe von außen und gegen
die offene und versteckte Feindschaft der italienischen Regierung zu kämpfen.
Er bedürfte also der militärischen Unterstützung durch eine fremde Macht, wie
sie Napoleon der Dritte dem Kirchenstaate bis zum deutsch-französischen Kriege
gewährte. Diese undankbare Rolle wird aber schwerlich ein fremder Staat auf
f?es nehmen wollen. Das Deutsche Reich als paritätischer Staat hat dazu am
wenigsten Veranlassung. Schließlich wäre die dadurch herbeigeführte persönliche
Freiheit des Papstes auch nicht weit her. Denn er käme in Abhängigkeit von
der Macht, die Rom besetzt hat.

Den Gegensatz zu jener Lösung bildete, wenn man den Inhalt des
Garantiegesetzes zum Gegenstande einer Vereinbarung unter den Mächten machte.
Die weltliche Herrschaft des Papstes bliebe damit endgültig beseitigt. Aber die
durch das Garantiegesetz festgesetzte Stellung des Papstes wäre der einseitigen
Verfügungsgewalt Italiens entzogen. Italien wäre zur Aufrechterhaltung des
bestehenden Zustandes durch völkerrechtlichen Vertrag gegenüber anderer Staaten
gebunden. Viel gewonnen wäre dadurch freilich nicht. Denn wir wissen ja,
wie Italien völkerrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen pflegt. In einem Augen¬
blicke, wie dem gegenwärtigen zum Beispiele, wäre ein solcher Vertrag für das
Papsttum nicht das Stück Papier wert, auf dem der Vertrag geschrieben ist.
Und außerdem ist nirgends mehr als in Italien die Möglichkeit vorhanden,
daß ein Pöbelhaufe alles über den Haufen wirft.

Es bliebe endlich noch die Möglichkeit, dem Papste ein ganz beschränktes
Gebiet mit voller Souveränität zu übertragen, ceo", den auf dem rechten Tiber¬
ufer liegenden Teil von Kom mit einem Landstreifen an diesem Ufer entlang


Die völkerrechtliche Stellung des Papstes

verlassen und haben auch gar kein Recht darauf, da es ohne ihre Mitwirkung
als einseitiger Akt der italienischen Staatsgewalt erlassen ist. Das Papsttum
ist vollends der Willkür preisgegeben.

Das ist ein auf die Dauer unhaltbarer Zustand, der nur solange bestehen
konnte, weil Italien auch hier durch den Dreibund gedeckt war. Das Papsttum
wie die Katholiken des Weltalls haben aber einen Anspruch auf eine allseitig
rechtlich gesicherte Stellung des Oberhauptes der katholischen Kirche, die diesem
die freie Ausübung seines Hirtenamtes gewährleistet. Diese Stellung darf
weder abhängig sein von den Launen des herrschenden römischen Straßen¬
pöbels noch auch von der Willkür der freimaurerischen italienischen Gesetzgebung.

Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Die von der Kurie gewünschte Lösung wäre natürlich die Wiederherstellung
des Kirchenstaates, mindestens in dem Umfange, den er von 1860 bis 1870
noch hatte, als Stadt und Provinz Rom oder im Sinne des Altertums Latium
und Süd-Etrurien. Auch den Italienern wäre für ihre Treulosigkeit der Verlust
des Gebietes, das sie den deutschen Siegen von 1870 verdankten, wohl zu
gönnen. Die Schwierigkeit bestände nur darin, daß sich ein solcher neuer
Kirchenstaat aus eigener Kraft schwerlich halten könnte. Er hätte gegen auf¬
rührerische Bewegungen im Innern, Freischärlerangriffe von außen und gegen
die offene und versteckte Feindschaft der italienischen Regierung zu kämpfen.
Er bedürfte also der militärischen Unterstützung durch eine fremde Macht, wie
sie Napoleon der Dritte dem Kirchenstaate bis zum deutsch-französischen Kriege
gewährte. Diese undankbare Rolle wird aber schwerlich ein fremder Staat auf
f?es nehmen wollen. Das Deutsche Reich als paritätischer Staat hat dazu am
wenigsten Veranlassung. Schließlich wäre die dadurch herbeigeführte persönliche
Freiheit des Papstes auch nicht weit her. Denn er käme in Abhängigkeit von
der Macht, die Rom besetzt hat.

Den Gegensatz zu jener Lösung bildete, wenn man den Inhalt des
Garantiegesetzes zum Gegenstande einer Vereinbarung unter den Mächten machte.
Die weltliche Herrschaft des Papstes bliebe damit endgültig beseitigt. Aber die
durch das Garantiegesetz festgesetzte Stellung des Papstes wäre der einseitigen
Verfügungsgewalt Italiens entzogen. Italien wäre zur Aufrechterhaltung des
bestehenden Zustandes durch völkerrechtlichen Vertrag gegenüber anderer Staaten
gebunden. Viel gewonnen wäre dadurch freilich nicht. Denn wir wissen ja,
wie Italien völkerrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen pflegt. In einem Augen¬
blicke, wie dem gegenwärtigen zum Beispiele, wäre ein solcher Vertrag für das
Papsttum nicht das Stück Papier wert, auf dem der Vertrag geschrieben ist.
Und außerdem ist nirgends mehr als in Italien die Möglichkeit vorhanden,
daß ein Pöbelhaufe alles über den Haufen wirft.

Es bliebe endlich noch die Möglichkeit, dem Papste ein ganz beschränktes
Gebiet mit voller Souveränität zu übertragen, ceo«, den auf dem rechten Tiber¬
ufer liegenden Teil von Kom mit einem Landstreifen an diesem Ufer entlang


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/338>, abgerufen am 29.04.2024.