Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.Das Lindringen Englands in Aegyxten ganzen sechs oberste Generale. Dazu kommen drei Obersten, nämlich der Auf den Gebieten der Verwaltung, der Justiz usw. kündigte England im Das Lindringen Englands in Aegyxten ganzen sechs oberste Generale. Dazu kommen drei Obersten, nämlich der Auf den Gebieten der Verwaltung, der Justiz usw. kündigte England im <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0034" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323573"/> <fw type="header" place="top"> Das Lindringen Englands in Aegyxten</fw><lb/> <p xml:id="ID_74" prev="#ID_73"> ganzen sechs oberste Generale. Dazu kommen drei Obersten, nämlich der<lb/> Kommandant von Kairo, der zweite Grenzkommandant und der erste Schatzmeister<lb/> der Armee, ferner fünfzehn englische Oberstleutnants unter zweiundzwanzig. Unter<lb/> den Grad eines Bimbaschi oder Majors können englische Offiziere überhaupt nicht<lb/> hinabsteigen. Von der ägyptischen Armee zu unterscheiden war und ist das britische<lb/> Okkupationskorps, das anfangs 3S000 Mann betrug und nach und nach bis auf<lb/> 3000 Mann herabgesetzt worden ist. Diese 3000 Mann standen zuletzt unter dem<lb/> Befehl eines englischen Generalmajors. Augenblicklich ist das Okkupations¬<lb/> korps ja nun wohl außerordentlich vermehrt worden. Man weiß aber nicht,<lb/> wieviel englische, indische und australische Truppen am Suezkanal und im Nil¬<lb/> lande stehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_75" next="#ID_76"> Auf den Gebieten der Verwaltung, der Justiz usw. kündigte England im<lb/> Jahre 1883 umfassende Reformen beziehungsweise Reformpläne an. Es hatte<lb/> aber anfangs noch einige Schwierigkeiten mit den Franzosen. Den Hauptstein<lb/> des Anstoßes bildete die französische Teilhaberschaft an der Finanzkontrolle, der<lb/> aber bald genug ein Ende gemacht wurde. Sie hörte zunächst nur tatsächlich da¬<lb/> durch auf, daß der französische Bevollmächtigte zu den Sitzungen der verfügenden<lb/> Behörden nicht mehr eingeladen wurde. Als er sich darüber beschwerte, forderte<lb/> der Vorsitzende des ägyptischen Kabinetts. Scherif-Pascha, die Regierungen der<lb/> beiden Westmächte auf, die Kontrolle überhaupt aufzuheben, denn sie verstoße<lb/> gegen das patriotische Ehrgefühl der Nationalisten und beeinträchtige das Ansehen<lb/> des Khedive. England tat, als stehe es diesem Antrage fern; es war aber selbst¬<lb/> verständlich damit einverstanden. Als Ersatz für den Verzicht auf die Finanz¬<lb/> kontrolle und auf den damit gegebenen politischen Einfluß sollte Frankreich<lb/> den Vorsitz in der Kommission für die Verwaltung der Staatsschulden<lb/> haben. Inzwischen war in Frankreich Freycinet wegen des bisherigen<lb/> Fiaskos seiner ägyptischen Politik schon gestürzt und an seiner Stelle<lb/> war der vielleicht noch weniger bedeutende Duclerc Ministerpräsident und<lb/> Minister des Äußern geworden. Duclerc lehnte das englisch-ägyptische An¬<lb/> erbieten des Vorsitzes in der Staatsschulden-Kommission entschieden ab.<lb/> Nun unternahm die englische Regierung, die französische zu zwingen, indem sie<lb/> drohte, England werde, wenn man ihm in Ägypten nicht freie Hand lasse, den<lb/> Unternehmungen Frankreichs in Tonking, Madagaskar und am Kongo Hindernisse<lb/> bereiten. Der Erfolg dieser Drohung war der Abbruch der Verhandlungen.<lb/> Lord Grenville machte den europäischen Kabinetten in eben jenem Zirkulare vom<lb/> Anfang Januar 1883 davon Mitteilung. Die Verlegenheit der Briten dauerte<lb/> indeß nur eine kleine Weile. Am 11. Januar beantragte plötzlich Lord Cölpin.<lb/> der englische Bevollmächtigte zur ägyptischen Finanzkontrolle, seine eigene Entlassung.<lb/> Die gemeinsame Kontrolle war also fernerhin überhaupt nicht mehr möglich.<lb/> Und wieder eine kleine Weile, da veröffentlichte das Regierungsorgan, der<lb/> „Moniteur sgyptien". am 5. Februar ein Dekret des Khedive, das denselben Lord<lb/> Cölpin zum Rate bei der ägyptischen Regierung ernannte mit dem Auftrage, ihr<lb/> mit seinen Finanzkenntnissen zur Seite zu stehen und sie zu unterstützen. Damit<lb/> hatte England' was es wollte. Frankreich war aus der Finanzkontrolle entfernt;<lb/> es behielt nur noch seine Kommissare bei der Verwaltung der Staatsschulden,<lb/> diese aber in gleicher Linie mit den anderen Großmächten. Dennoch hat die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0034]
Das Lindringen Englands in Aegyxten
ganzen sechs oberste Generale. Dazu kommen drei Obersten, nämlich der
Kommandant von Kairo, der zweite Grenzkommandant und der erste Schatzmeister
der Armee, ferner fünfzehn englische Oberstleutnants unter zweiundzwanzig. Unter
den Grad eines Bimbaschi oder Majors können englische Offiziere überhaupt nicht
hinabsteigen. Von der ägyptischen Armee zu unterscheiden war und ist das britische
Okkupationskorps, das anfangs 3S000 Mann betrug und nach und nach bis auf
3000 Mann herabgesetzt worden ist. Diese 3000 Mann standen zuletzt unter dem
Befehl eines englischen Generalmajors. Augenblicklich ist das Okkupations¬
korps ja nun wohl außerordentlich vermehrt worden. Man weiß aber nicht,
wieviel englische, indische und australische Truppen am Suezkanal und im Nil¬
lande stehen.
Auf den Gebieten der Verwaltung, der Justiz usw. kündigte England im
Jahre 1883 umfassende Reformen beziehungsweise Reformpläne an. Es hatte
aber anfangs noch einige Schwierigkeiten mit den Franzosen. Den Hauptstein
des Anstoßes bildete die französische Teilhaberschaft an der Finanzkontrolle, der
aber bald genug ein Ende gemacht wurde. Sie hörte zunächst nur tatsächlich da¬
durch auf, daß der französische Bevollmächtigte zu den Sitzungen der verfügenden
Behörden nicht mehr eingeladen wurde. Als er sich darüber beschwerte, forderte
der Vorsitzende des ägyptischen Kabinetts. Scherif-Pascha, die Regierungen der
beiden Westmächte auf, die Kontrolle überhaupt aufzuheben, denn sie verstoße
gegen das patriotische Ehrgefühl der Nationalisten und beeinträchtige das Ansehen
des Khedive. England tat, als stehe es diesem Antrage fern; es war aber selbst¬
verständlich damit einverstanden. Als Ersatz für den Verzicht auf die Finanz¬
kontrolle und auf den damit gegebenen politischen Einfluß sollte Frankreich
den Vorsitz in der Kommission für die Verwaltung der Staatsschulden
haben. Inzwischen war in Frankreich Freycinet wegen des bisherigen
Fiaskos seiner ägyptischen Politik schon gestürzt und an seiner Stelle
war der vielleicht noch weniger bedeutende Duclerc Ministerpräsident und
Minister des Äußern geworden. Duclerc lehnte das englisch-ägyptische An¬
erbieten des Vorsitzes in der Staatsschulden-Kommission entschieden ab.
Nun unternahm die englische Regierung, die französische zu zwingen, indem sie
drohte, England werde, wenn man ihm in Ägypten nicht freie Hand lasse, den
Unternehmungen Frankreichs in Tonking, Madagaskar und am Kongo Hindernisse
bereiten. Der Erfolg dieser Drohung war der Abbruch der Verhandlungen.
Lord Grenville machte den europäischen Kabinetten in eben jenem Zirkulare vom
Anfang Januar 1883 davon Mitteilung. Die Verlegenheit der Briten dauerte
indeß nur eine kleine Weile. Am 11. Januar beantragte plötzlich Lord Cölpin.
der englische Bevollmächtigte zur ägyptischen Finanzkontrolle, seine eigene Entlassung.
Die gemeinsame Kontrolle war also fernerhin überhaupt nicht mehr möglich.
Und wieder eine kleine Weile, da veröffentlichte das Regierungsorgan, der
„Moniteur sgyptien". am 5. Februar ein Dekret des Khedive, das denselben Lord
Cölpin zum Rate bei der ägyptischen Regierung ernannte mit dem Auftrage, ihr
mit seinen Finanzkenntnissen zur Seite zu stehen und sie zu unterstützen. Damit
hatte England' was es wollte. Frankreich war aus der Finanzkontrolle entfernt;
es behielt nur noch seine Kommissare bei der Verwaltung der Staatsschulden,
diese aber in gleicher Linie mit den anderen Großmächten. Dennoch hat die
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