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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan

diese Frage in den Oststaaten gehalten, wo man anscheinend der Ansicht ist,
sie auf diplomatischem Wege durch gegenseitige Zugeständnisse aus der Welt
schaffen zu können, und hofft, daß sie mit der Zeit an Schärfe verlieren wird.

Hiergegen spricht jedoch, wie Professor Coolidge in einem im Frühjahr 1914
gehaltenen Vortrage über "das Rassenproblem der Vereinigten Staaten" hervor¬
gehoben hat, die Erfahrung, daß sich, während auf religiösen und ähnlichen
Gebieten eine immer größere Duldsamkeit eintritt, in allen Völkern die Ab¬
neigung gegen fremde Rassen immer mehr festigt. An ein Abnehmen des
Hasses gegen die Japaner ist demnach gar nicht zu denken, vielmehr spricht
alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Abneigung gegen die gelbe Rasse immer
tiefere Wurzeln schlagen und immer allgemeiner werden wird, so daß Rassen¬
kämpfe keineswegs so außerhalb jeglicher Möglichkeit liegen, wie manche
Amerikaner zu wähnen scheinen.

Denn darüber muß man sich doch klar sein, daß sich die Japanerfrage
nicht so einfach entscheiden läßt, wie die Negerfrage, die, da auch sie auf der
Abneigung gegen eine andersfarbige Rasse beruht, im Grunde mit dem Problem
der gelben Einwanderung viel Ähnlichkeit hat. Jeder, der die amerikanischen
Verhältnisse auch nur einigermaßen kennt, weiß, daß die Negerfrage noch
keineswegs aus der Welt geschafft ist, mögen die Neger auch nach dem Buch¬
staben des Gesetzes den Weißen gleichgestellt sein. Dies beweist am besten die
im Süden der Union herrschende Feindseligkeit der weißen Einwohner gegen
ihre schwarzen "Mitbürger", die ihren schärfsten Ausdruck findet in der
zwar gesetzwidrigen, dennoch aber -- nolens, voler8 -- geduldeten Lynch¬
justiz.

Aber in einem sehr wesentlichen Punkte liegt ein Unterschied zwischen der
schwarzen und gelben Frage. Während um die Behandlung der Neger in den
Vereinigten Staaten niemand sich große Sorge macht, vielleicht nur dann und
wann ein allzuzart besaiteter Menschenfreund seine Stimme erhebt und gegen
die Unwürdigkeit des Negerhasses für eine so freiheitliebende Nation wie die
Amerikaner predigt, steht hinter den japanischen Einwanderern die nicht zu
unterschätzende Kriegsmacht Japans. Nie und nimmer wird Japan dulden,
daß seine Söhne in der Union ebenso behandelt werden wie die Schwarzen,
und es wird seine ganze Macht einsetzen, um Sühne zu verlangen für jegliche
Verletzung des hohen, vielleicht überspannten japanischen Ehr- und National¬
gefühls. Schon jetzt verlangt Japan die Gleichstellung seiner Landeskinder mit
denen anderer Nationen und fordert, daß den Japanern unter den gleichen
Bedingungen die Einwanderung gestattet werde, wie den Angehörigen der weißen
Rasse. Ob die Regierung der Vereinigten Staaten diesen an sich vielleicht
berechtigten Forderungen nachkommen wird, ist doch noch sehr zu bezweifeln.
Ohne völlige Gleichstellung mit der weißen Rasse wird sich der Japaner aber
niemals zufrieden geben. Aus politischen Rücksichten wird man vielleicht noch
manchmal in Tokio nachgeben, aber diese Forderung wird immer wieder von


Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan

diese Frage in den Oststaaten gehalten, wo man anscheinend der Ansicht ist,
sie auf diplomatischem Wege durch gegenseitige Zugeständnisse aus der Welt
schaffen zu können, und hofft, daß sie mit der Zeit an Schärfe verlieren wird.

Hiergegen spricht jedoch, wie Professor Coolidge in einem im Frühjahr 1914
gehaltenen Vortrage über „das Rassenproblem der Vereinigten Staaten" hervor¬
gehoben hat, die Erfahrung, daß sich, während auf religiösen und ähnlichen
Gebieten eine immer größere Duldsamkeit eintritt, in allen Völkern die Ab¬
neigung gegen fremde Rassen immer mehr festigt. An ein Abnehmen des
Hasses gegen die Japaner ist demnach gar nicht zu denken, vielmehr spricht
alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Abneigung gegen die gelbe Rasse immer
tiefere Wurzeln schlagen und immer allgemeiner werden wird, so daß Rassen¬
kämpfe keineswegs so außerhalb jeglicher Möglichkeit liegen, wie manche
Amerikaner zu wähnen scheinen.

Denn darüber muß man sich doch klar sein, daß sich die Japanerfrage
nicht so einfach entscheiden läßt, wie die Negerfrage, die, da auch sie auf der
Abneigung gegen eine andersfarbige Rasse beruht, im Grunde mit dem Problem
der gelben Einwanderung viel Ähnlichkeit hat. Jeder, der die amerikanischen
Verhältnisse auch nur einigermaßen kennt, weiß, daß die Negerfrage noch
keineswegs aus der Welt geschafft ist, mögen die Neger auch nach dem Buch¬
staben des Gesetzes den Weißen gleichgestellt sein. Dies beweist am besten die
im Süden der Union herrschende Feindseligkeit der weißen Einwohner gegen
ihre schwarzen „Mitbürger", die ihren schärfsten Ausdruck findet in der
zwar gesetzwidrigen, dennoch aber — nolens, voler8 — geduldeten Lynch¬
justiz.

Aber in einem sehr wesentlichen Punkte liegt ein Unterschied zwischen der
schwarzen und gelben Frage. Während um die Behandlung der Neger in den
Vereinigten Staaten niemand sich große Sorge macht, vielleicht nur dann und
wann ein allzuzart besaiteter Menschenfreund seine Stimme erhebt und gegen
die Unwürdigkeit des Negerhasses für eine so freiheitliebende Nation wie die
Amerikaner predigt, steht hinter den japanischen Einwanderern die nicht zu
unterschätzende Kriegsmacht Japans. Nie und nimmer wird Japan dulden,
daß seine Söhne in der Union ebenso behandelt werden wie die Schwarzen,
und es wird seine ganze Macht einsetzen, um Sühne zu verlangen für jegliche
Verletzung des hohen, vielleicht überspannten japanischen Ehr- und National¬
gefühls. Schon jetzt verlangt Japan die Gleichstellung seiner Landeskinder mit
denen anderer Nationen und fordert, daß den Japanern unter den gleichen
Bedingungen die Einwanderung gestattet werde, wie den Angehörigen der weißen
Rasse. Ob die Regierung der Vereinigten Staaten diesen an sich vielleicht
berechtigten Forderungen nachkommen wird, ist doch noch sehr zu bezweifeln.
Ohne völlige Gleichstellung mit der weißen Rasse wird sich der Japaner aber
niemals zufrieden geben. Aus politischen Rücksichten wird man vielleicht noch
manchmal in Tokio nachgeben, aber diese Forderung wird immer wieder von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/54>, abgerufen am 12.06.2024.