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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan

neuem gestellt und, wenn die politische und militärische Konstellation einmal
günstig ist, mit aller Energie durchgesetzt werden. --

Ebenso wie in den Vereinigten Staaten wächst allmählich auch die anti¬
japanische Stimmung in den englischen Dominien von Australien und Kanada.
Hierhin hatte sich der Strom der japanischen Einwanderer gewandt, als ihnen
die Vereinigten Staaten verschlossen wurden. Aber nach anfänglicher Begeisterung
über die billigen Arbeitskräfte erfolgte auch hier der Umschwung. Japan war
also wiederum gezwungen, sich nach einem neuen Absatzgebiet für seine über¬
schüssige Bevölkerung umzusehen; denn auf den japanischen Inseln ist die Volks¬
ziffer an der Grenze der Ernährungsmöglichkeit angelangt. Allerdings befinden
sich im Hottaido und auf Formosa menschenleere Gegenden, die an und für
sich wohl geeignet wären, für einige Jahre die zur Abwanderung gezwungene
Bevölkerung der japanischen Insel aufzunehmen, aber die Tatsache, daß diese
Gebiete trotz jahrzehntelanger Kolonisationsarbeiten noch immer dünn bevölkert
sind, beweist am besten, daß sie für die japanische Kolonisation im großen
Umfange nicht geeignet find, da, wie Rathgen*) ausführt, einerseits Klima und
Produktionsbedingungen den Japanern nicht zusagen, und da anderseits der
landwirtschaftliche und industrielle Großbetrieb dort fehlt.

China ist dicht genug bevölkert und zeigt auch seinerseits einen immer
stärker werdenden Geburtenüberschuß, so daß hier eine Unterbringung der über¬
schüssigen Bevölkerung Japans ausgeschlossen ist. Korea mag allerdings noch
für einige Hunderttausende japanische Kolonisten Platz haben; aber auch hier
nimmt jetzt die eingeborene Bevölkerung an Fruchtbarkeit wieder zu, so daß es
unwahrscheinlich ist. daß dieses Land auf Jahre für eine Kolonisation in
größerem Maßstabe in Betracht kommt.

Neuerdings hat sich daher die japanische Auswanderung nach dem
romanischen Amerika gewandt, insbesondere nach Peru. Chile und Brasilien**),
wo die japanischen Arbeiter auf den großen Kaffeeplantagen bereits in großer
Anzahl neben den Italienern arbeiten. Die japanische Regierung unterstützt
diese Bewegung, indem den nach Südamerika gehenden Dampferlinien und
den betreffenden Auswanderergesellschaften Prämien gezahlt werden. Daß dies
alles nicht nur aus dem Grunde geschieht, den Wünschen der Regierung in
Washington entgegenzukommen und den Auswandererstrom von der Küste der
Vereinigten Staaten abzulenken, liegt klar auf der Hand.

Zweifellos wird Japan, wenn erst die Einwanderung lange Zeit genug
gedauert hat und die japanischen "Interessen" in Südamerika groß und wichtig
genug geworden sind, mit seinen imperialistischen Plänen nicht länger hinter
dem Berge halten und die Frage der Gründung eines "Shin Ribon", eines
"Neuen Japans" auf amerikanischem Boden aufwerfen***). Denn die schwachen





*) Vergleiche Rathgen. a. a. O., Seite 128.
**
) Vergleiche Grünfeld. "Die japanische Auswanderung", 1913. Seite 114 ff.
***) Vergleiche Andere: "AmSricains et Japonais". 1908, Seite 279.
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neuem gestellt und, wenn die politische und militärische Konstellation einmal
günstig ist, mit aller Energie durchgesetzt werden. —

Ebenso wie in den Vereinigten Staaten wächst allmählich auch die anti¬
japanische Stimmung in den englischen Dominien von Australien und Kanada.
Hierhin hatte sich der Strom der japanischen Einwanderer gewandt, als ihnen
die Vereinigten Staaten verschlossen wurden. Aber nach anfänglicher Begeisterung
über die billigen Arbeitskräfte erfolgte auch hier der Umschwung. Japan war
also wiederum gezwungen, sich nach einem neuen Absatzgebiet für seine über¬
schüssige Bevölkerung umzusehen; denn auf den japanischen Inseln ist die Volks¬
ziffer an der Grenze der Ernährungsmöglichkeit angelangt. Allerdings befinden
sich im Hottaido und auf Formosa menschenleere Gegenden, die an und für
sich wohl geeignet wären, für einige Jahre die zur Abwanderung gezwungene
Bevölkerung der japanischen Insel aufzunehmen, aber die Tatsache, daß diese
Gebiete trotz jahrzehntelanger Kolonisationsarbeiten noch immer dünn bevölkert
sind, beweist am besten, daß sie für die japanische Kolonisation im großen
Umfange nicht geeignet find, da, wie Rathgen*) ausführt, einerseits Klima und
Produktionsbedingungen den Japanern nicht zusagen, und da anderseits der
landwirtschaftliche und industrielle Großbetrieb dort fehlt.

China ist dicht genug bevölkert und zeigt auch seinerseits einen immer
stärker werdenden Geburtenüberschuß, so daß hier eine Unterbringung der über¬
schüssigen Bevölkerung Japans ausgeschlossen ist. Korea mag allerdings noch
für einige Hunderttausende japanische Kolonisten Platz haben; aber auch hier
nimmt jetzt die eingeborene Bevölkerung an Fruchtbarkeit wieder zu, so daß es
unwahrscheinlich ist. daß dieses Land auf Jahre für eine Kolonisation in
größerem Maßstabe in Betracht kommt.

Neuerdings hat sich daher die japanische Auswanderung nach dem
romanischen Amerika gewandt, insbesondere nach Peru. Chile und Brasilien**),
wo die japanischen Arbeiter auf den großen Kaffeeplantagen bereits in großer
Anzahl neben den Italienern arbeiten. Die japanische Regierung unterstützt
diese Bewegung, indem den nach Südamerika gehenden Dampferlinien und
den betreffenden Auswanderergesellschaften Prämien gezahlt werden. Daß dies
alles nicht nur aus dem Grunde geschieht, den Wünschen der Regierung in
Washington entgegenzukommen und den Auswandererstrom von der Küste der
Vereinigten Staaten abzulenken, liegt klar auf der Hand.

Zweifellos wird Japan, wenn erst die Einwanderung lange Zeit genug
gedauert hat und die japanischen „Interessen" in Südamerika groß und wichtig
genug geworden sind, mit seinen imperialistischen Plänen nicht länger hinter
dem Berge halten und die Frage der Gründung eines „Shin Ribon", eines
„Neuen Japans" auf amerikanischem Boden aufwerfen***). Denn die schwachen





*) Vergleiche Rathgen. a. a. O., Seite 128.
**
) Vergleiche Grünfeld. „Die japanische Auswanderung", 1913. Seite 114 ff.
***) Vergleiche Andere: „AmSricains et Japonais". 1908, Seite 279.
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[0055] Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan neuem gestellt und, wenn die politische und militärische Konstellation einmal günstig ist, mit aller Energie durchgesetzt werden. — Ebenso wie in den Vereinigten Staaten wächst allmählich auch die anti¬ japanische Stimmung in den englischen Dominien von Australien und Kanada. Hierhin hatte sich der Strom der japanischen Einwanderer gewandt, als ihnen die Vereinigten Staaten verschlossen wurden. Aber nach anfänglicher Begeisterung über die billigen Arbeitskräfte erfolgte auch hier der Umschwung. Japan war also wiederum gezwungen, sich nach einem neuen Absatzgebiet für seine über¬ schüssige Bevölkerung umzusehen; denn auf den japanischen Inseln ist die Volks¬ ziffer an der Grenze der Ernährungsmöglichkeit angelangt. Allerdings befinden sich im Hottaido und auf Formosa menschenleere Gegenden, die an und für sich wohl geeignet wären, für einige Jahre die zur Abwanderung gezwungene Bevölkerung der japanischen Insel aufzunehmen, aber die Tatsache, daß diese Gebiete trotz jahrzehntelanger Kolonisationsarbeiten noch immer dünn bevölkert sind, beweist am besten, daß sie für die japanische Kolonisation im großen Umfange nicht geeignet find, da, wie Rathgen*) ausführt, einerseits Klima und Produktionsbedingungen den Japanern nicht zusagen, und da anderseits der landwirtschaftliche und industrielle Großbetrieb dort fehlt. China ist dicht genug bevölkert und zeigt auch seinerseits einen immer stärker werdenden Geburtenüberschuß, so daß hier eine Unterbringung der über¬ schüssigen Bevölkerung Japans ausgeschlossen ist. Korea mag allerdings noch für einige Hunderttausende japanische Kolonisten Platz haben; aber auch hier nimmt jetzt die eingeborene Bevölkerung an Fruchtbarkeit wieder zu, so daß es unwahrscheinlich ist. daß dieses Land auf Jahre für eine Kolonisation in größerem Maßstabe in Betracht kommt. Neuerdings hat sich daher die japanische Auswanderung nach dem romanischen Amerika gewandt, insbesondere nach Peru. Chile und Brasilien**), wo die japanischen Arbeiter auf den großen Kaffeeplantagen bereits in großer Anzahl neben den Italienern arbeiten. Die japanische Regierung unterstützt diese Bewegung, indem den nach Südamerika gehenden Dampferlinien und den betreffenden Auswanderergesellschaften Prämien gezahlt werden. Daß dies alles nicht nur aus dem Grunde geschieht, den Wünschen der Regierung in Washington entgegenzukommen und den Auswandererstrom von der Küste der Vereinigten Staaten abzulenken, liegt klar auf der Hand. Zweifellos wird Japan, wenn erst die Einwanderung lange Zeit genug gedauert hat und die japanischen „Interessen" in Südamerika groß und wichtig genug geworden sind, mit seinen imperialistischen Plänen nicht länger hinter dem Berge halten und die Frage der Gründung eines „Shin Ribon", eines „Neuen Japans" auf amerikanischem Boden aufwerfen***). Denn die schwachen *) Vergleiche Rathgen. a. a. O., Seite 128. ** ) Vergleiche Grünfeld. „Die japanische Auswanderung", 1913. Seite 114 ff. ***) Vergleiche Andere: „AmSricains et Japonais". 1908, Seite 279.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/55>, abgerufen am 16.05.2024.