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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die Vereinigten Staaten von Amerika und Japan

südamerikanischen Regierungen werden den japanischen Forderungen nicht die
Macht entgegensetzen können wie die Vereinigten Staaten.

In der Masseneinwanderung der Japaner nach Südamerika liegt nun auch
eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Vereinigten Staaten. Wie die
Union den Gebietserwerb durch eine europäische Macht in Südamerika stets
verhindert hat und jeglichen Gelüsten europäischer Staaten, sich eine der all¬
täglichen Revolutionen oder die chronische Geldverlegenheit gewisser Staaten zu¬
nutze zu machen und sich auf südamerikanischen Boden festzusetzen, auf das
entschiedenste entgegengetreten ist, ebenso wird die Union ihre seit beinahe einem
Jahrhundert streng durchgeführte Politik, wie sie in der Monroe-Doktrin zum
Ausdruck gelangt ist, auch Japan gegenüber verfolgen. Die Vereinigten Staaten
werden und müssen verhindern, daß die Träume der japanischen Imperialisten
von einem "Shin Ribon" sich in Südamerika verwirklichen, daß Japan
sich in Südamerika das sür ihn notwendige Kolonisationsgebiet zur Unter¬
bringung und Ernährung seines reichen Menschenmaterials schafft, das schon
heute einen jährlichen Zuwachs von 700000 Seelen zu verzeichnen hat und in
Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach einen noch größeren jährlichen Zuwachs
aufweisen wird. Auch hierin liegt also die nahe Möglichkeit eines Zusammen¬
stoßes zwischen den Vereinigten Staaten und Japan; denn derartige Fragen
lassen sich nicht durch Verträge und schöne Worte regeln. /

Wir wollen an dieser Stelle nicht untersuchen, ob die Gerüchte auf
Wahrheit beruhen, die des öfteren die Luft durchschwirrten, daß Japan den
Ankauf einer Kohlenstation an der mexikanischen Küste beabsichtige, und daß
Japan die indirekte Triebfeder zu den zahlreichen Bürgerkriegen Mexikos in
den letzten Jahren gewesen ist, um besser und leichter im Trüben fischen zu
können. Es scheint aber so. als ob man in Washington selbst doch nicht so
recht an das völlige ,,Dösintöre8shame" Japans glaubt, und aus diesem
Grunde jetzt eine endgültige Regelung der mexikanischen Frage herbeiführen
will, nicht nur etwa, um die großen amerikanischen Handelsinteressen im südlichen
Nachbarstaate zu schützen und zu fördern, sondern zweifellos auch, um dort eine
Regierung einzusetzen, die den wohlwollenden Fingerzeigen des "großen Bruders"
in Washington Folge leistet, und die imstande und gewillt ist, jeglichen Gelüsten
anderer Staaten auf mexikanisches Gebiet mit aller Macht entgegenzutreten.

Erst kürzlich erklärte der Senator von Illinois, Lewis, in Washington,
daß wegen der mexikanischen Frage ein Krieg zwischen den Vereinigten Staaten
und Japan vor der Tür stehe und bei der weiteren Verfolgung der amerikanischen
Politik Mexiko gegenüber zum Ausbruch kommen müsse. Wir glauben jedoch
nicht, daß die mexikanische Frage -- jetzt wenigstens noch nicht -- der Funke
sein wird, der das amerikanisch-japanische Pulverfaß zur Explosion bringen
wird. Die Äußerung des Senators beweist jedoch, daß man auch in den mehr
östlichen Staaten der Union an einen "ewigen Frieden" mit Japan nicht mehr
so recht glaubt.


Die Vereinigten Staaten von Amerika und Japan

südamerikanischen Regierungen werden den japanischen Forderungen nicht die
Macht entgegensetzen können wie die Vereinigten Staaten.

In der Masseneinwanderung der Japaner nach Südamerika liegt nun auch
eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Vereinigten Staaten. Wie die
Union den Gebietserwerb durch eine europäische Macht in Südamerika stets
verhindert hat und jeglichen Gelüsten europäischer Staaten, sich eine der all¬
täglichen Revolutionen oder die chronische Geldverlegenheit gewisser Staaten zu¬
nutze zu machen und sich auf südamerikanischen Boden festzusetzen, auf das
entschiedenste entgegengetreten ist, ebenso wird die Union ihre seit beinahe einem
Jahrhundert streng durchgeführte Politik, wie sie in der Monroe-Doktrin zum
Ausdruck gelangt ist, auch Japan gegenüber verfolgen. Die Vereinigten Staaten
werden und müssen verhindern, daß die Träume der japanischen Imperialisten
von einem „Shin Ribon" sich in Südamerika verwirklichen, daß Japan
sich in Südamerika das sür ihn notwendige Kolonisationsgebiet zur Unter¬
bringung und Ernährung seines reichen Menschenmaterials schafft, das schon
heute einen jährlichen Zuwachs von 700000 Seelen zu verzeichnen hat und in
Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach einen noch größeren jährlichen Zuwachs
aufweisen wird. Auch hierin liegt also die nahe Möglichkeit eines Zusammen¬
stoßes zwischen den Vereinigten Staaten und Japan; denn derartige Fragen
lassen sich nicht durch Verträge und schöne Worte regeln. /

Wir wollen an dieser Stelle nicht untersuchen, ob die Gerüchte auf
Wahrheit beruhen, die des öfteren die Luft durchschwirrten, daß Japan den
Ankauf einer Kohlenstation an der mexikanischen Küste beabsichtige, und daß
Japan die indirekte Triebfeder zu den zahlreichen Bürgerkriegen Mexikos in
den letzten Jahren gewesen ist, um besser und leichter im Trüben fischen zu
können. Es scheint aber so. als ob man in Washington selbst doch nicht so
recht an das völlige ,,Dösintöre8shame" Japans glaubt, und aus diesem
Grunde jetzt eine endgültige Regelung der mexikanischen Frage herbeiführen
will, nicht nur etwa, um die großen amerikanischen Handelsinteressen im südlichen
Nachbarstaate zu schützen und zu fördern, sondern zweifellos auch, um dort eine
Regierung einzusetzen, die den wohlwollenden Fingerzeigen des „großen Bruders"
in Washington Folge leistet, und die imstande und gewillt ist, jeglichen Gelüsten
anderer Staaten auf mexikanisches Gebiet mit aller Macht entgegenzutreten.

Erst kürzlich erklärte der Senator von Illinois, Lewis, in Washington,
daß wegen der mexikanischen Frage ein Krieg zwischen den Vereinigten Staaten
und Japan vor der Tür stehe und bei der weiteren Verfolgung der amerikanischen
Politik Mexiko gegenüber zum Ausbruch kommen müsse. Wir glauben jedoch
nicht, daß die mexikanische Frage — jetzt wenigstens noch nicht — der Funke
sein wird, der das amerikanisch-japanische Pulverfaß zur Explosion bringen
wird. Die Äußerung des Senators beweist jedoch, daß man auch in den mehr
östlichen Staaten der Union an einen „ewigen Frieden" mit Japan nicht mehr
so recht glaubt.


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[0056] Die Vereinigten Staaten von Amerika und Japan südamerikanischen Regierungen werden den japanischen Forderungen nicht die Macht entgegensetzen können wie die Vereinigten Staaten. In der Masseneinwanderung der Japaner nach Südamerika liegt nun auch eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Vereinigten Staaten. Wie die Union den Gebietserwerb durch eine europäische Macht in Südamerika stets verhindert hat und jeglichen Gelüsten europäischer Staaten, sich eine der all¬ täglichen Revolutionen oder die chronische Geldverlegenheit gewisser Staaten zu¬ nutze zu machen und sich auf südamerikanischen Boden festzusetzen, auf das entschiedenste entgegengetreten ist, ebenso wird die Union ihre seit beinahe einem Jahrhundert streng durchgeführte Politik, wie sie in der Monroe-Doktrin zum Ausdruck gelangt ist, auch Japan gegenüber verfolgen. Die Vereinigten Staaten werden und müssen verhindern, daß die Träume der japanischen Imperialisten von einem „Shin Ribon" sich in Südamerika verwirklichen, daß Japan sich in Südamerika das sür ihn notwendige Kolonisationsgebiet zur Unter¬ bringung und Ernährung seines reichen Menschenmaterials schafft, das schon heute einen jährlichen Zuwachs von 700000 Seelen zu verzeichnen hat und in Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach einen noch größeren jährlichen Zuwachs aufweisen wird. Auch hierin liegt also die nahe Möglichkeit eines Zusammen¬ stoßes zwischen den Vereinigten Staaten und Japan; denn derartige Fragen lassen sich nicht durch Verträge und schöne Worte regeln. / Wir wollen an dieser Stelle nicht untersuchen, ob die Gerüchte auf Wahrheit beruhen, die des öfteren die Luft durchschwirrten, daß Japan den Ankauf einer Kohlenstation an der mexikanischen Küste beabsichtige, und daß Japan die indirekte Triebfeder zu den zahlreichen Bürgerkriegen Mexikos in den letzten Jahren gewesen ist, um besser und leichter im Trüben fischen zu können. Es scheint aber so. als ob man in Washington selbst doch nicht so recht an das völlige ,,Dösintöre8shame" Japans glaubt, und aus diesem Grunde jetzt eine endgültige Regelung der mexikanischen Frage herbeiführen will, nicht nur etwa, um die großen amerikanischen Handelsinteressen im südlichen Nachbarstaate zu schützen und zu fördern, sondern zweifellos auch, um dort eine Regierung einzusetzen, die den wohlwollenden Fingerzeigen des „großen Bruders" in Washington Folge leistet, und die imstande und gewillt ist, jeglichen Gelüsten anderer Staaten auf mexikanisches Gebiet mit aller Macht entgegenzutreten. Erst kürzlich erklärte der Senator von Illinois, Lewis, in Washington, daß wegen der mexikanischen Frage ein Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und Japan vor der Tür stehe und bei der weiteren Verfolgung der amerikanischen Politik Mexiko gegenüber zum Ausbruch kommen müsse. Wir glauben jedoch nicht, daß die mexikanische Frage — jetzt wenigstens noch nicht — der Funke sein wird, der das amerikanisch-japanische Pulverfaß zur Explosion bringen wird. Die Äußerung des Senators beweist jedoch, daß man auch in den mehr östlichen Staaten der Union an einen „ewigen Frieden" mit Japan nicht mehr so recht glaubt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/56>, abgerufen am 29.04.2024.