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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Volksmärchen der Bulgaren

zu stecken; "bis zu der Zeit, sagt man, waren die Hände der Menschen wie
Fäuste, von da an aber wurden sie zu Handflächen, wie sie jetzt sind." Der¬
artige Schlüsse fallen eigentlich aus dem echten Märchen heraus, sie gehören
zu den "Natursagen", die Dähnhardt und seine Genossen mit einem erstaun¬
lichen Aufwand von Gelehrsamkeit gesammelt und erläutert haben.*) Im
eigentlichen Märchen sind sie ein Zeichen der Zersetzung und dasselbe gilt von
den mancherlei Widersprüchen, Unwahrscheinlichkeiten und Sprüngen, die wir
in den bulgarischen Erzählungen finden. Auch hierin spiegeln sich die im Anfang
erwähnten, ethnographischen Verhältnisse des Bulgarenvolkes, das eben nicht
aus einer Wurzel entsprossen ist, in dem mancherlei Volkstum sich berührt
und kreuzt, ohne sich immer zu neuer Einheit zusammenzufügen. Darin aber
liegt ein besonderer Reiz dieser Märchen und nicht bloß sür den Forscher.
Und wir danken es dem Übersetzer, daß er diese Unstimmigkeiten nicht ver¬
wischt, sondern die Märchen uns ganz so übergeben hat, wie sie im Volksmunde
der Bulgaren umlaufen. Gerade so. wie sie sind, erzählen sie gar viel von
der inneren Entwickelungsgeschichte des Bulgarenvolkes und von seiner alten
Sitte, von den Zaren, die wie große Grundbesitzer unter den Ihrigen leben
und doch wieder gefürchtete Herren über Leben und Tod sind und dergleichen
mehr. Und gerade in ihrer schlichten Ursprünglichkeit offenbaren sie eine Fülle
von Poesie, die ihre Übersetzung in einer klug berechneten Auswahl auch
künstlerisch rechtfertigt.





Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden ?ann.


""chdruck siimtlicher Auffiiije nur uiid ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet,
verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichterselde West. -- Manuskriptsendungen und
Briefe werden erbeten unter der Adresse:
An den Herausgeber der Grenzbote" in Berlin-Lichterfcld- West, SternstraKe SS.
Fernsprecher des Herausgebers: Amt Lichterfelde 498, des Verlags und der Schriftleitung: Amt Liitzow SS10.
Verlag: Verlag der Grenzboten W, in> b. H. in Berlin SV II, Tempelhofer Ufer Wa.
Druck: "Der R-ichsbote" G> in> S, H. in Berlin SV 11. Dessmer Straße 3K/S7,
*) O. Dühnhardts Natursagen. Leipzig, B, G. Teubner.
Volksmärchen der Bulgaren

zu stecken; „bis zu der Zeit, sagt man, waren die Hände der Menschen wie
Fäuste, von da an aber wurden sie zu Handflächen, wie sie jetzt sind." Der¬
artige Schlüsse fallen eigentlich aus dem echten Märchen heraus, sie gehören
zu den „Natursagen", die Dähnhardt und seine Genossen mit einem erstaun¬
lichen Aufwand von Gelehrsamkeit gesammelt und erläutert haben.*) Im
eigentlichen Märchen sind sie ein Zeichen der Zersetzung und dasselbe gilt von
den mancherlei Widersprüchen, Unwahrscheinlichkeiten und Sprüngen, die wir
in den bulgarischen Erzählungen finden. Auch hierin spiegeln sich die im Anfang
erwähnten, ethnographischen Verhältnisse des Bulgarenvolkes, das eben nicht
aus einer Wurzel entsprossen ist, in dem mancherlei Volkstum sich berührt
und kreuzt, ohne sich immer zu neuer Einheit zusammenzufügen. Darin aber
liegt ein besonderer Reiz dieser Märchen und nicht bloß sür den Forscher.
Und wir danken es dem Übersetzer, daß er diese Unstimmigkeiten nicht ver¬
wischt, sondern die Märchen uns ganz so übergeben hat, wie sie im Volksmunde
der Bulgaren umlaufen. Gerade so. wie sie sind, erzählen sie gar viel von
der inneren Entwickelungsgeschichte des Bulgarenvolkes und von seiner alten
Sitte, von den Zaren, die wie große Grundbesitzer unter den Ihrigen leben
und doch wieder gefürchtete Herren über Leben und Tod sind und dergleichen
mehr. Und gerade in ihrer schlichten Ursprünglichkeit offenbaren sie eine Fülle
von Poesie, die ihre Übersetzung in einer klug berechneten Auswahl auch
künstlerisch rechtfertigt.





Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden ?ann.


»«chdruck siimtlicher Auffiiije nur uiid ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet,
verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichterselde West. — Manuskriptsendungen und
Briefe werden erbeten unter der Adresse:
An den Herausgeber der Grenzbote« in Berlin-Lichterfcld- West, SternstraKe SS.
Fernsprecher des Herausgebers: Amt Lichterfelde 498, des Verlags und der Schriftleitung: Amt Liitzow SS10.
Verlag: Verlag der Grenzboten W, in> b. H. in Berlin SV II, Tempelhofer Ufer Wa.
Druck: „Der R-ichsbote" G> in> S, H. in Berlin SV 11. Dessmer Straße 3K/S7,
*) O. Dühnhardts Natursagen. Leipzig, B, G. Teubner.
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[0044] Volksmärchen der Bulgaren zu stecken; „bis zu der Zeit, sagt man, waren die Hände der Menschen wie Fäuste, von da an aber wurden sie zu Handflächen, wie sie jetzt sind." Der¬ artige Schlüsse fallen eigentlich aus dem echten Märchen heraus, sie gehören zu den „Natursagen", die Dähnhardt und seine Genossen mit einem erstaun¬ lichen Aufwand von Gelehrsamkeit gesammelt und erläutert haben.*) Im eigentlichen Märchen sind sie ein Zeichen der Zersetzung und dasselbe gilt von den mancherlei Widersprüchen, Unwahrscheinlichkeiten und Sprüngen, die wir in den bulgarischen Erzählungen finden. Auch hierin spiegeln sich die im Anfang erwähnten, ethnographischen Verhältnisse des Bulgarenvolkes, das eben nicht aus einer Wurzel entsprossen ist, in dem mancherlei Volkstum sich berührt und kreuzt, ohne sich immer zu neuer Einheit zusammenzufügen. Darin aber liegt ein besonderer Reiz dieser Märchen und nicht bloß sür den Forscher. Und wir danken es dem Übersetzer, daß er diese Unstimmigkeiten nicht ver¬ wischt, sondern die Märchen uns ganz so übergeben hat, wie sie im Volksmunde der Bulgaren umlaufen. Gerade so. wie sie sind, erzählen sie gar viel von der inneren Entwickelungsgeschichte des Bulgarenvolkes und von seiner alten Sitte, von den Zaren, die wie große Grundbesitzer unter den Ihrigen leben und doch wieder gefürchtete Herren über Leben und Tod sind und dergleichen mehr. Und gerade in ihrer schlichten Ursprünglichkeit offenbaren sie eine Fülle von Poesie, die ihre Übersetzung in einer klug berechneten Auswahl auch künstlerisch rechtfertigt. Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werden ?ann. »«chdruck siimtlicher Auffiiije nur uiid ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet, verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichterselde West. — Manuskriptsendungen und Briefe werden erbeten unter der Adresse: An den Herausgeber der Grenzbote« in Berlin-Lichterfcld- West, SternstraKe SS. Fernsprecher des Herausgebers: Amt Lichterfelde 498, des Verlags und der Schriftleitung: Amt Liitzow SS10. Verlag: Verlag der Grenzboten W, in> b. H. in Berlin SV II, Tempelhofer Ufer Wa. Druck: „Der R-ichsbote" G> in> S, H. in Berlin SV 11. Dessmer Straße 3K/S7, *) O. Dühnhardts Natursagen. Leipzig, B, G. Teubner.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/44>, abgerufen am 21.05.2024.