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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Aus dem Briefwechsel von Gustav Freytag
mit Graf und Gräfin looks Baudissin
Herausgegeben von Professor Gustav lvilibald Freytag
(Schluß)
Sophie Baudissin an Freytag.

Lieber verehrter Freund,

Hätten Sie nur Wolfs Hohol gehört als ich Ihren Brief hoch in der
Hand in sein Zimmer trat u. fragte: "was habe ich da?" -- nun wurden
die Blätter gemeinschaftlich verschlungen. Auf das Weltgeschichtliche mag Wolf
antworten u. Ihnen von seiner Audienz beim König Johann erzählen; ich
habe nur Eile Ihnen zu danken, daß ich mit Unrecht an Ihrem Vertrauen
gezweifelt hatte. Es ist auch gut angebracht! -- Sie haben auch recht Lotte
für mindestens eben so gut als politisch kurzsichtig zu halten. Es ist eine
gewisse ruhige Behaglichkeit in ihre Anschauung gekommen die mich ganz zur
äußersten Linken treibt ihr gegenüber. Ihr Motto ist: es muß noch gut
werden! ich will wünschen daß sie recht habe, einstweilen aber begreife ich
ihren Vater mehr, der allein aus Anger über die preußische Politik einen
Gichtanfall bekommen hat- -- Wenn es denkbar ist, daß die Mittelstaaten Ernst
machen, dann sollte mich des Herzogs Bedenklichkeit nicht reuen, denn sie würden
ihn unfehlbar im Stich gelassen haben, bei der Angst vor Democmtischen
Demonstrationen, so thun sie es vielleicht auch! Wer kann Fürsten noch
trauen? -- Wie schade daß Schleswigholstein, das zur Republic die glücklichsten
Elemente hat, nicht als solche geduldet werden würde. Wir wollen ganz froh
sein, wenn es unter den Augustenburger kommt u. ich hoffe da dies noch kein
Ideal von Zustand wird, so kann's gelingen.

Jetzt möchte ich Ihnen noch eine Privatangelegenheit an's Herz legen:
wir müssen Klee^) retten er ist zuweilen dem Tiefstnn nah -- trinkt bedenklich
viel u. sagte neulich bei uns in einem Jahre werde er wahnsinnig oder er¬
schossen sein, er sagte es alles Ernstes. Vorwürfe über das Trinken mögen
dabei sein -- Aerger über die Politik hauptsächlich. Das einzige Rettungs¬
mittel wäre für ihn ein Urlaub u. eine Thätigkeit in nationalen Sachen.
Kommt es zum Krieg so muß er mit -- es ist sein heißester Wunsch. Können



>2) Der Germanist Gotthold Klee, Herausgeber von "Deutsche Heldensagen" u. and. --


Aus dem Briefwechsel von Gustav Freytag
mit Graf und Gräfin looks Baudissin
Herausgegeben von Professor Gustav lvilibald Freytag
(Schluß)
Sophie Baudissin an Freytag.

Lieber verehrter Freund,

Hätten Sie nur Wolfs Hohol gehört als ich Ihren Brief hoch in der
Hand in sein Zimmer trat u. fragte: „was habe ich da?" — nun wurden
die Blätter gemeinschaftlich verschlungen. Auf das Weltgeschichtliche mag Wolf
antworten u. Ihnen von seiner Audienz beim König Johann erzählen; ich
habe nur Eile Ihnen zu danken, daß ich mit Unrecht an Ihrem Vertrauen
gezweifelt hatte. Es ist auch gut angebracht! — Sie haben auch recht Lotte
für mindestens eben so gut als politisch kurzsichtig zu halten. Es ist eine
gewisse ruhige Behaglichkeit in ihre Anschauung gekommen die mich ganz zur
äußersten Linken treibt ihr gegenüber. Ihr Motto ist: es muß noch gut
werden! ich will wünschen daß sie recht habe, einstweilen aber begreife ich
ihren Vater mehr, der allein aus Anger über die preußische Politik einen
Gichtanfall bekommen hat- — Wenn es denkbar ist, daß die Mittelstaaten Ernst
machen, dann sollte mich des Herzogs Bedenklichkeit nicht reuen, denn sie würden
ihn unfehlbar im Stich gelassen haben, bei der Angst vor Democmtischen
Demonstrationen, so thun sie es vielleicht auch! Wer kann Fürsten noch
trauen? — Wie schade daß Schleswigholstein, das zur Republic die glücklichsten
Elemente hat, nicht als solche geduldet werden würde. Wir wollen ganz froh
sein, wenn es unter den Augustenburger kommt u. ich hoffe da dies noch kein
Ideal von Zustand wird, so kann's gelingen.

Jetzt möchte ich Ihnen noch eine Privatangelegenheit an's Herz legen:
wir müssen Klee^) retten er ist zuweilen dem Tiefstnn nah — trinkt bedenklich
viel u. sagte neulich bei uns in einem Jahre werde er wahnsinnig oder er¬
schossen sein, er sagte es alles Ernstes. Vorwürfe über das Trinken mögen
dabei sein — Aerger über die Politik hauptsächlich. Das einzige Rettungs¬
mittel wäre für ihn ein Urlaub u. eine Thätigkeit in nationalen Sachen.
Kommt es zum Krieg so muß er mit — es ist sein heißester Wunsch. Können



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[0129] [Abbildung] Aus dem Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin looks Baudissin Herausgegeben von Professor Gustav lvilibald Freytag (Schluß) Sophie Baudissin an Freytag. Lieber verehrter Freund, Hätten Sie nur Wolfs Hohol gehört als ich Ihren Brief hoch in der Hand in sein Zimmer trat u. fragte: „was habe ich da?" — nun wurden die Blätter gemeinschaftlich verschlungen. Auf das Weltgeschichtliche mag Wolf antworten u. Ihnen von seiner Audienz beim König Johann erzählen; ich habe nur Eile Ihnen zu danken, daß ich mit Unrecht an Ihrem Vertrauen gezweifelt hatte. Es ist auch gut angebracht! — Sie haben auch recht Lotte für mindestens eben so gut als politisch kurzsichtig zu halten. Es ist eine gewisse ruhige Behaglichkeit in ihre Anschauung gekommen die mich ganz zur äußersten Linken treibt ihr gegenüber. Ihr Motto ist: es muß noch gut werden! ich will wünschen daß sie recht habe, einstweilen aber begreife ich ihren Vater mehr, der allein aus Anger über die preußische Politik einen Gichtanfall bekommen hat- — Wenn es denkbar ist, daß die Mittelstaaten Ernst machen, dann sollte mich des Herzogs Bedenklichkeit nicht reuen, denn sie würden ihn unfehlbar im Stich gelassen haben, bei der Angst vor Democmtischen Demonstrationen, so thun sie es vielleicht auch! Wer kann Fürsten noch trauen? — Wie schade daß Schleswigholstein, das zur Republic die glücklichsten Elemente hat, nicht als solche geduldet werden würde. Wir wollen ganz froh sein, wenn es unter den Augustenburger kommt u. ich hoffe da dies noch kein Ideal von Zustand wird, so kann's gelingen. Jetzt möchte ich Ihnen noch eine Privatangelegenheit an's Herz legen: wir müssen Klee^) retten er ist zuweilen dem Tiefstnn nah — trinkt bedenklich viel u. sagte neulich bei uns in einem Jahre werde er wahnsinnig oder er¬ schossen sein, er sagte es alles Ernstes. Vorwürfe über das Trinken mögen dabei sein — Aerger über die Politik hauptsächlich. Das einzige Rettungs¬ mittel wäre für ihn ein Urlaub u. eine Thätigkeit in nationalen Sachen. Kommt es zum Krieg so muß er mit — es ist sein heißester Wunsch. Können >2) Der Germanist Gotthold Klee, Herausgeber von „Deutsche Heldensagen" u. and. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/129>, abgerufen am 17.06.2024.