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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Die deutschen Kolonien in Bosnien und der Aricg

Derartige Pläne, Ersetzung der Zweiteilung der Habsburger Monarchie
durch eine Dreiteilung -- "Trialismus" statt des bisherigen "Dualismus" --
find vor dem Kriege erwogen worden. Allerhand Erfahrungen über die Zu¬
verlässigkeit weiter Kreise in diesen Provinzen, so das Attentat auf den Barus
von Kroatien, der Agramer Hochverratsprozeß, die notwendig gewordene Auf¬
lösung der Gemeindevertretungen wichtiger Städte während des Krieges, werden
dem Gedanken des Trialismus aber schwerlich förderlich gewesen sein.

Die von Pfarrer Osler angedeutete Frage der Verlegung der böhmischen
Kolonien ist auch einmal für die deutschen Kolonien in Galizien brennend ge¬
wesen, damals, als Preußen "Rückwanderern" zur Ansiedlung in Posen und
Westpreußen verlockende Anerbietungen machte.

Von wohlmeinendster Seite ist damals die Einziehung der deutschen "Vor¬
posten" in Galizien empfohlen worden und tatsächlich sind auch damals fünf¬
tausend Deutsche von dort in die preußischen Ansiedlungs-Provinzen abgewandert
und einige der galizischen Siedlungen sind durch die Abwanderung selbst und
durch Eindringen von Slawen in die leergewordenen Höfe erheblich geschwächt
worden. Merkwürdigerweise hat das Eindringen der Slawen in die vorher
geschlossenen deutschen Dörfer einen ungeahnten Aufschwung des Deutschtums
in Galizien zur Folge gehabt, weil bei den Zurückbleibenden das völkische
Gefühl und der wirtschaftliche Fortschritt -- durch genossenschaftlichen Zusammen¬
schluß -- sich mächtig hoben. Die dortigen deutschen Gemeinden haben schon
bei der zweimaligen, viele Monate dauernden Kriegsbereitschaft der Grenz¬
provinz und wieder während des Krieges reichlich Gelegenheit gehabt, ihre
Staatstreue und ihre kriegswirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu beweisen, und
sie sind dafür auch von den höchsten Führern der österreichisch-ungarischen
Armee entsprechend anerkannt worden. Freilich haben sie dafür auch doppelt
unter der Wut der Russen zu leiden gehabt, und die meisten brauchen aus¬
giebige Hilfe seitens des Mutterlandes, um sich wirtschaftlich erholen zu können.

Dabei lastet auf ihnen derselbe Druck der Unsicherheit ihrer Zukunft wie
auf denen in Bosnien. Ihre wirtschaftliche und namentlich ihre völkische
Zukunft ist ebenfalls wesentlich abhängig von der Entscheidung einer -- noch
wichtigeren -- politischen Frage, von der bevorstehenden Lösung der polnisch-
ruthenischen Gesamtsrage.

Hoffentlich bringt der Krieg und der Sieg unserer Waffen für die Vor¬
posten des Deutschtums im Osten keine derartige Gestaltung ihrer völkischen
Aussichten, daß sie zwischen Volkstum und Heimat zu wählen haben.

Es wäre tief bedauerlich, wenn als einzige Rettung für ihr Deutschtum,
und damit in letzter Linie auch für ihre wirtschaftliche Zukunft, die Losreißung
der Gemeinden von dem nun auch mit Blut gedüngten Boden in Frage käme.




Die deutschen Kolonien in Bosnien und der Aricg

Derartige Pläne, Ersetzung der Zweiteilung der Habsburger Monarchie
durch eine Dreiteilung — „Trialismus" statt des bisherigen „Dualismus" —
find vor dem Kriege erwogen worden. Allerhand Erfahrungen über die Zu¬
verlässigkeit weiter Kreise in diesen Provinzen, so das Attentat auf den Barus
von Kroatien, der Agramer Hochverratsprozeß, die notwendig gewordene Auf¬
lösung der Gemeindevertretungen wichtiger Städte während des Krieges, werden
dem Gedanken des Trialismus aber schwerlich förderlich gewesen sein.

Die von Pfarrer Osler angedeutete Frage der Verlegung der böhmischen
Kolonien ist auch einmal für die deutschen Kolonien in Galizien brennend ge¬
wesen, damals, als Preußen „Rückwanderern" zur Ansiedlung in Posen und
Westpreußen verlockende Anerbietungen machte.

Von wohlmeinendster Seite ist damals die Einziehung der deutschen „Vor¬
posten" in Galizien empfohlen worden und tatsächlich sind auch damals fünf¬
tausend Deutsche von dort in die preußischen Ansiedlungs-Provinzen abgewandert
und einige der galizischen Siedlungen sind durch die Abwanderung selbst und
durch Eindringen von Slawen in die leergewordenen Höfe erheblich geschwächt
worden. Merkwürdigerweise hat das Eindringen der Slawen in die vorher
geschlossenen deutschen Dörfer einen ungeahnten Aufschwung des Deutschtums
in Galizien zur Folge gehabt, weil bei den Zurückbleibenden das völkische
Gefühl und der wirtschaftliche Fortschritt — durch genossenschaftlichen Zusammen¬
schluß — sich mächtig hoben. Die dortigen deutschen Gemeinden haben schon
bei der zweimaligen, viele Monate dauernden Kriegsbereitschaft der Grenz¬
provinz und wieder während des Krieges reichlich Gelegenheit gehabt, ihre
Staatstreue und ihre kriegswirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu beweisen, und
sie sind dafür auch von den höchsten Führern der österreichisch-ungarischen
Armee entsprechend anerkannt worden. Freilich haben sie dafür auch doppelt
unter der Wut der Russen zu leiden gehabt, und die meisten brauchen aus¬
giebige Hilfe seitens des Mutterlandes, um sich wirtschaftlich erholen zu können.

Dabei lastet auf ihnen derselbe Druck der Unsicherheit ihrer Zukunft wie
auf denen in Bosnien. Ihre wirtschaftliche und namentlich ihre völkische
Zukunft ist ebenfalls wesentlich abhängig von der Entscheidung einer — noch
wichtigeren — politischen Frage, von der bevorstehenden Lösung der polnisch-
ruthenischen Gesamtsrage.

Hoffentlich bringt der Krieg und der Sieg unserer Waffen für die Vor¬
posten des Deutschtums im Osten keine derartige Gestaltung ihrer völkischen
Aussichten, daß sie zwischen Volkstum und Heimat zu wählen haben.

Es wäre tief bedauerlich, wenn als einzige Rettung für ihr Deutschtum,
und damit in letzter Linie auch für ihre wirtschaftliche Zukunft, die Losreißung
der Gemeinden von dem nun auch mit Blut gedüngten Boden in Frage käme.




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[0128] Die deutschen Kolonien in Bosnien und der Aricg Derartige Pläne, Ersetzung der Zweiteilung der Habsburger Monarchie durch eine Dreiteilung — „Trialismus" statt des bisherigen „Dualismus" — find vor dem Kriege erwogen worden. Allerhand Erfahrungen über die Zu¬ verlässigkeit weiter Kreise in diesen Provinzen, so das Attentat auf den Barus von Kroatien, der Agramer Hochverratsprozeß, die notwendig gewordene Auf¬ lösung der Gemeindevertretungen wichtiger Städte während des Krieges, werden dem Gedanken des Trialismus aber schwerlich förderlich gewesen sein. Die von Pfarrer Osler angedeutete Frage der Verlegung der böhmischen Kolonien ist auch einmal für die deutschen Kolonien in Galizien brennend ge¬ wesen, damals, als Preußen „Rückwanderern" zur Ansiedlung in Posen und Westpreußen verlockende Anerbietungen machte. Von wohlmeinendster Seite ist damals die Einziehung der deutschen „Vor¬ posten" in Galizien empfohlen worden und tatsächlich sind auch damals fünf¬ tausend Deutsche von dort in die preußischen Ansiedlungs-Provinzen abgewandert und einige der galizischen Siedlungen sind durch die Abwanderung selbst und durch Eindringen von Slawen in die leergewordenen Höfe erheblich geschwächt worden. Merkwürdigerweise hat das Eindringen der Slawen in die vorher geschlossenen deutschen Dörfer einen ungeahnten Aufschwung des Deutschtums in Galizien zur Folge gehabt, weil bei den Zurückbleibenden das völkische Gefühl und der wirtschaftliche Fortschritt — durch genossenschaftlichen Zusammen¬ schluß — sich mächtig hoben. Die dortigen deutschen Gemeinden haben schon bei der zweimaligen, viele Monate dauernden Kriegsbereitschaft der Grenz¬ provinz und wieder während des Krieges reichlich Gelegenheit gehabt, ihre Staatstreue und ihre kriegswirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu beweisen, und sie sind dafür auch von den höchsten Führern der österreichisch-ungarischen Armee entsprechend anerkannt worden. Freilich haben sie dafür auch doppelt unter der Wut der Russen zu leiden gehabt, und die meisten brauchen aus¬ giebige Hilfe seitens des Mutterlandes, um sich wirtschaftlich erholen zu können. Dabei lastet auf ihnen derselbe Druck der Unsicherheit ihrer Zukunft wie auf denen in Bosnien. Ihre wirtschaftliche und namentlich ihre völkische Zukunft ist ebenfalls wesentlich abhängig von der Entscheidung einer — noch wichtigeren — politischen Frage, von der bevorstehenden Lösung der polnisch- ruthenischen Gesamtsrage. Hoffentlich bringt der Krieg und der Sieg unserer Waffen für die Vor¬ posten des Deutschtums im Osten keine derartige Gestaltung ihrer völkischen Aussichten, daß sie zwischen Volkstum und Heimat zu wählen haben. Es wäre tief bedauerlich, wenn als einzige Rettung für ihr Deutschtum, und damit in letzter Linie auch für ihre wirtschaftliche Zukunft, die Losreißung der Gemeinden von dem nun auch mit Blut gedüngten Boden in Frage käme.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/128>, abgerufen am 17.06.2024.