Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Lin deutscher Reichsvolkswirtschaftsrat

Abgeordnete Ökonomierat Dr. Hochab. Dieser führte unter anderem folgendes
aus: wir litten in wirtschaftlicher Hinsicht vor allem darunter, daß wir -- so¬
wohl die Regierung als auch das Volk -- uns gegenüber der drohenden Kriegs¬
gefahr nicht genügend gewappnet Hütten. Ferner dürfe es so wie bisher mit
der unzulänglichen Aufklärung des Volkes auf wirtschaftlichem Gebiete nicht
weitergehen. Das heranwachsende Geschlecht müsse in der Schule und später
über die Wirtschaftsfaktoren mehr aufgeklärt werden. Dr. Hochab fährt dann
wörtlich fort: "Unser Volk muß es würdigen lernen, daß nur ein volles gegen¬
seitiges Sichganzverstehen uns für die Zukunft davor sichern kann, daß nicht von
dieser oder jener Zufallsmajorität in einer gesetzgebenden Körperschaft eine Neu¬
ordnung unserer Wirtschaftspolitik geschaffen wird, die uns wiederum derartigen
Gefahren auszusetzen geeignet ist." Das sind beherzigenswerte Worte, die man
gar nicht genug betonen kann.

Wenn aber auch die wirtschaftliche Einsicht des deutschen Volkes im ganzen
allmählich gehoben werden sollte, so werden gerade unmittelbar nach dem Kriege
wirtschaftliche Fragen der schwierigsten Art von Bundesrat und Reichstag
beraten und gesetzgeberisch gelöst werden müssen. Außerdem wird es ein frommer
Wunsch bleiben, daß die wirtschaftliche Aufklärung der breiten Wählermassen
jemals einen solchen Grad erreichen könnte, daß sie befähigt wären, eine sachlich
richtige Entscheidung in den schwierigen Fragen der künftigen deutschen Zoll-
und Handelspolitik, des Schutzzollsystems, der Handelsverträge, des Zoll¬
tarifes usw. zu treffen. Noch viel fraglicher ist es, ob die wirtschaftlich durch"
gebildeten Wähler bei der Wahl mit ihren Stimmen auch durchdringen, und
ob der von ihnen gewählte Abgeordnete selbst wieder über die nötigen volks-
und weit-wirtschaftlichen Kenntnisse verfügt, um jene schwierigen Fragen
unentscheiden zu können.

Dr. Hochab weist darauf hin, daß aus dem Kriegszustand heraus Ver¬
hältnisse entstanden seien, die einfach gar nicht mit der überkommenen Arbeits¬
weise unserer Bureaukratie -- Bureaukratie im besten Sinne des Wortes --
gelöst werden konnten. Der Abbau der Kriegswirtschaft, ihre Überführung in
die Friedenswirtschaft und die künftige Gestaltung der deutschen Wirtschafts¬
politik werden aber ähnlich schwierige Probleme aufrollen. Wenn auch in
Zukunft manches supplem nicht so heiß gegessen werden wird, wie sie sämtlich
nach den Beschlüssen der Pariser Wirtschaftskonferenz für uns Deutschen auch nach
dem Kriege gekocht werden sollen, so ist eines doch sicher: die bisher bestehenden
gesetzgebenden Faktoren des Reiches (Bundesrat und Reichstag) können die
Aufgaben, die ihnen künftig auf wirtschaftlichem Gebiete gestellt werden, kaum
allein lösen. Es muß eine dritte Körperschaft ins Leben gerufen werden: ein
deutscher Reichsvolkswirtschaftsrat.

Die zuständigen Reichsbehörden werden nach dem Kriege noch weit mehr
als bisher auf die Mitwirkung sachverständiger Berater bei der Anfertigung
der Entwürfe der Zoll- und Wirtschaftsgesetze angewiesen sein; ich komme später


Lin deutscher Reichsvolkswirtschaftsrat

Abgeordnete Ökonomierat Dr. Hochab. Dieser führte unter anderem folgendes
aus: wir litten in wirtschaftlicher Hinsicht vor allem darunter, daß wir — so¬
wohl die Regierung als auch das Volk — uns gegenüber der drohenden Kriegs¬
gefahr nicht genügend gewappnet Hütten. Ferner dürfe es so wie bisher mit
der unzulänglichen Aufklärung des Volkes auf wirtschaftlichem Gebiete nicht
weitergehen. Das heranwachsende Geschlecht müsse in der Schule und später
über die Wirtschaftsfaktoren mehr aufgeklärt werden. Dr. Hochab fährt dann
wörtlich fort: „Unser Volk muß es würdigen lernen, daß nur ein volles gegen¬
seitiges Sichganzverstehen uns für die Zukunft davor sichern kann, daß nicht von
dieser oder jener Zufallsmajorität in einer gesetzgebenden Körperschaft eine Neu¬
ordnung unserer Wirtschaftspolitik geschaffen wird, die uns wiederum derartigen
Gefahren auszusetzen geeignet ist." Das sind beherzigenswerte Worte, die man
gar nicht genug betonen kann.

Wenn aber auch die wirtschaftliche Einsicht des deutschen Volkes im ganzen
allmählich gehoben werden sollte, so werden gerade unmittelbar nach dem Kriege
wirtschaftliche Fragen der schwierigsten Art von Bundesrat und Reichstag
beraten und gesetzgeberisch gelöst werden müssen. Außerdem wird es ein frommer
Wunsch bleiben, daß die wirtschaftliche Aufklärung der breiten Wählermassen
jemals einen solchen Grad erreichen könnte, daß sie befähigt wären, eine sachlich
richtige Entscheidung in den schwierigen Fragen der künftigen deutschen Zoll-
und Handelspolitik, des Schutzzollsystems, der Handelsverträge, des Zoll¬
tarifes usw. zu treffen. Noch viel fraglicher ist es, ob die wirtschaftlich durch»
gebildeten Wähler bei der Wahl mit ihren Stimmen auch durchdringen, und
ob der von ihnen gewählte Abgeordnete selbst wieder über die nötigen volks-
und weit-wirtschaftlichen Kenntnisse verfügt, um jene schwierigen Fragen
unentscheiden zu können.

Dr. Hochab weist darauf hin, daß aus dem Kriegszustand heraus Ver¬
hältnisse entstanden seien, die einfach gar nicht mit der überkommenen Arbeits¬
weise unserer Bureaukratie — Bureaukratie im besten Sinne des Wortes —
gelöst werden konnten. Der Abbau der Kriegswirtschaft, ihre Überführung in
die Friedenswirtschaft und die künftige Gestaltung der deutschen Wirtschafts¬
politik werden aber ähnlich schwierige Probleme aufrollen. Wenn auch in
Zukunft manches supplem nicht so heiß gegessen werden wird, wie sie sämtlich
nach den Beschlüssen der Pariser Wirtschaftskonferenz für uns Deutschen auch nach
dem Kriege gekocht werden sollen, so ist eines doch sicher: die bisher bestehenden
gesetzgebenden Faktoren des Reiches (Bundesrat und Reichstag) können die
Aufgaben, die ihnen künftig auf wirtschaftlichem Gebiete gestellt werden, kaum
allein lösen. Es muß eine dritte Körperschaft ins Leben gerufen werden: ein
deutscher Reichsvolkswirtschaftsrat.

Die zuständigen Reichsbehörden werden nach dem Kriege noch weit mehr
als bisher auf die Mitwirkung sachverständiger Berater bei der Anfertigung
der Entwürfe der Zoll- und Wirtschaftsgesetze angewiesen sein; ich komme später


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330753"/>
          <fw type="header" place="top"> Lin deutscher Reichsvolkswirtschaftsrat</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_725" prev="#ID_724"> Abgeordnete Ökonomierat Dr. Hochab. Dieser führte unter anderem folgendes<lb/>
aus: wir litten in wirtschaftlicher Hinsicht vor allem darunter, daß wir &#x2014; so¬<lb/>
wohl die Regierung als auch das Volk &#x2014; uns gegenüber der drohenden Kriegs¬<lb/>
gefahr nicht genügend gewappnet Hütten. Ferner dürfe es so wie bisher mit<lb/>
der unzulänglichen Aufklärung des Volkes auf wirtschaftlichem Gebiete nicht<lb/>
weitergehen. Das heranwachsende Geschlecht müsse in der Schule und später<lb/>
über die Wirtschaftsfaktoren mehr aufgeklärt werden. Dr. Hochab fährt dann<lb/>
wörtlich fort: &#x201E;Unser Volk muß es würdigen lernen, daß nur ein volles gegen¬<lb/>
seitiges Sichganzverstehen uns für die Zukunft davor sichern kann, daß nicht von<lb/>
dieser oder jener Zufallsmajorität in einer gesetzgebenden Körperschaft eine Neu¬<lb/>
ordnung unserer Wirtschaftspolitik geschaffen wird, die uns wiederum derartigen<lb/>
Gefahren auszusetzen geeignet ist." Das sind beherzigenswerte Worte, die man<lb/>
gar nicht genug betonen kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_726"> Wenn aber auch die wirtschaftliche Einsicht des deutschen Volkes im ganzen<lb/>
allmählich gehoben werden sollte, so werden gerade unmittelbar nach dem Kriege<lb/>
wirtschaftliche Fragen der schwierigsten Art von Bundesrat und Reichstag<lb/>
beraten und gesetzgeberisch gelöst werden müssen. Außerdem wird es ein frommer<lb/>
Wunsch bleiben, daß die wirtschaftliche Aufklärung der breiten Wählermassen<lb/>
jemals einen solchen Grad erreichen könnte, daß sie befähigt wären, eine sachlich<lb/>
richtige Entscheidung in den schwierigen Fragen der künftigen deutschen Zoll-<lb/>
und Handelspolitik, des Schutzzollsystems, der Handelsverträge, des Zoll¬<lb/>
tarifes usw. zu treffen. Noch viel fraglicher ist es, ob die wirtschaftlich durch»<lb/>
gebildeten Wähler bei der Wahl mit ihren Stimmen auch durchdringen, und<lb/>
ob der von ihnen gewählte Abgeordnete selbst wieder über die nötigen volks-<lb/>
und weit-wirtschaftlichen Kenntnisse verfügt, um jene schwierigen Fragen<lb/>
unentscheiden zu können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_727"> Dr. Hochab weist darauf hin, daß aus dem Kriegszustand heraus Ver¬<lb/>
hältnisse entstanden seien, die einfach gar nicht mit der überkommenen Arbeits¬<lb/>
weise unserer Bureaukratie &#x2014; Bureaukratie im besten Sinne des Wortes &#x2014;<lb/>
gelöst werden konnten. Der Abbau der Kriegswirtschaft, ihre Überführung in<lb/>
die Friedenswirtschaft und die künftige Gestaltung der deutschen Wirtschafts¬<lb/>
politik werden aber ähnlich schwierige Probleme aufrollen. Wenn auch in<lb/>
Zukunft manches supplem nicht so heiß gegessen werden wird, wie sie sämtlich<lb/>
nach den Beschlüssen der Pariser Wirtschaftskonferenz für uns Deutschen auch nach<lb/>
dem Kriege gekocht werden sollen, so ist eines doch sicher: die bisher bestehenden<lb/>
gesetzgebenden Faktoren des Reiches (Bundesrat und Reichstag) können die<lb/>
Aufgaben, die ihnen künftig auf wirtschaftlichem Gebiete gestellt werden, kaum<lb/>
allein lösen. Es muß eine dritte Körperschaft ins Leben gerufen werden: ein<lb/>
deutscher Reichsvolkswirtschaftsrat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_728" next="#ID_729"> Die zuständigen Reichsbehörden werden nach dem Kriege noch weit mehr<lb/>
als bisher auf die Mitwirkung sachverständiger Berater bei der Anfertigung<lb/>
der Entwürfe der Zoll- und Wirtschaftsgesetze angewiesen sein; ich komme später</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0215] Lin deutscher Reichsvolkswirtschaftsrat Abgeordnete Ökonomierat Dr. Hochab. Dieser führte unter anderem folgendes aus: wir litten in wirtschaftlicher Hinsicht vor allem darunter, daß wir — so¬ wohl die Regierung als auch das Volk — uns gegenüber der drohenden Kriegs¬ gefahr nicht genügend gewappnet Hütten. Ferner dürfe es so wie bisher mit der unzulänglichen Aufklärung des Volkes auf wirtschaftlichem Gebiete nicht weitergehen. Das heranwachsende Geschlecht müsse in der Schule und später über die Wirtschaftsfaktoren mehr aufgeklärt werden. Dr. Hochab fährt dann wörtlich fort: „Unser Volk muß es würdigen lernen, daß nur ein volles gegen¬ seitiges Sichganzverstehen uns für die Zukunft davor sichern kann, daß nicht von dieser oder jener Zufallsmajorität in einer gesetzgebenden Körperschaft eine Neu¬ ordnung unserer Wirtschaftspolitik geschaffen wird, die uns wiederum derartigen Gefahren auszusetzen geeignet ist." Das sind beherzigenswerte Worte, die man gar nicht genug betonen kann. Wenn aber auch die wirtschaftliche Einsicht des deutschen Volkes im ganzen allmählich gehoben werden sollte, so werden gerade unmittelbar nach dem Kriege wirtschaftliche Fragen der schwierigsten Art von Bundesrat und Reichstag beraten und gesetzgeberisch gelöst werden müssen. Außerdem wird es ein frommer Wunsch bleiben, daß die wirtschaftliche Aufklärung der breiten Wählermassen jemals einen solchen Grad erreichen könnte, daß sie befähigt wären, eine sachlich richtige Entscheidung in den schwierigen Fragen der künftigen deutschen Zoll- und Handelspolitik, des Schutzzollsystems, der Handelsverträge, des Zoll¬ tarifes usw. zu treffen. Noch viel fraglicher ist es, ob die wirtschaftlich durch» gebildeten Wähler bei der Wahl mit ihren Stimmen auch durchdringen, und ob der von ihnen gewählte Abgeordnete selbst wieder über die nötigen volks- und weit-wirtschaftlichen Kenntnisse verfügt, um jene schwierigen Fragen unentscheiden zu können. Dr. Hochab weist darauf hin, daß aus dem Kriegszustand heraus Ver¬ hältnisse entstanden seien, die einfach gar nicht mit der überkommenen Arbeits¬ weise unserer Bureaukratie — Bureaukratie im besten Sinne des Wortes — gelöst werden konnten. Der Abbau der Kriegswirtschaft, ihre Überführung in die Friedenswirtschaft und die künftige Gestaltung der deutschen Wirtschafts¬ politik werden aber ähnlich schwierige Probleme aufrollen. Wenn auch in Zukunft manches supplem nicht so heiß gegessen werden wird, wie sie sämtlich nach den Beschlüssen der Pariser Wirtschaftskonferenz für uns Deutschen auch nach dem Kriege gekocht werden sollen, so ist eines doch sicher: die bisher bestehenden gesetzgebenden Faktoren des Reiches (Bundesrat und Reichstag) können die Aufgaben, die ihnen künftig auf wirtschaftlichem Gebiete gestellt werden, kaum allein lösen. Es muß eine dritte Körperschaft ins Leben gerufen werden: ein deutscher Reichsvolkswirtschaftsrat. Die zuständigen Reichsbehörden werden nach dem Kriege noch weit mehr als bisher auf die Mitwirkung sachverständiger Berater bei der Anfertigung der Entwürfe der Zoll- und Wirtschaftsgesetze angewiesen sein; ich komme später

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/215
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/215>, abgerufen am 27.05.2024.