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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Herkunft und Bedeutung des Wortes "hocke"

Wie erklärt sich die Übertragung gerade auf die Deutschen? Sind für die
Jnhaltsvorstellungen, die dieses Wort bei einem Franzosen auslöst, andere
gleich- oder ähnlich lautende Wörter von Einfluß gewesen? Woher ist letzten
Endes "hocke" abgeleitet?

Ich will nun im folgenden an der Hand dieser, für eine einigermaßen
erschöpfende Darlegung notwendigen Fragen die wichtigsten Ergebnisse zu¬
sammenstellen.

Seit etwa fünfzig Jahren kennt die französische Sprache das Wort "hocke".
Es wird verwandt im /^ot d. h. der nicht literarischen Sprache des niederen
Volkes oder bestimmter Stände. Zunächst wird es ohne jede Beziehung auf
die Deutschen gebraucht als Schimpfwort von nicht ganz fester Bedeutung,
doch scheint es einen geistig und körperlich schwerfälligen Menschen bezeichnet
zu haben. Sainöan belegt es für 13K6 (vgl. Dr. Eugen Lerch, Was heißt
"hocke"?, Berliner Tageblatt, Ur. 380, 1915).

Professor Dr. Werner gibt dem Verfasser des Artikels "Boches Ende"
(Aller Kriegszeitung vom 24. Dezember 1915) nach victionnaire et'^rZot
von Jean La Rue (ein Deckname) "hocke" "schlecht, häßlich, deutsch" an.
Ich selbst habe "hocke" in Lorödan Lärchen, victionnaire Ki8torique
6'^rZot in der in meinem Besitz befindlichen neunten Auflage -- 1881 -- nach¬
weisen können. Hier ist es übersetzt mit "libertin, mauvais 8ujet" also
"liederlicher Mensch". Daß die Bedeutung eines Schimpfwortes des ^r^ot
nicht genau zu fassen ist, wird nicht verwunderlich sein.

Wann läßt sich nun "hocke" als übertragen auf den Deutschen erstmalig
nachweisen? In dem Ergänzungsbande zu Lärchen -- 1883 -- fand ich
>,do8et" (So!) ^ "^llemanä, ^llemanäe." Dieses Wort ist dem Herausgeber
von Gustave Mans in einem handschriftlichen Glossar mitgeteilt worden. Lautlich
fällt "do3et" natürlich mit "hocke" zusammen, die Schreibung -- hat --
würde auf flämischen Einfluß deuten, wovon unten noch die Rede sein wird.
Der Sinn von "hocke" ^ "Deutscher" wird zunächst durch das bestehende
Argotwort beeinflußt sein, das einen schwerfälligen, ungeschickten, schlechten,
häßlichen, liederlichen Menschen bezeichnete. Wie erklärt sich nun die Über¬
tragung dieses Lautgebildes gerade auf die Deutschen? Hiermit kommen wir
zu den beiden anderen sprachlichen Grundlagen des auf uns gemünzten Schimpf¬
wortes: LabocKe und ^IbocKe. Wenn Sachs-Villatte im Ergänzungsbande
seines großen Wörterbuches -- 1894 -- "hocke" mit "liederlicher Mensch"
(also libertin) übersetzt und dann noch "Me ac hocke" "Dickkopf" angibt,
so hat er das Argotwort, von dem wir eben sprachen, mit einem anderen
Wort "hocke" zusammengeworfen. Die sprachlichen Unterlagen des letzteren
sind einerseits das südfranzösische "hocke" die Buchsbaumkugel des Mailspieles,
die die übertragene Bedeutung "Dickschädel" nahelegt*), andererseits "eabocke",



*) Vgl. die wertvollen Ausführungen des Kriegsfreiwilligen R. Hamm in der Liller
Kriegszeitung a. a. O. und in "Neueren Sprachen", Juni 1916.
Herkunft und Bedeutung des Wortes „hocke"

Wie erklärt sich die Übertragung gerade auf die Deutschen? Sind für die
Jnhaltsvorstellungen, die dieses Wort bei einem Franzosen auslöst, andere
gleich- oder ähnlich lautende Wörter von Einfluß gewesen? Woher ist letzten
Endes „hocke" abgeleitet?

Ich will nun im folgenden an der Hand dieser, für eine einigermaßen
erschöpfende Darlegung notwendigen Fragen die wichtigsten Ergebnisse zu¬
sammenstellen.

Seit etwa fünfzig Jahren kennt die französische Sprache das Wort „hocke".
Es wird verwandt im /^ot d. h. der nicht literarischen Sprache des niederen
Volkes oder bestimmter Stände. Zunächst wird es ohne jede Beziehung auf
die Deutschen gebraucht als Schimpfwort von nicht ganz fester Bedeutung,
doch scheint es einen geistig und körperlich schwerfälligen Menschen bezeichnet
zu haben. Sainöan belegt es für 13K6 (vgl. Dr. Eugen Lerch, Was heißt
„hocke"?, Berliner Tageblatt, Ur. 380, 1915).

Professor Dr. Werner gibt dem Verfasser des Artikels „Boches Ende"
(Aller Kriegszeitung vom 24. Dezember 1915) nach victionnaire et'^rZot
von Jean La Rue (ein Deckname) „hocke" „schlecht, häßlich, deutsch" an.
Ich selbst habe „hocke" in Lorödan Lärchen, victionnaire Ki8torique
6'^rZot in der in meinem Besitz befindlichen neunten Auflage — 1881 — nach¬
weisen können. Hier ist es übersetzt mit „libertin, mauvais 8ujet" also
„liederlicher Mensch". Daß die Bedeutung eines Schimpfwortes des ^r^ot
nicht genau zu fassen ist, wird nicht verwunderlich sein.

Wann läßt sich nun „hocke" als übertragen auf den Deutschen erstmalig
nachweisen? In dem Ergänzungsbande zu Lärchen — 1883 — fand ich
>,do8et" (So!) ^ „^llemanä, ^llemanäe." Dieses Wort ist dem Herausgeber
von Gustave Mans in einem handschriftlichen Glossar mitgeteilt worden. Lautlich
fällt „do3et" natürlich mit „hocke" zusammen, die Schreibung — hat —
würde auf flämischen Einfluß deuten, wovon unten noch die Rede sein wird.
Der Sinn von „hocke" ^ „Deutscher" wird zunächst durch das bestehende
Argotwort beeinflußt sein, das einen schwerfälligen, ungeschickten, schlechten,
häßlichen, liederlichen Menschen bezeichnete. Wie erklärt sich nun die Über¬
tragung dieses Lautgebildes gerade auf die Deutschen? Hiermit kommen wir
zu den beiden anderen sprachlichen Grundlagen des auf uns gemünzten Schimpf¬
wortes: LabocKe und ^IbocKe. Wenn Sachs-Villatte im Ergänzungsbande
seines großen Wörterbuches — 1894 — „hocke" mit „liederlicher Mensch"
(also libertin) übersetzt und dann noch „Me ac hocke" „Dickkopf" angibt,
so hat er das Argotwort, von dem wir eben sprachen, mit einem anderen
Wort „hocke" zusammengeworfen. Die sprachlichen Unterlagen des letzteren
sind einerseits das südfranzösische „hocke" die Buchsbaumkugel des Mailspieles,
die die übertragene Bedeutung „Dickschädel" nahelegt*), andererseits „eabocke",



*) Vgl. die wertvollen Ausführungen des Kriegsfreiwilligen R. Hamm in der Liller
Kriegszeitung a. a. O. und in „Neueren Sprachen", Juni 1916.
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[0229] Herkunft und Bedeutung des Wortes „hocke" Wie erklärt sich die Übertragung gerade auf die Deutschen? Sind für die Jnhaltsvorstellungen, die dieses Wort bei einem Franzosen auslöst, andere gleich- oder ähnlich lautende Wörter von Einfluß gewesen? Woher ist letzten Endes „hocke" abgeleitet? Ich will nun im folgenden an der Hand dieser, für eine einigermaßen erschöpfende Darlegung notwendigen Fragen die wichtigsten Ergebnisse zu¬ sammenstellen. Seit etwa fünfzig Jahren kennt die französische Sprache das Wort „hocke". Es wird verwandt im /^ot d. h. der nicht literarischen Sprache des niederen Volkes oder bestimmter Stände. Zunächst wird es ohne jede Beziehung auf die Deutschen gebraucht als Schimpfwort von nicht ganz fester Bedeutung, doch scheint es einen geistig und körperlich schwerfälligen Menschen bezeichnet zu haben. Sainöan belegt es für 13K6 (vgl. Dr. Eugen Lerch, Was heißt „hocke"?, Berliner Tageblatt, Ur. 380, 1915). Professor Dr. Werner gibt dem Verfasser des Artikels „Boches Ende" (Aller Kriegszeitung vom 24. Dezember 1915) nach victionnaire et'^rZot von Jean La Rue (ein Deckname) „hocke" „schlecht, häßlich, deutsch" an. Ich selbst habe „hocke" in Lorödan Lärchen, victionnaire Ki8torique 6'^rZot in der in meinem Besitz befindlichen neunten Auflage — 1881 — nach¬ weisen können. Hier ist es übersetzt mit „libertin, mauvais 8ujet" also „liederlicher Mensch". Daß die Bedeutung eines Schimpfwortes des ^r^ot nicht genau zu fassen ist, wird nicht verwunderlich sein. Wann läßt sich nun „hocke" als übertragen auf den Deutschen erstmalig nachweisen? In dem Ergänzungsbande zu Lärchen — 1883 — fand ich >,do8et" (So!) ^ „^llemanä, ^llemanäe." Dieses Wort ist dem Herausgeber von Gustave Mans in einem handschriftlichen Glossar mitgeteilt worden. Lautlich fällt „do3et" natürlich mit „hocke" zusammen, die Schreibung — hat — würde auf flämischen Einfluß deuten, wovon unten noch die Rede sein wird. Der Sinn von „hocke" ^ „Deutscher" wird zunächst durch das bestehende Argotwort beeinflußt sein, das einen schwerfälligen, ungeschickten, schlechten, häßlichen, liederlichen Menschen bezeichnete. Wie erklärt sich nun die Über¬ tragung dieses Lautgebildes gerade auf die Deutschen? Hiermit kommen wir zu den beiden anderen sprachlichen Grundlagen des auf uns gemünzten Schimpf¬ wortes: LabocKe und ^IbocKe. Wenn Sachs-Villatte im Ergänzungsbande seines großen Wörterbuches — 1894 — „hocke" mit „liederlicher Mensch" (also libertin) übersetzt und dann noch „Me ac hocke" „Dickkopf" angibt, so hat er das Argotwort, von dem wir eben sprachen, mit einem anderen Wort „hocke" zusammengeworfen. Die sprachlichen Unterlagen des letzteren sind einerseits das südfranzösische „hocke" die Buchsbaumkugel des Mailspieles, die die übertragene Bedeutung „Dickschädel" nahelegt*), andererseits „eabocke", *) Vgl. die wertvollen Ausführungen des Kriegsfreiwilligen R. Hamm in der Liller Kriegszeitung a. a. O. und in „Neueren Sprachen", Juni 1916.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/229>, abgerufen am 27.05.2024.