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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Konservativismus und innerer Frieden
Gebäudesteuer mit dem doppelten, vom befestigten Grund und Boden
mit dem vierfachen Betrage angesetzt werden könnte).

Ich kann diese Vorschläge, die den Klassencharakter und die plutokratische
Tendenz des heutigen Wahlrechts durchweg fallen lassen und nicht in dem
Besitz an sich, sondern allenfalls nur in der Erhaltung des Besitzes eine staatliche
Leistung sehen, im übrigen aber die staatliche und soziale Leistung und Bewährung
in ihren hauptsächlichen Momenten zum Grund- und Eckstein des Wahlrechts
erheben, hier nicht im einzelnen sorgfältiger ausarbeiten und begründen, werde
aber in einem besonderen Aufsatz gerade auch unter dem Gesichtspunkt des
konservativen Interesses auf sie zurückkommen. Mir scheint, es müsse unbedingt
möglich sein, auf dem Wege des hier aufgestellten Prinzips eine Einigung über
das Wahlrechtsproblem zustande zu bringen. Die linksliberalen Parteien werden
ja gewiß nicht leicht auf die Durchführung des gleichen Wahlrechts nach Analogie
des Reichstagswahlrechts in Preußen verzichten, sie werden sich aber auch klar
darüber sein, daß dieses in absehbarer Zeit keinenfalls zu erreichen steht. Die
Konservativen werden sich auf der anderen Seite sagen müssen, daß die heutige
Gestaltung des preußischen Wahlrechts auf keine Weise aufrecht zu erhalten ist,
auch nicht unter Ausmerzung einiger "Schönheitsfehler"; am wenigsten nach
den gewaltigen sozialen Umschichtungen des Krieges, die ja sicherlich auch unwürdige
Kriegslieferanten und Kriegswucherer in die erste Wählerklasse herauf", den Mittel-
stand aber in Bausch und Bogen in die unterste Klasse Herabdrücken werden!
Unter diesen Umständen sollte meines Erachtens ein ganz auf die staatliche und
soziale Leistung gestelltes Wahlrecht am ersten Aussicht bieten, alle Parteien rechts
und links und ganz gewiß auch das Zentrum auf sich zu vereinigen. Der
Zustimmung weiter konservativer Kreise glaube ich sicher zu sein; möchte auch
die Partei als solche den Entschluß finden, sich bei Zeiten, ehe noch die Frage
zur materiellen Erledigung gestellt wird, sich mit den anderen Parteien auf ein
Wahlrecht zu einigen, das dem gewaltigen Geist dieses Krieges gerecht wird!

Ich wünsche der konservativen Partei aus aufrichtigem Herzen eine große
Zukunft. Nie waren die Aussichten dazu günstiger. Heller wie je strahlen
die drei konservativen Hauptiöeale: Monarchie, Christentum, Staatsautorität
am Himmel des deutschen Volkes. Auch in der Hinwendung der Sozialdemokratie
zur Staatsgesinnung und Staatsbejahung liegt doch, genau genommen, eine
gewaltige Rechtsorientierung. Rechtsorientierung könnte das Kennwort unserer
ganzen innerpolitischen Zukunft sein. Aber es kann nur Wirklichkeit und Wahr¬
heit werden, wenn auch die konservative Partei bedenkt, was zu ihrem Frieden
dient, der zugleich der innere Frieden des deutschen Volkes, gegenseitiges Ver¬
stehen und Vertrauen im Sinne unseres Kaisers und Königs ist.




Konservativismus und innerer Frieden
Gebäudesteuer mit dem doppelten, vom befestigten Grund und Boden
mit dem vierfachen Betrage angesetzt werden könnte).

Ich kann diese Vorschläge, die den Klassencharakter und die plutokratische
Tendenz des heutigen Wahlrechts durchweg fallen lassen und nicht in dem
Besitz an sich, sondern allenfalls nur in der Erhaltung des Besitzes eine staatliche
Leistung sehen, im übrigen aber die staatliche und soziale Leistung und Bewährung
in ihren hauptsächlichen Momenten zum Grund- und Eckstein des Wahlrechts
erheben, hier nicht im einzelnen sorgfältiger ausarbeiten und begründen, werde
aber in einem besonderen Aufsatz gerade auch unter dem Gesichtspunkt des
konservativen Interesses auf sie zurückkommen. Mir scheint, es müsse unbedingt
möglich sein, auf dem Wege des hier aufgestellten Prinzips eine Einigung über
das Wahlrechtsproblem zustande zu bringen. Die linksliberalen Parteien werden
ja gewiß nicht leicht auf die Durchführung des gleichen Wahlrechts nach Analogie
des Reichstagswahlrechts in Preußen verzichten, sie werden sich aber auch klar
darüber sein, daß dieses in absehbarer Zeit keinenfalls zu erreichen steht. Die
Konservativen werden sich auf der anderen Seite sagen müssen, daß die heutige
Gestaltung des preußischen Wahlrechts auf keine Weise aufrecht zu erhalten ist,
auch nicht unter Ausmerzung einiger „Schönheitsfehler"; am wenigsten nach
den gewaltigen sozialen Umschichtungen des Krieges, die ja sicherlich auch unwürdige
Kriegslieferanten und Kriegswucherer in die erste Wählerklasse herauf», den Mittel-
stand aber in Bausch und Bogen in die unterste Klasse Herabdrücken werden!
Unter diesen Umständen sollte meines Erachtens ein ganz auf die staatliche und
soziale Leistung gestelltes Wahlrecht am ersten Aussicht bieten, alle Parteien rechts
und links und ganz gewiß auch das Zentrum auf sich zu vereinigen. Der
Zustimmung weiter konservativer Kreise glaube ich sicher zu sein; möchte auch
die Partei als solche den Entschluß finden, sich bei Zeiten, ehe noch die Frage
zur materiellen Erledigung gestellt wird, sich mit den anderen Parteien auf ein
Wahlrecht zu einigen, das dem gewaltigen Geist dieses Krieges gerecht wird!

Ich wünsche der konservativen Partei aus aufrichtigem Herzen eine große
Zukunft. Nie waren die Aussichten dazu günstiger. Heller wie je strahlen
die drei konservativen Hauptiöeale: Monarchie, Christentum, Staatsautorität
am Himmel des deutschen Volkes. Auch in der Hinwendung der Sozialdemokratie
zur Staatsgesinnung und Staatsbejahung liegt doch, genau genommen, eine
gewaltige Rechtsorientierung. Rechtsorientierung könnte das Kennwort unserer
ganzen innerpolitischen Zukunft sein. Aber es kann nur Wirklichkeit und Wahr¬
heit werden, wenn auch die konservative Partei bedenkt, was zu ihrem Frieden
dient, der zugleich der innere Frieden des deutschen Volkes, gegenseitiges Ver¬
stehen und Vertrauen im Sinne unseres Kaisers und Königs ist.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/250>, abgerufen am 17.06.2024.