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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Akademische Ariegsliteratur

die akademische Entwicklung während des Krieges den im Kriegsdienst
Stehenden zu schildern. Mit einer eigenartigen und zartsinnigen Liebesgabe
trat lediglich die Universität München hervor, welche unter dem Rektorate von
Professor H. von Grauert im März 1916 eine von kurzem Text begleitete
Sammlung echt deutscher Bilder von Karl Spitzweg und Moritz von Schwind
für "unsere Brüder in fernen Landen und in den Lazaretten" herausgab.
Von den großen deutscheu Universitäten Österreichs machte sich nur die Wiens
bemerkbar, die in zwei besonderen Heften mit Stolz von einer umfangreichen
Kriegsschöpfung, dem von ihr errichteten Verwundetenspital, berichten konnte.

Dieses Zurücktreten der Großstadtuniversitäten bedeutet aber keineswegs
einen Mangel an Teilnahme am gewaltig flutenden Leben der Gegenwart.
Viele von ihren Dozenten wandten sich vielmehr mit ihrer Arbeit an weiteste
Volkskreise, und manche der von ihnen gehaltenen Reden, die teils in Samm¬
lungen, teils in Einzeldrucken vorliegen, sind bedeutungsvolle Stimmen aus
großer Zeit.*)

Die Kleinstadtuniversitäten, deren Lehrer sich ebenfalls und zwar stellen¬
weise sehr zahlreich als Redner vor größerem Publikum betätigten, sahen ein
Hauptarbeitsgebiet auf einem anderen Felde, und es zeigte sich bei einer Reihe
von ihnen das enge, vertraute Verhältnis zwischen Hochschule und Studenten¬
schaft im schönsten Lichte.

Die Universität Bonn sandte 1916 einen "Ostergruß" an ihre Angehörigen,
der eine Reihe wissenschaftlich gehaltener, fesselnd geschriebener Beiträge von
Bonner Dozenten enthält. Besondere Beziehung auf das akademische Leben
haben vor allem zwei Artikel. In einer kleinen Plauderei spricht Professor
Litzmann über das "Kriegserlebnis", das seinen Jüngern früher als ein fast
utopischer unzeitgemäßer Begriff erschienen sei, und in der wirkungsvollen, tief
religiösen Ansprache von Professor Tillmann wird in kurzer, aber klarer und
charakteristischer Weise die tiefe Bewegung geschildert, welche der Weltkrieg in
der akademischen Jugend auflöste.

Erlangen schickte 1915 einen "Gruß der Universität an ihre Studenten"
ins Feld, worin eine Reihe selbständiger kleiner Artikel das gesamte, von den dort
Lehrenden und Lernenden zurückersehnte Leben bis in seine Einzelheiten schildert
und die Liebe zu der von Albrecht Dürer malerisch verherrlichten fränkischen
Heimat erhöhen soll. Nicht schwer und tiefsinnig sind die einzelnen Beiträge; ein
leichter, warmer, herzlicher, wissenschaftlich angeregter Plauderton durchzieht das
Ganze, ja der kleine Artikel von Professor Oertmann über Erlanger Juristen¬
leben in der Kriegszeit besitzt insofern noch eine besondere Note, als er frischen,
humorvollen Scherz, der sonst kaum in der akademischen Kriegsliteratur zu
finden ist, zur Geltung kommen läßt. -- In einem zweiten Gruß der



*) Da ich auch nicht einmal annähernd eine Vollständigkeit in der Sammlung der Titel
dieser Reden erzielen konnte und zudem ihr Inhalt sich auf außerakademische Gegenstände
bezieht, so habe ich mich begnügt, auf diese Nedetätigkeit nur hinzuweisen.
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Akademische Ariegsliteratur

die akademische Entwicklung während des Krieges den im Kriegsdienst
Stehenden zu schildern. Mit einer eigenartigen und zartsinnigen Liebesgabe
trat lediglich die Universität München hervor, welche unter dem Rektorate von
Professor H. von Grauert im März 1916 eine von kurzem Text begleitete
Sammlung echt deutscher Bilder von Karl Spitzweg und Moritz von Schwind
für „unsere Brüder in fernen Landen und in den Lazaretten" herausgab.
Von den großen deutscheu Universitäten Österreichs machte sich nur die Wiens
bemerkbar, die in zwei besonderen Heften mit Stolz von einer umfangreichen
Kriegsschöpfung, dem von ihr errichteten Verwundetenspital, berichten konnte.

Dieses Zurücktreten der Großstadtuniversitäten bedeutet aber keineswegs
einen Mangel an Teilnahme am gewaltig flutenden Leben der Gegenwart.
Viele von ihren Dozenten wandten sich vielmehr mit ihrer Arbeit an weiteste
Volkskreise, und manche der von ihnen gehaltenen Reden, die teils in Samm¬
lungen, teils in Einzeldrucken vorliegen, sind bedeutungsvolle Stimmen aus
großer Zeit.*)

Die Kleinstadtuniversitäten, deren Lehrer sich ebenfalls und zwar stellen¬
weise sehr zahlreich als Redner vor größerem Publikum betätigten, sahen ein
Hauptarbeitsgebiet auf einem anderen Felde, und es zeigte sich bei einer Reihe
von ihnen das enge, vertraute Verhältnis zwischen Hochschule und Studenten¬
schaft im schönsten Lichte.

Die Universität Bonn sandte 1916 einen „Ostergruß" an ihre Angehörigen,
der eine Reihe wissenschaftlich gehaltener, fesselnd geschriebener Beiträge von
Bonner Dozenten enthält. Besondere Beziehung auf das akademische Leben
haben vor allem zwei Artikel. In einer kleinen Plauderei spricht Professor
Litzmann über das „Kriegserlebnis", das seinen Jüngern früher als ein fast
utopischer unzeitgemäßer Begriff erschienen sei, und in der wirkungsvollen, tief
religiösen Ansprache von Professor Tillmann wird in kurzer, aber klarer und
charakteristischer Weise die tiefe Bewegung geschildert, welche der Weltkrieg in
der akademischen Jugend auflöste.

Erlangen schickte 1915 einen „Gruß der Universität an ihre Studenten"
ins Feld, worin eine Reihe selbständiger kleiner Artikel das gesamte, von den dort
Lehrenden und Lernenden zurückersehnte Leben bis in seine Einzelheiten schildert
und die Liebe zu der von Albrecht Dürer malerisch verherrlichten fränkischen
Heimat erhöhen soll. Nicht schwer und tiefsinnig sind die einzelnen Beiträge; ein
leichter, warmer, herzlicher, wissenschaftlich angeregter Plauderton durchzieht das
Ganze, ja der kleine Artikel von Professor Oertmann über Erlanger Juristen¬
leben in der Kriegszeit besitzt insofern noch eine besondere Note, als er frischen,
humorvollen Scherz, der sonst kaum in der akademischen Kriegsliteratur zu
finden ist, zur Geltung kommen läßt. — In einem zweiten Gruß der



*) Da ich auch nicht einmal annähernd eine Vollständigkeit in der Sammlung der Titel
dieser Reden erzielen konnte und zudem ihr Inhalt sich auf außerakademische Gegenstände
bezieht, so habe ich mich begnügt, auf diese Nedetätigkeit nur hinzuweisen.
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[0415] Akademische Ariegsliteratur die akademische Entwicklung während des Krieges den im Kriegsdienst Stehenden zu schildern. Mit einer eigenartigen und zartsinnigen Liebesgabe trat lediglich die Universität München hervor, welche unter dem Rektorate von Professor H. von Grauert im März 1916 eine von kurzem Text begleitete Sammlung echt deutscher Bilder von Karl Spitzweg und Moritz von Schwind für „unsere Brüder in fernen Landen und in den Lazaretten" herausgab. Von den großen deutscheu Universitäten Österreichs machte sich nur die Wiens bemerkbar, die in zwei besonderen Heften mit Stolz von einer umfangreichen Kriegsschöpfung, dem von ihr errichteten Verwundetenspital, berichten konnte. Dieses Zurücktreten der Großstadtuniversitäten bedeutet aber keineswegs einen Mangel an Teilnahme am gewaltig flutenden Leben der Gegenwart. Viele von ihren Dozenten wandten sich vielmehr mit ihrer Arbeit an weiteste Volkskreise, und manche der von ihnen gehaltenen Reden, die teils in Samm¬ lungen, teils in Einzeldrucken vorliegen, sind bedeutungsvolle Stimmen aus großer Zeit.*) Die Kleinstadtuniversitäten, deren Lehrer sich ebenfalls und zwar stellen¬ weise sehr zahlreich als Redner vor größerem Publikum betätigten, sahen ein Hauptarbeitsgebiet auf einem anderen Felde, und es zeigte sich bei einer Reihe von ihnen das enge, vertraute Verhältnis zwischen Hochschule und Studenten¬ schaft im schönsten Lichte. Die Universität Bonn sandte 1916 einen „Ostergruß" an ihre Angehörigen, der eine Reihe wissenschaftlich gehaltener, fesselnd geschriebener Beiträge von Bonner Dozenten enthält. Besondere Beziehung auf das akademische Leben haben vor allem zwei Artikel. In einer kleinen Plauderei spricht Professor Litzmann über das „Kriegserlebnis", das seinen Jüngern früher als ein fast utopischer unzeitgemäßer Begriff erschienen sei, und in der wirkungsvollen, tief religiösen Ansprache von Professor Tillmann wird in kurzer, aber klarer und charakteristischer Weise die tiefe Bewegung geschildert, welche der Weltkrieg in der akademischen Jugend auflöste. Erlangen schickte 1915 einen „Gruß der Universität an ihre Studenten" ins Feld, worin eine Reihe selbständiger kleiner Artikel das gesamte, von den dort Lehrenden und Lernenden zurückersehnte Leben bis in seine Einzelheiten schildert und die Liebe zu der von Albrecht Dürer malerisch verherrlichten fränkischen Heimat erhöhen soll. Nicht schwer und tiefsinnig sind die einzelnen Beiträge; ein leichter, warmer, herzlicher, wissenschaftlich angeregter Plauderton durchzieht das Ganze, ja der kleine Artikel von Professor Oertmann über Erlanger Juristen¬ leben in der Kriegszeit besitzt insofern noch eine besondere Note, als er frischen, humorvollen Scherz, der sonst kaum in der akademischen Kriegsliteratur zu finden ist, zur Geltung kommen läßt. — In einem zweiten Gruß der *) Da ich auch nicht einmal annähernd eine Vollständigkeit in der Sammlung der Titel dieser Reden erzielen konnte und zudem ihr Inhalt sich auf außerakademische Gegenstände bezieht, so habe ich mich begnügt, auf diese Nedetätigkeit nur hinzuweisen. 26*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/415>, abgerufen am 10.06.2024.