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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin

Der Herzog ein ernster Mann, nicht ohne Geschick für Geschäfte, ist zum
äußersten entschlossen, und es wird ihn. wie seine Vertrauten sagen, wenig
kümmern, ob hinter ihm die deutschen Fürstenstühle verbrennen, wenn er da¬
durch in Schloß Gottorff eingeführt werden kann. Aber zwischen dem Willen
Alles zu wagen und der Fähigkeit, kühn den richtigen Moment zu fassen, ist
ein großer Unterschied.

Den größten Einfluß hat Samwer. Er ist vortrefflich in correcten kleinen
diplomatischen Mitteln, aber trotz seiner innern Leidenschaftlichkeit, die ihn in
den ersten Tagen mit schnellem Uebergange aus Thränen in Jubel versetzte,
ist er für ein festes entschlossenes Draufgehn nicht gemacht. Ueberreich an Er¬
wägungen und Bedenklichkeiten, übermäßigen Werth auf die Formen und
diplomatische Seite der Sache legt, voll ewiger banger Furcht, daß der Herzog
sich durch zu enges Anschließen an die Volkswünsche compromittiren könnte,
plagt, hetzt er sich und andre aus einer Stimmung und einem Plan zu
einem andern.

Und mir scheint trotz seiner angestrengten 4 wöchentlichen Arbeit sind die
Hauptsachen nicht gethan. Noch hat die Regierung nicht einmal das Geld,
die ersten Anzahlungen auf einen Wasserlauf zu machen. Der Augustenburger
hätte in den ersten Tagen auf seine Güter einige 100 000 THIr. aufnehmen
können, das ist nicht geschehen, der neue Herzog kam hierher, nachdem er
ewige Jahre als stiller Prätendent in Dolzig gesessen, ohne jeden Plan für
eine militärische Organisation, ohne einen Commandeur in Pekko zu haben, und
man fing durchaus mit Nichts an.

Oberst Duvlat, der die militärische Seite vertritt, ist ein sehr guter, ver¬
ständiger, lieber Mann, aber von einem Organisateur. Führer, festen Techniker
hat er gar nichts. Und ehe man sich entschloß, wie man sich zu den Comitis
. Sammlungen stellen, ob freiwillige u. wie, Uniform 2c. vergingen Wochen.
. ^ ^n Gewehr, u. außer zwanzig Probeuniformen, die
,un.5n °^z"M"gen habe, noch gar nichts. Als den Plan Käppis an-
Willen "t^' ^" P^betornister. General Stutternheim war gegen Duplats
"5 ^ Hin. noch nicht abgeschlossen. Aber man weiß keinen
Andern, der bereit sein würde.

D:ehe Mängel werden zum Theil ergänzt durch Edelsheim. Der Badner
d N?l?^^' ^ ^ rücksichtsloses Vorgehen, Roggenb. hat auch
me ^ad:schen Militärkräfte, soweit si? abgeben können, für Formation u. Aus¬
rüstung des Heeres zur Disposition gestellt. Magazine. Sammelorte zum Ein-
exercnen der Unteroffiziere :c.

Unterdeß drängt die Zeit. Dienstag kommen die Stände in Altona zu¬
sammen, proclamiren den Herzog, Mittwoch ist große Volksversammlung in
Elmshorn. procl. den Herzog. Vielen Holsteinern scheint, daß dies der richtige
Moment sei, wo der Herzog, unmittelbar hinter den Sachsen, sein Land be¬
treten müsse. Die Politik gegen die Bundescommissare ist besprochen, die


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Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin

Der Herzog ein ernster Mann, nicht ohne Geschick für Geschäfte, ist zum
äußersten entschlossen, und es wird ihn. wie seine Vertrauten sagen, wenig
kümmern, ob hinter ihm die deutschen Fürstenstühle verbrennen, wenn er da¬
durch in Schloß Gottorff eingeführt werden kann. Aber zwischen dem Willen
Alles zu wagen und der Fähigkeit, kühn den richtigen Moment zu fassen, ist
ein großer Unterschied.

Den größten Einfluß hat Samwer. Er ist vortrefflich in correcten kleinen
diplomatischen Mitteln, aber trotz seiner innern Leidenschaftlichkeit, die ihn in
den ersten Tagen mit schnellem Uebergange aus Thränen in Jubel versetzte,
ist er für ein festes entschlossenes Draufgehn nicht gemacht. Ueberreich an Er¬
wägungen und Bedenklichkeiten, übermäßigen Werth auf die Formen und
diplomatische Seite der Sache legt, voll ewiger banger Furcht, daß der Herzog
sich durch zu enges Anschließen an die Volkswünsche compromittiren könnte,
plagt, hetzt er sich und andre aus einer Stimmung und einem Plan zu
einem andern.

Und mir scheint trotz seiner angestrengten 4 wöchentlichen Arbeit sind die
Hauptsachen nicht gethan. Noch hat die Regierung nicht einmal das Geld,
die ersten Anzahlungen auf einen Wasserlauf zu machen. Der Augustenburger
hätte in den ersten Tagen auf seine Güter einige 100 000 THIr. aufnehmen
können, das ist nicht geschehen, der neue Herzog kam hierher, nachdem er
ewige Jahre als stiller Prätendent in Dolzig gesessen, ohne jeden Plan für
eine militärische Organisation, ohne einen Commandeur in Pekko zu haben, und
man fing durchaus mit Nichts an.

Oberst Duvlat, der die militärische Seite vertritt, ist ein sehr guter, ver¬
ständiger, lieber Mann, aber von einem Organisateur. Führer, festen Techniker
hat er gar nichts. Und ehe man sich entschloß, wie man sich zu den Comitis
. Sammlungen stellen, ob freiwillige u. wie, Uniform 2c. vergingen Wochen.
. ^ ^n Gewehr, u. außer zwanzig Probeuniformen, die
,un.5n °^z"M"gen habe, noch gar nichts. Als den Plan Käppis an-
Willen "t^' ^" P^betornister. General Stutternheim war gegen Duplats
"5 ^ Hin. noch nicht abgeschlossen. Aber man weiß keinen
Andern, der bereit sein würde.

D:ehe Mängel werden zum Theil ergänzt durch Edelsheim. Der Badner
d N?l?^^' ^ ^ rücksichtsloses Vorgehen, Roggenb. hat auch
me ^ad:schen Militärkräfte, soweit si? abgeben können, für Formation u. Aus¬
rüstung des Heeres zur Disposition gestellt. Magazine. Sammelorte zum Ein-
exercnen der Unteroffiziere :c.

Unterdeß drängt die Zeit. Dienstag kommen die Stände in Altona zu¬
sammen, proclamiren den Herzog, Mittwoch ist große Volksversammlung in
Elmshorn. procl. den Herzog. Vielen Holsteinern scheint, daß dies der richtige
Moment sei, wo der Herzog, unmittelbar hinter den Sachsen, sein Land be¬
treten müsse. Die Politik gegen die Bundescommissare ist besprochen, die


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[0063] Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin Der Herzog ein ernster Mann, nicht ohne Geschick für Geschäfte, ist zum äußersten entschlossen, und es wird ihn. wie seine Vertrauten sagen, wenig kümmern, ob hinter ihm die deutschen Fürstenstühle verbrennen, wenn er da¬ durch in Schloß Gottorff eingeführt werden kann. Aber zwischen dem Willen Alles zu wagen und der Fähigkeit, kühn den richtigen Moment zu fassen, ist ein großer Unterschied. Den größten Einfluß hat Samwer. Er ist vortrefflich in correcten kleinen diplomatischen Mitteln, aber trotz seiner innern Leidenschaftlichkeit, die ihn in den ersten Tagen mit schnellem Uebergange aus Thränen in Jubel versetzte, ist er für ein festes entschlossenes Draufgehn nicht gemacht. Ueberreich an Er¬ wägungen und Bedenklichkeiten, übermäßigen Werth auf die Formen und diplomatische Seite der Sache legt, voll ewiger banger Furcht, daß der Herzog sich durch zu enges Anschließen an die Volkswünsche compromittiren könnte, plagt, hetzt er sich und andre aus einer Stimmung und einem Plan zu einem andern. Und mir scheint trotz seiner angestrengten 4 wöchentlichen Arbeit sind die Hauptsachen nicht gethan. Noch hat die Regierung nicht einmal das Geld, die ersten Anzahlungen auf einen Wasserlauf zu machen. Der Augustenburger hätte in den ersten Tagen auf seine Güter einige 100 000 THIr. aufnehmen können, das ist nicht geschehen, der neue Herzog kam hierher, nachdem er ewige Jahre als stiller Prätendent in Dolzig gesessen, ohne jeden Plan für eine militärische Organisation, ohne einen Commandeur in Pekko zu haben, und man fing durchaus mit Nichts an. Oberst Duvlat, der die militärische Seite vertritt, ist ein sehr guter, ver¬ ständiger, lieber Mann, aber von einem Organisateur. Führer, festen Techniker hat er gar nichts. Und ehe man sich entschloß, wie man sich zu den Comitis . Sammlungen stellen, ob freiwillige u. wie, Uniform 2c. vergingen Wochen. . ^ ^n Gewehr, u. außer zwanzig Probeuniformen, die ,un.5n °^z"M"gen habe, noch gar nichts. Als den Plan Käppis an- Willen "t^' ^" P^betornister. General Stutternheim war gegen Duplats "5 ^ Hin. noch nicht abgeschlossen. Aber man weiß keinen Andern, der bereit sein würde. D:ehe Mängel werden zum Theil ergänzt durch Edelsheim. Der Badner d N?l?^^' ^ ^ rücksichtsloses Vorgehen, Roggenb. hat auch me ^ad:schen Militärkräfte, soweit si? abgeben können, für Formation u. Aus¬ rüstung des Heeres zur Disposition gestellt. Magazine. Sammelorte zum Ein- exercnen der Unteroffiziere :c. Unterdeß drängt die Zeit. Dienstag kommen die Stände in Altona zu¬ sammen, proclamiren den Herzog, Mittwoch ist große Volksversammlung in Elmshorn. procl. den Herzog. Vielen Holsteinern scheint, daß dies der richtige Moment sei, wo der Herzog, unmittelbar hinter den Sachsen, sein Land be¬ treten müsse. Die Politik gegen die Bundescommissare ist besprochen, die 4*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/63>, abgerufen am 27.05.2024.