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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Sammlung und Nutzbarmachung der Zeitungen

So hat der Krieg auf dem Gebiete der praktischen Politik und auf
dem der journalistischen Berufsarbeit mancherlei Ansätze zutage gefördert und
alte Bestrebungen wieder in Erinnerung gebracht. Angesichts eines so tiefen
Interesses, eines so allgemeinen Bedürfnisses, ist es denn auch kein Wunder
gewesen, daß sich sofort nach Beginn des Krieges der Wunsch nach einer
Sammlung des Quellenmaterials aus den Zeitungen und Zeitschriften, der
schon vor dem Kriege von verschiedenen Seiten, jedoch ohne durchgreifenden
Erfolg geltend gemacht worden war, erneut regte. Während die Zeitschriften
meist am Ende der Jahrgänge Register bringen, die den Inhalt übersehen
lassen, fehlt ein solches Hilfsmittel bei den Zeitungen fast ganz. Der Benutzer
ist großenteils darauf angewiesen, sich durch die zahlreichen Bände, zu denen die
Einzelnummern zusammengefaßt sind, mühsam hindurchzuringen und sich seinen
Stoff zusammenzusuchen. Mancherorts hat man versucht, diesem Mangel dadurch
abzuhelfen, daß man nachträglich Register zu den Zeitungen anlegte, wie es
schon seit langem in der Stadtbibliothek zu Köln geschieht. So gewaltig dieser
Fortschritt ist, und so sehr er die Benutzung erleichtert, so muß er Stückwerk
bleiben, wenn es sich nicht um ein Sachregister für eine Mehrzahl von Zeitungen
handelt. Ein Register gewinnt eben erst dann höheren Wert, wenn es eine
Materialsammlung darstellt, die nach bestimmten Richtungen hin nutzbar gemacht
werden kann. Bei einer Sichtung des Zeitungsstoffes wird zunächst die stete Wieder¬
holung von Nachrichten und Aufsätzen in Blättern derselben Gegend oder derselben
politischen Richtung in die Augen fallen. Eine solche Fülle von Wiederholungen
aber kann für den späteren Forscher nur Ballast sein. Es handelt sich also darum,
aus den einzelnen Zeitungen den spezifischen Inhalt herauszusuchen und das vielfach
äußerst wertlose Beiwerk beiseite zu schieben. "Wenn etwas zugrunde geht",
äußerte sich Geheimrat Kaufmann auf dem Posener Archivtage von 1911, "so
ist dies eine Vorarbeit für die historische Forschung." Bis zu einem gewissen
Grade hat er damit zweifellos recht. Es kann wirklich keinen großen Wert
haben, alle Artikel zu verzeichnen oder alle Zeitungen zu sammeln, deren Inhalt nur
die Wiedergabe des Inhaltes größerer Blätter bedeutet. Man darf aber auch
'hierin nicht zu weit gehen. Wer schon in derartigen Sammelarbeiten felbst
tätig war, der weiß, daß gerade die Lokalzeitungen in den Dörfern und kleinen
Städten eine Fülle von Mitteilungen enthalten, die selten in eine größere
Zeitung übergehen. So geringen Wert eine einzelne Notiz, für sich allein betrachtet,
zu besitzen scheint, so wichtig ist sie, verglichen mit anderen derselben Art aus
anderen kleinen Blättern. Schneidet man aus einer Reihe von Zeitungen
ein und desselben Bezirkes diese spezifischen Notizen aus und ordnet sie
chronologisch, so ergibt dies ein kulturgeschichtliches Bild von größter Reich¬
haltigkeit der Farben, auf das kein Forscher gern verzichten wird.

Man hat im Laufe des Krieges an verschiedenen Orten versucht, dieses
Ausschnittverfahren zur Durchführung zu bringen. So hat die Universität
Jena eine Sammlung ins Leben gerufen, die schon eine recht stattliche Anzahl


Sammlung und Nutzbarmachung der Zeitungen

So hat der Krieg auf dem Gebiete der praktischen Politik und auf
dem der journalistischen Berufsarbeit mancherlei Ansätze zutage gefördert und
alte Bestrebungen wieder in Erinnerung gebracht. Angesichts eines so tiefen
Interesses, eines so allgemeinen Bedürfnisses, ist es denn auch kein Wunder
gewesen, daß sich sofort nach Beginn des Krieges der Wunsch nach einer
Sammlung des Quellenmaterials aus den Zeitungen und Zeitschriften, der
schon vor dem Kriege von verschiedenen Seiten, jedoch ohne durchgreifenden
Erfolg geltend gemacht worden war, erneut regte. Während die Zeitschriften
meist am Ende der Jahrgänge Register bringen, die den Inhalt übersehen
lassen, fehlt ein solches Hilfsmittel bei den Zeitungen fast ganz. Der Benutzer
ist großenteils darauf angewiesen, sich durch die zahlreichen Bände, zu denen die
Einzelnummern zusammengefaßt sind, mühsam hindurchzuringen und sich seinen
Stoff zusammenzusuchen. Mancherorts hat man versucht, diesem Mangel dadurch
abzuhelfen, daß man nachträglich Register zu den Zeitungen anlegte, wie es
schon seit langem in der Stadtbibliothek zu Köln geschieht. So gewaltig dieser
Fortschritt ist, und so sehr er die Benutzung erleichtert, so muß er Stückwerk
bleiben, wenn es sich nicht um ein Sachregister für eine Mehrzahl von Zeitungen
handelt. Ein Register gewinnt eben erst dann höheren Wert, wenn es eine
Materialsammlung darstellt, die nach bestimmten Richtungen hin nutzbar gemacht
werden kann. Bei einer Sichtung des Zeitungsstoffes wird zunächst die stete Wieder¬
holung von Nachrichten und Aufsätzen in Blättern derselben Gegend oder derselben
politischen Richtung in die Augen fallen. Eine solche Fülle von Wiederholungen
aber kann für den späteren Forscher nur Ballast sein. Es handelt sich also darum,
aus den einzelnen Zeitungen den spezifischen Inhalt herauszusuchen und das vielfach
äußerst wertlose Beiwerk beiseite zu schieben. „Wenn etwas zugrunde geht",
äußerte sich Geheimrat Kaufmann auf dem Posener Archivtage von 1911, „so
ist dies eine Vorarbeit für die historische Forschung." Bis zu einem gewissen
Grade hat er damit zweifellos recht. Es kann wirklich keinen großen Wert
haben, alle Artikel zu verzeichnen oder alle Zeitungen zu sammeln, deren Inhalt nur
die Wiedergabe des Inhaltes größerer Blätter bedeutet. Man darf aber auch
'hierin nicht zu weit gehen. Wer schon in derartigen Sammelarbeiten felbst
tätig war, der weiß, daß gerade die Lokalzeitungen in den Dörfern und kleinen
Städten eine Fülle von Mitteilungen enthalten, die selten in eine größere
Zeitung übergehen. So geringen Wert eine einzelne Notiz, für sich allein betrachtet,
zu besitzen scheint, so wichtig ist sie, verglichen mit anderen derselben Art aus
anderen kleinen Blättern. Schneidet man aus einer Reihe von Zeitungen
ein und desselben Bezirkes diese spezifischen Notizen aus und ordnet sie
chronologisch, so ergibt dies ein kulturgeschichtliches Bild von größter Reich¬
haltigkeit der Farben, auf das kein Forscher gern verzichten wird.

Man hat im Laufe des Krieges an verschiedenen Orten versucht, dieses
Ausschnittverfahren zur Durchführung zu bringen. So hat die Universität
Jena eine Sammlung ins Leben gerufen, die schon eine recht stattliche Anzahl


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/136>, abgerufen am 29.05.2024.