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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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haben sie aber alle Gewißheit, ihre erübrigten Barmittel nutzbringend und
sicher untergebracht zu haben. So wird also im öffentlichen und eigenen,
wohlverstandenen Interesse jedes einzelnen ein Spargesetz geradezu herbei¬
gewünscht werden. Der kleine, weniger einsichtsvolle und unzureichend sozial
erzogene Teil der Beteiligten mag den durchgesetzten Willen der größeren
Allgemeinheit ruhig solange für Zwang halten, bis er durch die Wohltat
der Maßnahmen eines besseren belehrt ist. Personen, die nicht imstande
sind, von ihrer wirtschaftlichen Freiheit einen richtigen, für sich und die
Allgemeinheit ersprießlichen Gebrauch zu machen, müssen sich gefallen lassen,
daß die Allgemeinheit für sie sorgt, und ihnen vor allem die freie Verfügung
über ihren Arbeitsverdienst ganz oder zum Teil beschränkt. Wie überall im
modernen deutschen Staate, so muß sich auch hier der egoistische, ungereiste
Emzelwille dem höher gearteten, sozialen Gesamtwillen fügen, wenn es gilt,
anerkannte, die Privat- und Volkswirtschaft gleichmäßig schädigende Mängel zu
beheben.

Diese beiden militärischen Erlasse machen ferner keinen Unterschied zwischen
männlichen und weiblichen Personen; beide sind nach ihnen sparpflichtig. An
diesem Grundsatze wird festzuhalten sein. Freilich ergeben sich hier Schwierig¬
keiten, einmal mit Rücksicht darauf, daß die jugendlichen weiblichen Angestellten
und Arbeiterinnen, z. B. gewerbliche Arbeiterinnen, Verkäuferinnen, Buchhalterinnen,
Telefonistinnen, Maschinenschreiberinnen usw. gewöhnlich nur niedrig entlohnt
werden und ihr Arbeitseinkommen nicht selten zur Beschaffung einer Aussteuer
verbrauchen. Diese gute Sitte darf nicht beeinträchtigt werden. Am besten
wäre es, für sie neben dem Sparzwang das Sparprämiensystem einzuführen;
das wird aber wohl an dem Mangel von Mitteln scheitern. Um die Einheitlichkeit
des Sparsystems aufrecht zu erhalten, werden auch die weiblichen Personen für
sparpflichtig erklärt werden müssen. Unter Umständen wird Spardispens zu
erteilen oder das Sparkassenguthaben ganz bezw. zum Teil auszuzahlen sein.
Aus Zweckmäßigkeitsrücksichten wird aber auch solchen Falles vorgeschrieben
werden müssen, daß die ganze Abhebung erst gestattet ist, wenn die Mindest¬
summe von 100 Mark erreicht ist.

Sodann fragt es sich, ob nicht auch die Allgemeinheit ihr Schärflein analog
der bisherigen sozialen Gesetzgebung zu dieser Sparordnung beitragen soll.
Dafür spricht die Hebung des finanziellen Erfolges. Indessen ließe sich ein
staatlicher, kommunaler oder Arbeitgeberbeitrag kaum rechtfertigen. Der Spar¬
zwang soll in erster Linie erzieherisch auf die unwirtschaftlichen Minderbemittelten
wirken und gleichzeitig Mittel zu ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Hebung
beschaffen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Staat seine Angehörigen,
die Allgemeinheit ihre Mitmenschen nur insoweit zu unterstützen Hut, als
Abwendung der äußersten Not in Frage kommt. Ein Mehr, daß der wirt¬
schaftlichen Hebung des einzelnen dienen soll, kann höchstens als freie Liebesgabe
erwartet werden. Wollte man aber auch von diesem Grundsatze wegen der


Grenzboten IV 191S 10
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haben sie aber alle Gewißheit, ihre erübrigten Barmittel nutzbringend und
sicher untergebracht zu haben. So wird also im öffentlichen und eigenen,
wohlverstandenen Interesse jedes einzelnen ein Spargesetz geradezu herbei¬
gewünscht werden. Der kleine, weniger einsichtsvolle und unzureichend sozial
erzogene Teil der Beteiligten mag den durchgesetzten Willen der größeren
Allgemeinheit ruhig solange für Zwang halten, bis er durch die Wohltat
der Maßnahmen eines besseren belehrt ist. Personen, die nicht imstande
sind, von ihrer wirtschaftlichen Freiheit einen richtigen, für sich und die
Allgemeinheit ersprießlichen Gebrauch zu machen, müssen sich gefallen lassen,
daß die Allgemeinheit für sie sorgt, und ihnen vor allem die freie Verfügung
über ihren Arbeitsverdienst ganz oder zum Teil beschränkt. Wie überall im
modernen deutschen Staate, so muß sich auch hier der egoistische, ungereiste
Emzelwille dem höher gearteten, sozialen Gesamtwillen fügen, wenn es gilt,
anerkannte, die Privat- und Volkswirtschaft gleichmäßig schädigende Mängel zu
beheben.

Diese beiden militärischen Erlasse machen ferner keinen Unterschied zwischen
männlichen und weiblichen Personen; beide sind nach ihnen sparpflichtig. An
diesem Grundsatze wird festzuhalten sein. Freilich ergeben sich hier Schwierig¬
keiten, einmal mit Rücksicht darauf, daß die jugendlichen weiblichen Angestellten
und Arbeiterinnen, z. B. gewerbliche Arbeiterinnen, Verkäuferinnen, Buchhalterinnen,
Telefonistinnen, Maschinenschreiberinnen usw. gewöhnlich nur niedrig entlohnt
werden und ihr Arbeitseinkommen nicht selten zur Beschaffung einer Aussteuer
verbrauchen. Diese gute Sitte darf nicht beeinträchtigt werden. Am besten
wäre es, für sie neben dem Sparzwang das Sparprämiensystem einzuführen;
das wird aber wohl an dem Mangel von Mitteln scheitern. Um die Einheitlichkeit
des Sparsystems aufrecht zu erhalten, werden auch die weiblichen Personen für
sparpflichtig erklärt werden müssen. Unter Umständen wird Spardispens zu
erteilen oder das Sparkassenguthaben ganz bezw. zum Teil auszuzahlen sein.
Aus Zweckmäßigkeitsrücksichten wird aber auch solchen Falles vorgeschrieben
werden müssen, daß die ganze Abhebung erst gestattet ist, wenn die Mindest¬
summe von 100 Mark erreicht ist.

Sodann fragt es sich, ob nicht auch die Allgemeinheit ihr Schärflein analog
der bisherigen sozialen Gesetzgebung zu dieser Sparordnung beitragen soll.
Dafür spricht die Hebung des finanziellen Erfolges. Indessen ließe sich ein
staatlicher, kommunaler oder Arbeitgeberbeitrag kaum rechtfertigen. Der Spar¬
zwang soll in erster Linie erzieherisch auf die unwirtschaftlichen Minderbemittelten
wirken und gleichzeitig Mittel zu ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Hebung
beschaffen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Staat seine Angehörigen,
die Allgemeinheit ihre Mitmenschen nur insoweit zu unterstützen Hut, als
Abwendung der äußersten Not in Frage kommt. Ein Mehr, daß der wirt¬
schaftlichen Hebung des einzelnen dienen soll, kann höchstens als freie Liebesgabe
erwartet werden. Wollte man aber auch von diesem Grundsatze wegen der


Grenzboten IV 191S 10
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[0157] Die Sparfragc vor, während und nach dem Ariege haben sie aber alle Gewißheit, ihre erübrigten Barmittel nutzbringend und sicher untergebracht zu haben. So wird also im öffentlichen und eigenen, wohlverstandenen Interesse jedes einzelnen ein Spargesetz geradezu herbei¬ gewünscht werden. Der kleine, weniger einsichtsvolle und unzureichend sozial erzogene Teil der Beteiligten mag den durchgesetzten Willen der größeren Allgemeinheit ruhig solange für Zwang halten, bis er durch die Wohltat der Maßnahmen eines besseren belehrt ist. Personen, die nicht imstande sind, von ihrer wirtschaftlichen Freiheit einen richtigen, für sich und die Allgemeinheit ersprießlichen Gebrauch zu machen, müssen sich gefallen lassen, daß die Allgemeinheit für sie sorgt, und ihnen vor allem die freie Verfügung über ihren Arbeitsverdienst ganz oder zum Teil beschränkt. Wie überall im modernen deutschen Staate, so muß sich auch hier der egoistische, ungereiste Emzelwille dem höher gearteten, sozialen Gesamtwillen fügen, wenn es gilt, anerkannte, die Privat- und Volkswirtschaft gleichmäßig schädigende Mängel zu beheben. Diese beiden militärischen Erlasse machen ferner keinen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Personen; beide sind nach ihnen sparpflichtig. An diesem Grundsatze wird festzuhalten sein. Freilich ergeben sich hier Schwierig¬ keiten, einmal mit Rücksicht darauf, daß die jugendlichen weiblichen Angestellten und Arbeiterinnen, z. B. gewerbliche Arbeiterinnen, Verkäuferinnen, Buchhalterinnen, Telefonistinnen, Maschinenschreiberinnen usw. gewöhnlich nur niedrig entlohnt werden und ihr Arbeitseinkommen nicht selten zur Beschaffung einer Aussteuer verbrauchen. Diese gute Sitte darf nicht beeinträchtigt werden. Am besten wäre es, für sie neben dem Sparzwang das Sparprämiensystem einzuführen; das wird aber wohl an dem Mangel von Mitteln scheitern. Um die Einheitlichkeit des Sparsystems aufrecht zu erhalten, werden auch die weiblichen Personen für sparpflichtig erklärt werden müssen. Unter Umständen wird Spardispens zu erteilen oder das Sparkassenguthaben ganz bezw. zum Teil auszuzahlen sein. Aus Zweckmäßigkeitsrücksichten wird aber auch solchen Falles vorgeschrieben werden müssen, daß die ganze Abhebung erst gestattet ist, wenn die Mindest¬ summe von 100 Mark erreicht ist. Sodann fragt es sich, ob nicht auch die Allgemeinheit ihr Schärflein analog der bisherigen sozialen Gesetzgebung zu dieser Sparordnung beitragen soll. Dafür spricht die Hebung des finanziellen Erfolges. Indessen ließe sich ein staatlicher, kommunaler oder Arbeitgeberbeitrag kaum rechtfertigen. Der Spar¬ zwang soll in erster Linie erzieherisch auf die unwirtschaftlichen Minderbemittelten wirken und gleichzeitig Mittel zu ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Hebung beschaffen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Staat seine Angehörigen, die Allgemeinheit ihre Mitmenschen nur insoweit zu unterstützen Hut, als Abwendung der äußersten Not in Frage kommt. Ein Mehr, daß der wirt¬ schaftlichen Hebung des einzelnen dienen soll, kann höchstens als freie Liebesgabe erwartet werden. Wollte man aber auch von diesem Grundsatze wegen der Grenzboten IV 191S 10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/157>, abgerufen am 30.05.2024.