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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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scheint aber auch notwendig, um Mißstimmung unter den verschiedenen Klassen
und Abwanderungen in sparzwangfreie Berufe vorzubeugen. Andererseits ist
dies erforderlich, um die Quellen möglichst ergiebig zu machen. Aus dem
gleichen Grunde soll man den Kreis der Sparpflichtigen möglichst weit fassen,
d. h.. zwar beschränken auf den Kreis der Jnvalidenversicherungspflichtigen,
entsprechend dem H 1226 R. V. O. und Z 1 des Angestelltenverstcherungsgesetzes,
dabei aber die Lohngrenze von 2000 Mark bis zur Grenze der Angestellten¬
versicherung von 5000 Mark erhöhen. Endlich müßte freiwilliges Weitersparen
entsprechend der Reichsversicherungsordnung und dem Angestelltenversicherungs-
gesetz gestattet werden.

Schließlich müßte der Sparzwang beginnen mit dem Zeitpunkte, wo der
Betreffende gegen Entgeld beschäftigt wird. Er würde also bei ungelernten
Arbeitern schon mit dem vierzehnten Lebensjahre anfangen.

Wann soll er enden? Die bekannte Verfügung des Oberkommandos in
den Marken vom 1916 verpflichtet nur die Jugendlichen bis zum
achtzehnten Lebensjahre zum Sparen, während der Erlaß des stellvertretenden
Generalkommandos des XI. Armeekorps in Kassel vom 7. Februar 1916 den
Sparzwang bis zur Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres ausdehnt.
Beide Anordnungen folgen damit der in der Literatur herrschenden Ansicht, daß
der Sparzwang nur auf Jugendliche auszudehnen sei.*) Eine zeitliche Ab¬
grenzung nach dem Lebensalter des Sparpflichtigen erscheint mir jedoch
unbegründet. Eher könnte man abgrenzen nach Verheirateten und Unver-
heiraten, indem man nur die letzteren dem Sparzwange unterwirft, wie es
Schmittmann a. a. O. vorschlägt. Allein, das würde leicht zu verfrühten,
unerwünschten Heiraten führen. Richtiger erscheint es, sowohl im Interesse der
Erziehung als auch der Ergiebigkeit der Sparquellen, daß die Sparpflicht all¬
gemein ohne Rücksicht auf Altersgrenzen eingeführt wird. Da unbestreitbar
Verschwendung, Trunksucht und andere unwirtschaftliche, gemeinschädliche Ver¬
geudungen nicht selten auch bei Volljährigen und Verheirateten, wenn vielleicht
auch weniger häufig als bei den jugendlichen Personen, vorkommen, so ist nicht
einzusehen, warum das Sparen bei einer gewissen Altersgrenze, die keinerlei
Gewähr für wahre Wirtschaftlichkeit bietet. Halt machen soll. Auch die bis¬
herige, soziale Gesetzgebung macht in dieser Richtung keinerlei Unterschied.
Die große Mehrzahl unseres Volkes ist durch die fortwährend sich mehrenden
sozialen Gesetze und Anordnungen schon derart sozial erzogen, in solchem
Maße erfahren und einsichtig, daß sie die allgemeine Einführung des Sparens,
wenn sie zweckentsprechend eingerichtet wird, nicht als unangebrachter Zwang
empfinden wird. Unter Jugendlichen wie auch unter Erwachsenen, Ver¬
heirateten und Ledigen gibt es schöne Beispiele peinlichster Sparsamkeit und
aufopfernder Familienliebe. Sie trifft der Sparzwang in keiner Weife, dafür



") Vergl, z, B. von Bisbersteui a. a. O,
Die Sparfragc vor, während und nach dem Kriege

scheint aber auch notwendig, um Mißstimmung unter den verschiedenen Klassen
und Abwanderungen in sparzwangfreie Berufe vorzubeugen. Andererseits ist
dies erforderlich, um die Quellen möglichst ergiebig zu machen. Aus dem
gleichen Grunde soll man den Kreis der Sparpflichtigen möglichst weit fassen,
d. h.. zwar beschränken auf den Kreis der Jnvalidenversicherungspflichtigen,
entsprechend dem H 1226 R. V. O. und Z 1 des Angestelltenverstcherungsgesetzes,
dabei aber die Lohngrenze von 2000 Mark bis zur Grenze der Angestellten¬
versicherung von 5000 Mark erhöhen. Endlich müßte freiwilliges Weitersparen
entsprechend der Reichsversicherungsordnung und dem Angestelltenversicherungs-
gesetz gestattet werden.

Schließlich müßte der Sparzwang beginnen mit dem Zeitpunkte, wo der
Betreffende gegen Entgeld beschäftigt wird. Er würde also bei ungelernten
Arbeitern schon mit dem vierzehnten Lebensjahre anfangen.

Wann soll er enden? Die bekannte Verfügung des Oberkommandos in
den Marken vom 1916 verpflichtet nur die Jugendlichen bis zum
achtzehnten Lebensjahre zum Sparen, während der Erlaß des stellvertretenden
Generalkommandos des XI. Armeekorps in Kassel vom 7. Februar 1916 den
Sparzwang bis zur Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres ausdehnt.
Beide Anordnungen folgen damit der in der Literatur herrschenden Ansicht, daß
der Sparzwang nur auf Jugendliche auszudehnen sei.*) Eine zeitliche Ab¬
grenzung nach dem Lebensalter des Sparpflichtigen erscheint mir jedoch
unbegründet. Eher könnte man abgrenzen nach Verheirateten und Unver-
heiraten, indem man nur die letzteren dem Sparzwange unterwirft, wie es
Schmittmann a. a. O. vorschlägt. Allein, das würde leicht zu verfrühten,
unerwünschten Heiraten führen. Richtiger erscheint es, sowohl im Interesse der
Erziehung als auch der Ergiebigkeit der Sparquellen, daß die Sparpflicht all¬
gemein ohne Rücksicht auf Altersgrenzen eingeführt wird. Da unbestreitbar
Verschwendung, Trunksucht und andere unwirtschaftliche, gemeinschädliche Ver¬
geudungen nicht selten auch bei Volljährigen und Verheirateten, wenn vielleicht
auch weniger häufig als bei den jugendlichen Personen, vorkommen, so ist nicht
einzusehen, warum das Sparen bei einer gewissen Altersgrenze, die keinerlei
Gewähr für wahre Wirtschaftlichkeit bietet. Halt machen soll. Auch die bis¬
herige, soziale Gesetzgebung macht in dieser Richtung keinerlei Unterschied.
Die große Mehrzahl unseres Volkes ist durch die fortwährend sich mehrenden
sozialen Gesetze und Anordnungen schon derart sozial erzogen, in solchem
Maße erfahren und einsichtig, daß sie die allgemeine Einführung des Sparens,
wenn sie zweckentsprechend eingerichtet wird, nicht als unangebrachter Zwang
empfinden wird. Unter Jugendlichen wie auch unter Erwachsenen, Ver¬
heirateten und Ledigen gibt es schöne Beispiele peinlichster Sparsamkeit und
aufopfernder Familienliebe. Sie trifft der Sparzwang in keiner Weife, dafür



") Vergl, z, B. von Bisbersteui a. a. O,
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[0156] Die Sparfragc vor, während und nach dem Kriege scheint aber auch notwendig, um Mißstimmung unter den verschiedenen Klassen und Abwanderungen in sparzwangfreie Berufe vorzubeugen. Andererseits ist dies erforderlich, um die Quellen möglichst ergiebig zu machen. Aus dem gleichen Grunde soll man den Kreis der Sparpflichtigen möglichst weit fassen, d. h.. zwar beschränken auf den Kreis der Jnvalidenversicherungspflichtigen, entsprechend dem H 1226 R. V. O. und Z 1 des Angestelltenverstcherungsgesetzes, dabei aber die Lohngrenze von 2000 Mark bis zur Grenze der Angestellten¬ versicherung von 5000 Mark erhöhen. Endlich müßte freiwilliges Weitersparen entsprechend der Reichsversicherungsordnung und dem Angestelltenversicherungs- gesetz gestattet werden. Schließlich müßte der Sparzwang beginnen mit dem Zeitpunkte, wo der Betreffende gegen Entgeld beschäftigt wird. Er würde also bei ungelernten Arbeitern schon mit dem vierzehnten Lebensjahre anfangen. Wann soll er enden? Die bekannte Verfügung des Oberkommandos in den Marken vom 1916 verpflichtet nur die Jugendlichen bis zum achtzehnten Lebensjahre zum Sparen, während der Erlaß des stellvertretenden Generalkommandos des XI. Armeekorps in Kassel vom 7. Februar 1916 den Sparzwang bis zur Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres ausdehnt. Beide Anordnungen folgen damit der in der Literatur herrschenden Ansicht, daß der Sparzwang nur auf Jugendliche auszudehnen sei.*) Eine zeitliche Ab¬ grenzung nach dem Lebensalter des Sparpflichtigen erscheint mir jedoch unbegründet. Eher könnte man abgrenzen nach Verheirateten und Unver- heiraten, indem man nur die letzteren dem Sparzwange unterwirft, wie es Schmittmann a. a. O. vorschlägt. Allein, das würde leicht zu verfrühten, unerwünschten Heiraten führen. Richtiger erscheint es, sowohl im Interesse der Erziehung als auch der Ergiebigkeit der Sparquellen, daß die Sparpflicht all¬ gemein ohne Rücksicht auf Altersgrenzen eingeführt wird. Da unbestreitbar Verschwendung, Trunksucht und andere unwirtschaftliche, gemeinschädliche Ver¬ geudungen nicht selten auch bei Volljährigen und Verheirateten, wenn vielleicht auch weniger häufig als bei den jugendlichen Personen, vorkommen, so ist nicht einzusehen, warum das Sparen bei einer gewissen Altersgrenze, die keinerlei Gewähr für wahre Wirtschaftlichkeit bietet. Halt machen soll. Auch die bis¬ herige, soziale Gesetzgebung macht in dieser Richtung keinerlei Unterschied. Die große Mehrzahl unseres Volkes ist durch die fortwährend sich mehrenden sozialen Gesetze und Anordnungen schon derart sozial erzogen, in solchem Maße erfahren und einsichtig, daß sie die allgemeine Einführung des Sparens, wenn sie zweckentsprechend eingerichtet wird, nicht als unangebrachter Zwang empfinden wird. Unter Jugendlichen wie auch unter Erwachsenen, Ver¬ heirateten und Ledigen gibt es schöne Beispiele peinlichster Sparsamkeit und aufopfernder Familienliebe. Sie trifft der Sparzwang in keiner Weife, dafür ") Vergl, z, B. von Bisbersteui a. a. O,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/156>, abgerufen am 08.06.2024.